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  • Eckhart Hahn:"Unser deutsch-niederländisches Projekt hat etwas Pionierhaftes."

„Sich auszutauschen, dafür gibt es keinen Ersatz“

Der Gründungsdekan der European Medical School Oldenburg-Groningen, Prof. Dr. Eckhart Hahn, im Interview: Über das Gemeinsamkeitsgefühl der Akteure, die Einrichtung universitärer Kliniken und die Auswahl der Studierenden – die in Oldenburg über deutlich mehr Lernzeit verfügen.

Der Gründungsdekan der European Medical School Oldenburg-Groningen, Prof. Dr. Eckhart Hahn, im Interview: Über das Gemeinsamkeitsgefühl der Akteure, die Einrichtung universitärer Kliniken und die Auswahl der Studierenden – die in Oldenburg über deutlich mehr Lernzeit verfügen. 


Der Modellstudiengang Humanmedizin ist eingerichtet, die ersten Studierenden kommen am 1. Oktober, zehn Tage später wird die European Medical School Oldenburg-Groningen offiziell eröffnet. Was steht bis dahin noch auf der Agenda? 

Hahn: Wir müssen noch viele Dinge leisten. Besonders wichtig ist mir aber, eine noch stärkere Gemeinsamkeit aller Akteure der neuen Medizinischen Fakultät zu erreichen.

Wie kann es gelingen, bei so vielen Beteiligten aus Universität und Kliniken ein Gemeinsamkeitsgefühl zu erzeugen?

Hahn:
Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg – das hat sich auch bei unserem Fakultätswochenende gezeigt. Alle an einen Tisch zu holen, in ungezwungener Atmosphäre miteinander zu reden und sich auszutauschen - dafür gibt es keinen Ersatz. Und dabei Studierende einzubinden, hat sich als ausgesprochen konstruktiv und wichtig herausgestellt.  

Das Projekt sieht die Einrichtung universitärer Klinikbereiche vor. Wie muss man sich das konkret vorstellen?  

Hahn: Dazu muss man zunächst wissen, dass wir in Deutschland zwei Modelle von Universitätskliniken unterscheiden: das Kooperations- und das Integrationsmodell. Bei dem Integrationsmodell sind Fakultäts- und Klinikumsleitung gemeinsam verortet – koordiniert von einem gemeinsamen Führungsgremium, wie in Hannover und Göttingen. Das Kooperationsmodell hingegen zielt darauf ab, dass Fakultät und Universitätsklinikum als eigene Einheiten agieren, mit eigenen Führungen – die beratend  – "kooperativ"– miteinander verknüpft sind.

A
lso ein Kooperationsmodell für Oldenburg?  

Hahn: Es wird eine Sonderform des Kooperationsmodells werden – das so bisher nirgends realisiert ist. Dabei haben wir einerseits eine Universität mit einer Medizinischen Fakultät und andererseits die Kliniken mit ihren verschiedenen Trägern. Das Modell wurde vor rund 35 Jahren in Bochum erfunden. Zwangsläufig wurden damals Fehler gemacht, die bis heute fortwirken. Wir in Oldenburg können aus diesen Erfahrungen lernen und das Modell optimieren.

In welcher Form soll es optimiert werden?

Hahn: Dass zum Beispiel Universität und Landesregierung mit jeder Klinik und ihrem Träger einen bilateralen Vertrag schließen, in dem Zuständigkeiten sowie Forschung und Lehre geregelt sind. Zusätzlich gibt es eine übergeordnete Rahmenvereinbarung, der die Beteiligten zu einer universitären Medizin zusammenschmiedet. Glauben Sie mir: Die Entstehung solch einer Dachstruktur ist ein faszinierender Prozess. Alle Akteure geben sich unglaublich viel Mühe. Ich bin überzeugt: Es wird kein Modell geben, das so effizient ist wie die Oldenburger Adaption des Kooperationsmodells.

Welche Hürden bringt der europäisch-grenzüberschreitende Ansatz mit sich?

Hahn: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Bologna-Prozess. Dabei ist mir aufgefallen: Die internationale Komponente und die sprachlichen Probleme werden gern beiseite geschoben. 27 Länder mit 27 verschiedenen Sprachen in einen gemeinsamen Begegnungsraum der Medizin zu bringen – das ist nicht trivial. Zumal auch die Patientinnen und Patienten verschiedene Sprachen sprechen. Unser deutsch-niederländisches – sprich europäisches Projekt – hat daher etwas Pionierhaftes.

