Als Hausarzt hat Michael Freitag, Hochschullehrer für Allgemeinmedizin, viel Erfahrung mit Impfungen. Im Interview schildert er, welche Rolle Hausarztpraxen beim Covid-19-Impfprogramm spielen sollten – und wie es ist, selbst eine Impfung zu erhalten.
Herr Prof. Freitag, alle sprechen derzeit über Impfungen. Sind Sie als Arzt, der auch praktisch tätig ist und mit Risikogruppen zu tun hat, bereits geimpft?
Ich habe vor knapp einer Woche meine erste Covid-19-Impfung mit dem Impfstoff von AstraZenca erhalten – zusammen mit insgesamt fünf Kolleginnen und Kollegen meiner Praxis. Vier weitere wurden bereits vor einigen Wochen geimpft. Die Impfung habe ich sehr gut vertragen, am Wochenende danach war ich sogar einmal laufen. Einige von uns hatten leichte bis mäßige Impfreaktionen, zum Beispiel erhöhte Temperatur, Mattigkeit oder Kopf- und Gliederschmerzen. Das sind aber bekannte Reaktionen, die nur ein bis zwei Tage dauern. Darauf kann man kann sich einstellen – und es ist nichts, wovor man Angst haben müsste.
Verspüren Sie jetzt Erleichterung?
Ja, es fühlt sich gut an, dass sich etwas bewegt und dass ich selbst dazu beitragen kann, dass die Coronakrise irgendwann beendet werden kann.
Gestern haben Bund und Länder beschlossen, dass spätestens ab Anfang April Covid-19-Impfungen auch in Hausarztpraxen möglich sein sollen. Das Land Niedersachsen führt derzeit einen entsprechenden Modellversuch durch. Was halten Sie von diesem Vorgehen?
Hausarztpraxen sollten unbedingt in die Impfungen eingebunden werden. Dadurch kann das Impfprogramm deutlich schneller umgesetzt werden. Hierzu eine Kopfrechnung: Im Oldenburger Impfzentrum können im Idealfall etwa 1.000 Personen pro Tag geimpft werden. Man kann sich leicht ausrechnen, wie lange es dauert, bis alle geimpft sind: 170 Tage, also ein halbes Jahr, nur für die erste Impfdosis der Stadtbevölkerung. Außerdem erreichen wir Hausärzte beispielsweise auch ältere Patienten zu Hause.
Umfragen zufolge steigt derzeit die Impfbereitschaft in Deutschland. Die Debatte um den Impfstoff von AstraZeneca hat aber auch gezeigt, dass viele Menschen noch unentschlossen oder skeptisch sind. Welche Rolle könnten Hausärzte dabei spielen, die Impfbereitschaft zu erhöhen?
Wir Hausärzte sind für viele Menschen Vertrauenspersonen. Wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen, dann gibt es hoffentlich positive Nachahmer-Effekte. Ich selbst habe daher zum Beispiel meine Impfung auch in den sozialen Medien verkündet, um Vorbehalte aus dem Weg zu räumen. Hinzu kommt, dass wir in den Hausarztpraxen viel Erfahrung haben, etwa durch die jährlichen Grippeimpfungen. Wir sind es gewohnt, mit Patientinnen und Patienten über Impfungen zu sprechen. Als Hausärzte impfen wir täglich – und künftig selbstverständlich auch die COVID-19-Impfstoffe.
Derzeit beunruhigen die Nachrichten über die verschiedenen Coronavirus-Mutationen, vor allem die britische Variante, die sich vielerorts stärker verbreiten. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Impfungen auch langfristig helfen, die Pandemie einzudämmen?
Das lässt sich jetzt noch nicht vorhersagen. Ob beispielsweise jährliche Impfungen, ähnlich wie bei der Grippe, notwendig werden, wird sich erst noch zeigen. Doch zu viel Grübelei hilft uns nicht wirklich weiter. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Situation dank der Impfungen wieder normalisiert.
Interview: Constanze Böttcher