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Prof. Dr. Stefan Debener
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  • Auf dem Weg zur mobilen Mini-Elektroenzephalographie: Stefan Debener legt Probandin EEG-Haube mit eingearbeiteten Sensoren an.

  • Mobile EEG-Technik: rechts der miniaturisierte Prototyp, der die Hirnsignale aufzeichnet.

Zuhören, was im Gehirn passiert

Wenn es aus mehreren Quellen laut ist, hilft dem Schwerhörigen oft sein Hörgerät nicht mehr weiter. Mithilfe der Elektroenzephalographie (EEG) arbeiten Wissenschaftler des Exzellenzclusters Hearing4all daran, ein Hörgerät neuen Typs zu entwickeln – gesteuert durch die Gedankenkraft seines Trägers.

Wenn es aus mehreren Quellen laut ist, hilft dem Schwerhörigen oft sein Hörgerät nicht mehr weiter. Mithilfe der Elektroenzephalographie (EEG) arbeiten Wissenschaftler des Exzellenzclusters Hearing4all daran, ein Hörgerät neuen Typs zu entwickeln – gesteuert durch die Gedankenkraft seines Trägers.

Ein normaler Spaziergang ist das nicht. Die junge Frau auf dem Campus konzentriert sich bei jedem Schritt. Unter ihrer Baseballkappe ragen Drähte hervor. Sie laufen am Hinterkopf zusammen, um dann im Rucksack zu verschwinden. Elektroenzephalographie (EEG) heißt die Technik, mit der die Probandin verbunden ist. Elektroden an der Kopfhaut messen die Hirnströme. So weit, so bekannt. Nur, dass die EEG hier in einer noch nie dagewesenen Art angewendet wird: unterwegs, draußen, im Alltag.

„Wir sind auf dem Weg zu einer mobilen Mini-Elektroenzephalographie“, sagt der Oldenburger Neuropsychologe Prof. Dr. Stefan Debener. Er leitet eine der sieben „Taskgroups“ im Exzellenzcluster Hearing4all, „Brain-Computer-Interface für Hörhilfen“ heißt sie. Wissenschaftler arbeiten hier daran, technische Geräte wie zum Beispiel die Hörhilfe zu steuern – durch Gedankenkraft. „Das ist das Fernziel“, sagt Debener. Mit der mobilen EEG-Variante ist er dem Ziel ein Stück näher gekommen. 

Schwerhörige erleben oft albtraumhafte Situationen. Wenn zum Beispiel in einem Saal Stimmen durcheinanderpurzeln wie Bowlingkugeln. Wenn dazu Gläser klirren, der Saxophonist der Begleitband sein Solo spielt und sich der Kellner lauthals Durchgang verschafft. Dann ertrinkt alles im unendlichen Silbenmeer. Dann ist das Hörgerät nur noch ein Gerät, das nicht weiß, wohin es hören soll. Hörforscher nennen das „Cocktailpartyeffekt“.

Dagegen setzen die Hörforscher des Exzellenzclusters das intelligente Hörgerät. Es soll sich auf unterschiedlichste Hörsituationen einstellen. Es soll erkennen, auf welche Stimme sich sein Träger konzentrieren möchte. Doch dazu ist noch viel Grundlagenforschung nötig. Wie muss zum Beispiel die Schnittstelle von Gehirn und technischem Gerät beschaffen sein – das sogenannte Brain Computer Interface? Genau das erforscht Debener, und dabei greift er auf die EEG-Technik zurück.

Die Elektroenzephalographie stammt aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, doch in den Neurowissenschaften ist sie noch heute unverzichtbar. „Sie erlaubt ein Zuhören, was da gerade im Gehirn passiert. Sie ist vergleichsweise günstig, nicht invasiv, also unschädlich und ohne jeden Einfluss auf das Gehirn“, sagt Debener. Mit seinem Team hat er die Technik so miniaturisiert, dass man sich wie die Frau auf dem Campus frei mit ihr bewegen kann. Den Laptop im Rucksack, die verdeckten Elektroden auf der Kopfhaut. „Und inzwischen haben wir den Laptop durch das Smartphone ersetzt.“
 
Mit Laborarbeit hat das nicht mehr viel zu tun. Obwohl Hirnforschung normalerweise im Labor stattfindet. „Unter sehr definierten, kontrollierten Bedingungen. Wo man alle Einflussfaktoren manipulieren kann. Wenn sich Probanden während der Messung ihrer Gehirnaktivität bewegen, ist das ein sehr großer Einflussfaktor.“ Denn Bewegung hat einen direkten Einfluss auf mentale Prozesse. Bewegung ist aber auch Reden oder eine Emotion, die sich im Gesicht ausdrückt. „Deshalb war für uns klar: Wenn wir mehr über das Gehirn herausbekommen wollen, müssen wir es auch dann untersuchen, wenn es besonders aktiv ist. Also wenn wir alltägliche Handlungen durchführen – statt uns im Labor auf sehr kontrollierte, überschaubare Bedingungen zu beschränken.“

Debener plant noch viele weitere Versuche mit der mobilen EEG-Technik. „Wir wollen mittelfristig erreichen, dass die Elektroden am Kopf nicht mehr sichtbar sind.“ Die gesamte Technologie solle dann hinter dem Ohr verschwinden, wie in einem Hörgerät. Schon jetzt hat Debener einen Prototyp entwickeln lassen, der dem Ideal recht nahe kommt. Er ist fast so klein wie eine Streichholzschachtel. Doch je kleiner die Technik, desto höher die Investitionskosten. Und Biomedizintechnikfirmen sind derzeit nicht aktiv – der Markt für Mini-EEG-Systeme ist noch nicht interessant genug. Technisch sei aber eine nochmals deutlich verkleinerte Variante schon jetzt möglich, meint Debener.

Das Hörgerät, gesteuert durch Hirnaktivität: Debener bezeichnet es als Zukunftsvision. „Wenn man aufgrund der Hirnaktivität dem Hörgerät sagen könnte: Schalte in den jeweils optimalen Zustand eins, zwei oder drei, dann wäre das ein großer Erfolg.“ Der Träger könne dann auf die Fernbedienung für das Hörgerät verzichten. Doch davon sei man noch weit entfernt. „Es ist sehr schwierig, in akustisch komplexen Situationen herauszubekommen, welches Hörsignal für eine Person gerade relevant ist. Und die Frage ist, wie gut wir es überhaupt messen können. Das ist ein riesiges Thema für die nächsten Jahre.“ Dennoch ist Debener optimistisch. „Wir können aus unseren bisherigen Erfolgen schlussfolgern: Es wird möglich sein, mobil und alltagstauglich die Gehirnaktivität zu messen.“

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(Stand: 10.12.2024)  | 
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