Die Studierenden werden nicht nur nach der Abiturnote ausgewählt, sondern auch andere Kriterien sollen eine Rolle spielen…

Hahn: Richtig. Die Abiturnote ist zwar ein guter Indikator für Studier- und Prüfungsfähigkeit. Aber bislang gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg, was die Abiturnote für die Berufsfähigkeit wirklich bedeutet. Und auf die kommt es ja an: Der Arztberuf verlangt ein gutes Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis – aber ebenso muss man mit Menschen kommunizieren können. Das fließt in unser Auswahlverfahren ein. Übrigens: Wie aussagekräftig die Abiturnote tatsächlich ist, wird unsere 30-jährige Langzeitstudie zeigen.

Wie wählt die Universität dann konkret die Studierenden aus?

Hahn: Von 40 Studienplätzen vergibt die Universität 24 nach eigenen Kriterien, 16 Studierende werden von der Stiftung für Hochschulzulassung ausgewählt. Wenn wir jetzt bei den 24 Studienplätzen bleiben, die wir vergeben, wird die Auswahl folgendermaßen laufen: Zu 51 Prozent zählt – so sieht es die Rechtssprechung vor – die Abiturnote. Die restlichen 49 Prozent machen die Beurteilung der Kommunikationsfähigkeit und anderer persönlicher Merkmale aus.

Wie ist es bei den 16 Studierenden, die über die Stiftung ausgewählt werden?

Hahn: Die Abiturnote ist erstes Auswahlkriterium, wir haben aber zwei Wege eingebaut, um sie etwas zu „neutralisieren“. Wenn jemand zum Beispiel bereits einen medizinnahen Beruf erlernt hat, bekommt er einen Bonus von 0,5 auf die Abiturnote. Außerdem machen wir den Test für medizinische Studiengänge, den so genannten TMS-Test, der – sofern er entsprechend ausfällt – die Abiturnote toppt.

Wie ist das Studium grundsätzlich strukturiert?  

Hahn: Pro Jahr gibt es vier Module á zehn Wochen. Unsere Studierenden haben damit 40 Semesterwochen – also erheblich mehr als in einem traditionellen Studiengang. Vorgesehen ist eine 7-Tage-Woche, mit Lehrveranstaltungen an fünf Tagen. Der erste Tag einer Lehrwoche ist der Mittwoch. Das Wochenende liegt also „mittendrin“. So haben die Studierenden zwischendurch Zeit, das Gehörte nachzuarbeiten.

Womit beginnen die Studierenden ihre medizinische Ausbildung?

Hahn: Das erste Modul beschäftigt sich mit dem Bewegungsapparat, Orthopädie und Anatomie. Jede Woche eines Moduls behandelt dabei ein bestimmtes medizinisches Problem. Der erste Tag beginnt mit einer Vorlesung, an der auch ein Patient teilnimmt und von seiner Krankheit berichtet. Dieser direkte Kontakt ist uns wichtig: Die Studierenden lernen so von Anfang an, dass sie es mit leidenden Menschen zu tun haben.

Was gehört noch zu einer Modulwoche?

Hahn: Die Studierenden haben weitere Vorlesungen und Seminare zum Thema. In Gruppen werden außerdem bestimmte Facetten des Wochenthemas selbstständig erarbeitet. Auch gibt es Kurse für Physiologie, Biochemie, Histologie, klinische Chemie – all die Dinge, die in der Approbationsordnung stehen. Und die Studierenden führen wiederholt kleine Forschungsprojekte in Gruppen durch. Am Ende des sechsjährigen Studiums mündet dies in 20 Wochen wissenschaftlicher Arbeit. So durchzieht ein „longitudinales Forschungscurriculum“ das gesamte Studium - und zwar intensiver als anderswo, da wir durch die längeren Semester schlicht mehr Zeit haben.

Belastet die hohe Semesterwochenzahl die Studierenden nicht zu stark?

Hahn: Im Gegenteil. In den Niederlanden und anderen europäischen Ländern ist es normal, ein deutlich längeres akademisches Jahr zu haben. Die Studierenden haben mehr Lernzeit und Gelegenheit zur persönlichen Entwicklung. Laut EU-Richtlinie muss ein Medizinstudent 5.500 Stunden Präsenzlernzeit absolvieren. Wenn Sie dafür in sechs Jahren – wie in traditionellen Studiengängen – pro Jahr nur 24 Wochen zur Verfügung haben, dann müssen Sie die Studierenden regelrecht zupflastern.

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