• Drei Kinder im Grundschulalter sitzen nebeneinander an einem Tisch und basteln.

    Grundschulkinder bringen oft sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit: Soziale und ethnische Vielfalt, aber auch Unterschiede in der Leistungsfähigkeit haben in den letzten Jahren zugenommen – und damit die Herausforderung für Lehrkräfte, den Unterricht für alle spannend zu gestalten. Foto: iStock/FatCamera

Guter Unterricht für alle

Ein Team um den Sonderpädagogen Clemens Hillenbrand hat digitale Lernmaterialien zum Thema Inklusion entwickelt. Podcasts und Videos sollen Studierende und Lehrkräfte dabei unterstützen, heterogene Klassen gut zu unterrichten.

Ein Team um den Sonderpädagogen Clemens Hillenbrand hat digitale Lernmaterialien zum Thema Inklusion entwickelt. Podcasts und Videos sollen Studierende und Lehrkräfte dabei unterstützen, heterogene Klassen gut zu unterrichten.

„Die sagen mir immer, dass ich das kann und dass ich das schaffe. Und das gibt mir dann einen Mutschubs“, erklärt eine Schülerin in einer Audioaufnahme. Dieser „Mutschubs“ – genauer gesagt: konstruktive Unterstützung durch motivierendes Feedback – ist einer der zahlreichen praxisnahen Tipps für guten Schulunterricht. Zusammengetragen hat die Tipps ein hochschulübergreifendes Projektteam unter Leitung der Universität Oldenburg.  Sie sind in einer kostenfrei zugänglichen Mediensammlung für Lehramtsstudierende zusammengestellt. Diese freien Lehr- und Lernmaterialien (englisch: Open Educational Resources oder OER) sollen Studierende aller Lehrämter dabei unterstützen, heterogene Lerngruppen zu unterrichten und inklusive Bildung in die Tat umzusetzen.

Im Frühjahr 2021 hat das Team um Projektleiter Prof. Dr. Clemens Hillenbrand vom Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik sowie Prof. Dr. Franco Rau (Universität Vechta) und Prof. Dr. Marie-Christine Vierbuchen (Universität Flensburg) seine Arbeit aufgenommen. Das Projekt mit dem Titel „Handlungsstrategien für heterogene Klassen – OER für die Lehrkräftebildung“ wurde für 18 Monate vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium gefördert und ist kürzlich abgeschlossen worden.

Das Ergebnis sind umfangreiche Ressourcen zu drei großen Bereichen: Zum einen liefern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Antworten auf die Frage, wie guter Unterricht ganz allgemein funktioniert. Zum anderen befassen sie sich mit den Inhalten inklusiver Bildung, und als drittes geben sie Hinweise dazu, wie sich die speziellen Bedarfe einzelner Schülerinnen und Schüler erkennen lassen.

Podcast, Erklärvideos und Wissenstexte

Für jedes dieser drei Pakete hat das Projektteam verschiedene Medien entwickelt: Nutzerinnen und Nutzer können sich Podcasts anhören, Erklärvideos anschauen sowie kurze Wissenstexte lesen, die einen anschaulichen Überblick zur aktuellen Studienlage geben sowie auf vielfältige Quellen verweisen. Abrufbar ist das Ganze auf twillo, der niedersächsischen Plattform für frei zugängliche Bildungsmaterialien.

„Es gab das Vorgängerprojekt KLUG, das sich an Lehrkräfte für Geschichte richtete“, erklärt Hillenbrand. „Schon dort haben wir digitale Lernmaterialien entwickelt, die bei der Umsetzung der Inklusion unterstützen sollen, und wir haben gesehen, welche großen Chancen darin liegen.“

Ein weiterer Impuls für das aktuelle Projekt: „Wir haben in Seminaren oft gemerkt, dass es den Studierenden schwerfällt, den Transfer von den Grundlagen der Inklusion zu ihren Fächern zu schaffen“, schildert Vierbuchen im Video zur Projektvorstellung. „Wir müssen für Studierende aus den allgemeinen Lehrämtern deshalb vielfältige Zugänge schaffen“, ergänzt Hillenbrand. Es müsse Möglichkeiten zur selbständigen Vertiefung geben, damit alle genau das Puzzleteil finden, das sie gerade benötigen.

Im Austausch mit Expertinnen und Experten von Lehrerbildungszentren und Verbänden stellte das Team fest, dass die entstandenen Materialien auch für erfahrene Lehrkräfte sehr hilfreich sein können. „Inzwischen denken wir, dass die Einsatzmöglichkeiten weit über die universitäre Lehramtsausbildung hinausgehen“, berichtet Hillenbrand.

Der Qualifizierungsbedarf im Bereich Inklusion ist groß – auch aufgrund der Coronapandemie. Die COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf verwies etwa Anfang 2021 darauf, dass fast jedes dritte Kind ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten leide.

Viele positive Erfahrungen mit Inklusion in allen Schulformen

„Lehrkräfte berichten, dass viele Schülerinnen und Schüler durch die zwei Jahre Pandemie große Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren“, schildert Hillenbrand. „Sie sind es nicht mehr gewohnt, mit anderen zu interagieren, zu kommunizieren, Konflikte auszuhalten, miteinander konstruktiv zu arbeiten oder es durchzuhalten, wenn man länger zusammensitzen muss.“ Das stelle die Lehrkräfte vor neue Herausforderungen. Das OER-Material könne auch für diese Probleme eine wertvolle Hilfestellung sein, um beispielsweise gezielter auf die Bedarfe von Schülerinnen und Schüler eingehen zu können oder das passende „Classroom Management“ zu etablieren.

Insgesamt ist sich das Projektteam sicher, dass die „Handlungsstrategien für heterogene Klassen“ einen gewichtigen Beitrag leisten können, um die Idee der Inklusion in die Breite zu tragen – im Lehramtsstudium und darüber hinaus. Für alle, die schon mittendrin sind in der Umsetzung der Inklusion, formuliert Hillenbrand einen kleinen „Mutschubs“: Trotz aller Restriktionen gebe es sehr viele positive Erfahrungen, und zwar in allen Schulformen.

„Es wird viel darüber geredet, dass die Inklusion gescheitert sei. Wir müssen das Gegenbild zeigen – wo Inklusion überall gelungen ist, wo die Zusammenarbeit funktioniert.“ Sein Plädoyer: „Lasst uns darauf schauen, was schon gelingt. Und von dort aus die nächsten Schritte gehen.“

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