• Studierende lernen in Seminaren, sich kreativ mit der plattdeutschen Sprache auseinanderzusetzen - zum Beispiel in Form von Black-Out-Poetry (niederdeutsch: Swarttexten). Die Idee: Ein Gedicht entsteht dadurch, dass man in einem bestehenden Text die nicht benötigten Wörter streicht. Foto: Universität Oldenburg.

Nedderdüütsch studeern

Niederdeutsch soll sich als Unterrichtsfach an niedersächsischen Schulen etablieren - und auch als solches studiert werden können. Die Universität baut gerade ihr Studienangebot aus. Studierende können die Sprache schon heute als Schwerpunkt wählen.

Niederdeutsch soll sich als Unterrichtsfach an niedersächsischen Schulen etablieren – und auch als solches studiert werden können. Die Universität baut gerade ihr Studienangebot aus. Germanistik-Studierende können die Sprache schon heute als Schwerpunkt wählen.

Über die Frage, ob er ein plattdeutsches Lieblingswort habe, muss Tobias Kremer nicht lange grübeln. „Ketteket – Eichhörnchen“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen. „Das Wort hat sich in meiner Kindheit eingeprägt. Meine Mutter hat es immer verwendet.“ Der 23-jährige Masterstudent ist im Nordwesten Niedersachsens, nahe der niederländischen Grenze mit der niederdeutschen Sprache aufgewachsen: „Für meine Großeltern war Plattdeutsch die Haussprache, auch meine Mutter spricht es fließend.“ Im Alltag sei dennoch vor allem Hochdeutsch gesprochen worden, auch in der Schule, erzählt Kremer, sodass er selbst nur rudimentär platt spreche.

Mit seiner Erfahrung steht Kremer beispielhaft für eine Generation, die Plattdeutsch zwar noch versteht, aber nicht mehr sprechen kann. Um die Sprache vor dem Aussterben zu bewahren, wird sie seit einigen Jahren in den Schulen wieder verstärkt unterrichtet. Wer sich als angehender Lehrer für diese Aufgabe interessiert, hat in Oldenburg die Möglichkeit, sich im Studium entsprechend zu profilieren: „Die Universität Oldenburg ist die einzige in Niedersachsen, an der man im Germanistik-Studium den Schwerpunkt Niederdeutsch wählen kann“, erzählt Prof. Dr. Jörg Peters, Hochschullehrer für Pragmatik und Soziolinguistik sowie Niederdeutsch. Tobias Kremer, der heute im Master Germanistik und Politik-Wirtschaft für das Gymnasiallehramt studiert, hatte sich bereits im Bachelor für den Schwerpunkt entschieden. Für ihn ist es eine Herzenssache: „Ich möchte die Sprache meiner Großeltern erhalten“, sagt er.

Vorteile für die kognitive Entwicklung

Lange Zeit hatte Niederdeutsch einen schlechten Ruf. „Bis in die 1970er Jahre hinein gab es in der Soziolinguistik die Auffassung, dass Plattdeutsch eine eher bildungsferne Sprache ist. Man ging davon aus, dass Kinder Nachteile in der Schule haben, wenn sie zu Hause platt sprechen – denn die Schulsprache war Hochdeutsch“, erklärt Peters. Entsprechend sei Plattdeutsch als Familiensprache zurückgedrängt worden.

Dass Niederdeutsch heute als bedeutendes regionales Kulturgut wieder an Bedeutung gewinnt und sich auch die Politik um die Erhaltung der Sprache bemüht, hat verschiedene Gründe. 1998 trat in Deutschland die Europäische „Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ in Kraft, mit der Regional- und Minderheitensprachen als Teil des kulturellen Erbes Europas anerkannt, geschützt und gefördert werden. Als einzige deutsche Regionalsprache steht Niederdeutsch unter dem Schutz der Charta – in Niedersachsen ebenso die Minderheitensprache Saterfriesisch. „Das war ein wichtiger Schritt“, betont Peters.

