Die Pazifische Auster im norddeutschen Wattenmeer – eines der bekanntesten Beispiele für Bioinvasion. Oldenburger Wissenschaftler haben sich des Problems angenommen und globale Transportwege invasiver Arten berechnet.
Die Globalisierung mit dem einhergehenden stetigen Anstieg des Güterverkehrs sorgt für eine neue Welle der Bioinvasion: Tiere und Pflanzen fahren als blinde Passagiere auf Frachtschiffen, versteckt in Ballastwassertanks oder angeheftet an dem Rumpf der Schiffe. Wissenschaftler der Universitäten Oldenburg und Bristol (Großbritannien) haben sich diesem Problem angenommen. Sie entwickelten die zurzeit präzisesten Modelle zur Vorhersage von Bioinvasion im Schiffsverkehr. So können die Forscher beispielsweise Ballungsgebiete der globalen Bioinvasion bestimmen und jedem Schiff, jedem Hafen oder jeder Region ein Invasionsrisiko zuordnen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift für Ökologie „Ecology Letters“ veröffentlicht. „Unser Modell verbindet Daten über Schiffsbewegungen, Schiffsgrößen, Wassertemperaturen und Biogeographie, um die Wahrscheinlichkeit einer Invasion zu bestimmen”, sagt Prof. Dr. Bernd Blasius, Hochschullehrer für Mathematische Modellierung und Leiter der Studie.
Sind gebietsfremde Arten bei ihrer Reise über die sieben Weltmeer lebend in den Häfen angekommen, dann können sie bisher unberührte Gewässer nachhaltig verändern. Unter Umständen verdrängen sie einheimische Arten und verändern ganze Ökosysteme. In einigen Regionen wie der nordamerikanischen Chesapeake Bay oder dem Mittelmeer werden mehrere neue Arten pro Jahr entdeckt. Die Schäden, die die Eindringlinge anrichten, belaufen sich jährlich auf mehrere Milliarden US-Dollar. Wie kann man diese Invasion verhindern? Um die Frage zu beantworten, sind möglichst präzise Vorhersagen über die Bioinvasion erforderlich. Die Akteure benötigen Erkenntnisse, wann und wo die nächste ortsfremde Art wahrscheinlich auftauchen wird.
Und hier kommen die Wissenschaftler mit ihren Analysen und Modellberechnungen ins Spiel: Fast drei Millionen Schiffsbewegungen in den Jahren 2007 und 2008 analysierten die Wissenschaftler. Für jede Route, die ein Schiff fuhr, berechneten sie die Wahrscheinlichkeit, ob eine Art die Reise überlebt und sich als neue Population im Zielhafen etablieren kann.
„Bioinvasion ist ein komplexer Prozess. So haben wir unterschiedlich aufwändige Szenarien simuliert und berechnet. Sie zeigen alle die gleichen Hotspots und Hochrisikorouten für Bioinvasion auf“, erklärt Dr. Michael Gastner, Biologe an der Universität Bristol und Co-Autor. Der Schiffsverkehr auf den Hauptrouten spiele dabei die größte Rolle für die Berechnung von Bioinvasion. Denn mit jedem weiteren Schiff erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit der Bioinvasion. Aber auch Wassertemperatur und geographische Besonderheiten können die Bioinvasion beeinflussen. Zusätzlich nahmen die Wissenschaftler auch den Schiffstyp und das Volumen des Ballastwassertanks in ihre Modelle auf. So fahren Containerschiffe schneller als Öltanker und können somit die Ausbreitung fremder Arten beschleunigen.
In ihrem Projekt „Bioinvasion and Epidemic Spread in Complex Transportation Networks“, gefördert durch die VolkswagenStiftung, bestimmten die Wissenschaftler als Ballungszentren der Bioinvasion große asiatische Häfen wie Singapur oder Hong Kong, aber auch amerikanische Häfen wie New York oder Long Beach. Häfen, die eine hohe Verkehrsdichte aufweisen. Doch Verkehrsdichte ist nicht alles – wie die Wissenschaftler am Beispiel der Nordsee zeigen. Trotz hohen Schiffsaufkommens ist Bioinvasion dort vergleichsweise selten. Der Grund: Gebietsfremde Arten haben durch die niedrigen Wassertemperaturen eine geringe Überlebenschance. Nur die Nordamerikanische Ostküste weist ähnliche Bedingungen wie die Nordsee auf – was zu einer hohen Wahrscheinlichkeit für Bioinvasion aus dieser Region führt. „Wir verglichen unsere Modellergebnisse mit Felddaten. Und tatsächlich, die meisten invasiven Arten, die in der Nordsee vorkommen, haben ihre Heimat an der Nordamerikanischen Ostküste. Durch unsere Simulationen ist es also möglich, die Wahrscheinlichkeit von Bioinvasion und die Transportwege der Eindringlinge abzugleichen”, erklärt der Oldenburger Biologe und Autor des Artikels Dr. Hanno Seebens.
So ernst das Problem zukünftiger Invasionen auch sein mag, die Studie enthält auch einen Lichtblick: „Es klingt banal. Der beste Schutz gegen Bioinvasion ist es, sie einfach nicht zuzulassen. Das bedeutet, dass potenzielle Invasoren einfach nicht von Bord dürfen. Dies erreicht man durch permanente Reinigung des Ballastwassers mittels Filter, Chemikalien und UV-Strahlung“, erklärt Blasius. Nur so könne das Risiko einer Invasion deutlich reduziert werden. Die Wissenschaftler konnten in ihrem Modell zeigen: Reduziert man die Anzahl der Arten im Ballastwassertank um 25 Prozent, verringert sich das Risikos durch Bioinvasion um 56 Prozent.
Kontakt
Prof. Dr. Bernd Blasius
Institut für Chemie und Biologie des Meeres
Tel: 0441-798/3997
bernd.blasius@uni-oldenburg.de