Der Oldenburger Physiker Dr. Jan Vogelsang ist in das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen worden. Vogelsang kann somit eine eigene Nachwuchsforschungsgruppe aufbauen, die die DFG mit bis zu 2,5 Millionen Euro fördert.
Mit seinem Projekt „Attosekunden-Ladungsträgerdynamik an nanoskaligen Grenzflächen“ macht er Prozesse sichtbar, die zu klein sind und zu schnell ablaufen, um für das menschliche Auge erkennbar zu sein.
„Unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler gezielt und individuell zu fördern, ist ein zentrales Anliegen unserer Universität. Jan Vogelsang ist ein herausragender Forscher, seine Aufnahme in das Emmy Noether-Programm eine hohe Anerkennung seiner Leistungen“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Ralph Bruder.
„Jan Vogelsang ist sehr neugierig, gut strukturiert und sehr zielstrebig“, sagt Prof. Dr. Christoph Lienau, in dessen Arbeitsgruppe „Ultraschnelle Nano-Optik“ Vogelsang promovierte. Der Nachwuchswissenschaftler habe nicht nur hohe intellektuelle Fähigkeiten, sondern auch ein großes experimentelles Geschick und die Fähigkeit, beides in herausragender Art und Weise zu kombinieren.
Optoelektrische Bauteile finden sich überall im Alltag
Ob Smartphone-Display, Leuchtdiode oder Glasfaseranschluss: Die Umwandlung von elektrischer Energie in Licht – und umgekehrt die Umwandlung von Licht in Solarstrom – kommt ohne sogenannte optoelektronische Bauelemente nicht aus. Sie sind die Schnittstelle zwischen elektrischen und optischen Komponenten, und sie werden immer kleiner. Mit den Prozessen, die in solchen Bauteilen ablaufen, befasst sich Vogelsang: Der Forscher arbeitet daran, die physikalischen Mechanismen im Nanobereich sichtbar zu machen.
Mit seiner Nachwuchsforschungsgruppe will er jetzt untersuchen, welchen Weg Elektronen wählen, nachdem sie durch einen kurzen Laserimpuls angeregt wurden. Mit den experimentellen Mitteln, die Vogelsang bisher zur Verfügung standen, konnte er bereits die Bewegungsrichtung dieser Teilchen erfassen. Es fehlte aber die Möglichkeit, ihren Aufenthaltsort genau zu bestimmen. Bei seinem neuen Verfahren setzt Vogelsang einen zweiten, nur wenige Attosekunden langen Laserimpuls ein, wobei eine Attosekunde dem Milliardstel Teil einer Milliardstel Sekunde entspricht. Dieser zweite Impuls löst die angeregten Elektronen aus der untersuchten Materie heraus, zum Beispiel aus dem Leitungsband eines Halbleiters.
An die Fersen der Ladungsträger heften
„Gerade diese Elektronen tragen die Informationen, die wir benötigen, und wir werden sie nun mit unserem neuen Elektronenmikroskop genauestens untersuchen“, erklärt Vogelsang. Die Laserblitze sind so kurz, dass die Elektronen im Moment der Belichtung stillzustehen scheinen, so dass Vogelsang sich mit diesem Verfahren quasi an die Fersen der gleichzeitig extrem schnellen und kleinen Ladungsträger heften kann. Das Verfahren ermöglicht außerdem, diese Bewegungen nicht nur zu beobachten, sondern wie in einem Film sichtbar zu machen.
Ermöglicht wird die Forschung auch durch neue Geräte, die Vogelsang dank der Förderung beschaffen kann. Herzstück der Arbeit seiner Forschungsgruppe wird ein Photoemissions-Elektronenmikroskop sein. Dieses Gerät ermöglicht es, die beschriebenen Aufenthaltsorte von Elektronen mit einer Auflösung besser als 50 Nanometer, also 50 Milliardstel Meter, abzubilden. Ergänzt durch Laser, die wie beschrieben dafür sorgen, mit der Schnelligkeit der Elektronen mithalten zu können, und ein Flugzeitspektrometer, mit dem die Bewegungsenergie der Elektronen bestimmt werden kann, entsteht ein Versuchsaufbau im Wert von rund 750.000 Euro.
Echte Antworten statt nur ausprobieren
Vogelsang nimmt an, dass sein Verfahren perspektivisch Kolleginnen und Kollegen ganz unterschiedlicher Forschungsgebiete dabei helfen kann, Antworten auf Fragen zu finden, die sie bisher nur durch Ausprobieren lösen konnten. Angewendet werden könnte seine Methode beispielsweise bei Ladungstransferprozessen in Solarzellen, um den winzigen Elektronen auf ihrem Weg über Materialgrenzen hinweg zu folgen. Mit diesen Einblicken in die Nanowelt kann die Wissenschaft dann Stromerzeugung gezielt dort optimieren, wo sie ihren Anfang nimmt.
Über das Emmy Noether-Programm:
Das Emmy Noether-Programm der DFG will herausragenden Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbständigkeit eröffnen. Promovierte Forschende mit substanzieller internationaler Erfahrung erwerben durch eine in der Regel sechsjährige Förderung die Befähigung zum Hochschullehrer oder zur Hochschullehrerin durch die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe. Namensgeberin ist die deutsche Mathematikerin Emmy Noether, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem die abstrakte Algebra und die theoretische Physik entscheidend vorangebracht hat.