Mit der Ratifizierung der Charta haben sich die Bundesländer verpflichtet, die sogenannten kleinen Sprachen zu fördern. Zudem sei heute wissenschaftlich belegt, dass es Kindern nicht schade, wenn sie mehrsprachig aufwachsen. „Man geht davon aus, dass es sogar Vorteile für die kognitive Entwicklung hat“, sagt Peters. Für ihn ein gewichtiges Argument, um Eltern und Großeltern davon zu überzeugen, mit ihren Kindern und Enkeln im Alltag wieder Plattdeutsch zu reden. „Für die Kinder ist das die Chance, eine natürliche Mehrsprachigkeit zu erwerben.“

"Zertifikat Niederdeutsch" bereitet auf Plattdeutsch-Unterricht in der Schule vor

Dennoch stehen vor allem die Bildungseinrichtungen in der Verantwortung, entsprechende Angebote zu unterbreiten. Schulen setzen dafür häufig auf AGs oder Vorlesewettbewerbe. In Ostfriesland, wo die Sprache noch am weitesten verbreitet ist, bieten viele Grundschulen außerdem Immersionsunterricht an – dabei werden Fächer wie Sport oder Sachkunde auf Plattdeutsch unterrichtet. Das Engagement hat offensichtlich Erfolg: Einer Studie des Bremer Instituts für Niederdeutsche Sprache zufolge ist die Zahl der Plattdeutschsprecher seit 2007 einigermaßen stabil geblieben.

Mit welchen Methoden sie Niederdeutsch in den Schulen vermitteln können, lernen angehende Lehrer im Oldenburger Niederdeutsch-Studium. Hinzu kommen Seminare und Übungen zur Sprachgeschichte und Dialektik sowie Sprachkurse. Sind alle für den Schwerpunkt vorgesehenen Veranstaltungen erfolgreich abgeschlossen, wird dies mit dem „Zertifikat Niederdeutsch“ bestätigt. Tobias Kremer war schon von der Einführungsveranstaltung begeistert. Besonders viel Spaß habe ihm dann der Sprachkurs gemacht. „Man muss zwar auch Vokabeln lernen, aber statt stumpfem Auswendiglernen haben wir viel anhand von Geschichten, Liedern oder populären Formaten wie ‚Inas Nacht‘ erarbeitet.“ Durch die persönliche Verbindung zur Sprache sei es ihm leicht gefallen, sich zum Lernen zu motivieren.

Niederdeutsch als eigenes Schulfach

Um künftig Niederdeutsch im Bildungssystem fester zu verankern, hat die Landesregierung 2017 beschlossen, ein eigenes Unterrichtsfach einzurichten – als Fremdsprache im Wahlpflichtbereich der Sekundarstufen I und II. „Das ist ein Riesenfortschritt“, freut sich Peters. Für die Universität Oldenburg geht mit dieser Entscheidung der Auftrag einher, die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer für das Fach aufzubauen. „Zunächst soll es möglich sein, Niederdeutsch als Erweiterungsfach zu studieren.“ In einigen Jahren habe sich das Fach dann hoffentlich soweit etabliert, dass es zusätzlich auch als vollwertiges Zweitfach studiert werden könne. Als Erweiterungsfach werde es aber bestehen bleiben und insbesondere für die Lehrerfortbildung offenstehen, so Peters.

Das Interesse der Studierenden ist in jedem Falle da: Derzeit kommt von den Oldenburger Germanistik-Studierenden etwa jeder Dritte im Laufe seines Studiums mit dem Fach Niederdeutsch in Berührung. Rund zehn bis fünfzehn Studierende pro Jahrgang erwerben darüber hinaus das Zertifikat Niederdeutsch. Von ihnen kämen viele aus Regionen, in denen Plattdeutsch noch verbreitet ist, sagt Peters. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diejenigen, die Niederdeutsch in der Schule unterrichten wollen, schließlich auch in ihre Heimatregion zurückkehren“, so seine Vermutung. Auch Tobias Kremer kann sich vorstellen, später in der Schule Plattdeutsch zu unterrichten: „Eine Plattdeutsch-AG anzubieten würde ich mir schon zutrauen.“

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