Handeln die Mitglieder der EU-Kommission zuallererst im europäischen Interesse oder haben sie vielmehr das Wohl ihres jeweiligen Heimatlandes und dessen Regierung im Blick? Dieser Frage will der Oldenburger Politologe und EU-Experte Prof. Dr. Torsten Jörg Selck auf den Grund gehen.
Sein Forschungsprojekt „EU-Kommissare: Überzeugte Europäer oder Agenten der Mitgliedsstaaten?“ fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in den kommenden drei Jahren mit gut 160.000 Euro.
Als politisches Führungspersonal der EU-Exekutive haben die Kommissarinnen und Kommissare erheblichen Einfluss auf die EU-Politik und somit das Leben der EU-Bürger. Mitglieder der EU-Kommission schwören zu Beginn ihrer Amtszeit, ihre „Tätigkeit in voller Unabhängigkeit im allgemeinen Interesse der Union auszuüben“ und bei der Erfüllung ihrer Aufgaben „Weisungen von einer Regierung weder einzuholen noch entgegenzunehmen“.
Zugleich hängt die Nominierung und mögliche Wiederernennung eines Kommissars von der Regierung seines jeweiligen Mitgliedstaates ab. Daher stellt sich politischen Beobachtern, aber auch Wissenschaftlern die Frage, inwieweit Kommissare womöglich (auch) als Erfüllungsgehilfen ihrer heimatstaatlichen Regierungen fungieren.
Empirisch lässt sich dies mangels direkter Einblicke in die Arbeit der EU-Kommission nur schwer beantworten. „Belegt ist inzwischen, dass Kommissare ihre Rolle durchaus unterschiedlich auslegen“, so Selck. „Wir wollen nun zeigen, unter welchen Umständen welches Rollenverständnis im Vordergrund steht.“
Die Kernhypothese des Projekts: Die Nähe zur Regierung des entsendenden Mitgliedstaates lässt EU-Kommissare eher nationale Interessen verfolgen. Mögliche weitere Einflussfaktoren auf ihr Verhalten könnten dabei die Größe des Mitgliedstaates, die Verweildauer in der Kommission, Alter, Herkunft und Parteienfamilie sein. Um zu ermitteln, welche Interessen dem Handeln von Kommissaren zugrunde liegen, wollen die Forscher des Instituts für Sozialwissenschaften unter anderem deren Redetexte analysieren.