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Kieselalgen als abwechslungsreicher Mikrokosmos

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Prof. Dr. Meinhard Simon

Institut für Chemie und Biologie des Meeres

  • Meinhard Simon und seine Forschungsobjekte: Um Meeresmikroben sichtbar zu machen, werden die winzigen Organismen mit Fluoreszenzfarbstoffen angefärbt. Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

  • Auf See führen die Forschenden ihre Arbeit unter anderem in speziell ausgestatteten Laborcontainern durch. Universität Oldenburg / Meinhard Simon

Das Mikrobiom der Meere

Eine Gruppe von Bakterien lebt überall in den Weltmeeren eng vernetzt mit anderen Lebewesen. Meinhard Simon und das Team des vor kurzem beendeten Sonderforschungsbereichs Roseobacter haben untersucht, was die Mikroben so erfolgreich macht.

Eine Gruppe von Bakterien lebt überall in den Weltmeeren eng vernetzt mit anderen Lebewesen. Der Mikrobiologe Meinhard Simon und das Team des vor kurzem beendeten Sonderforschungsbereichs Roseobacter haben 13 Jahre lang untersucht, was die Mikroben so erfolgreich macht.

Das Meer ist voller Leben. Schon in einem Fingerhut voll Wasser aus den Weiten des Ozeans befinden sich bis zu einer Million winziger Lebewesen: Bakterien.

Es ist die Größe des Kleinen, die Prof. Dr. Meinhard Simon fasziniert: „Bakterien sind die häufigsten Organismen mit der größten Diversität.“ Die Wechselbeziehungen, die die Mikroorganismen untereinander, mit anderen Lebewesen und ihrer Umwelt eingehen, machen für den Mikrobiologen „eine ganze Welt“ aus. Eine fein vernetzte Welt, über die Forschende auch dank seines Einsatzes heute viel mehr wissen als noch vor Jahren.

Simon, der von 1997 bis 2023 am Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Uni forschte und lehrte, hat sich über viele Jahre einem speziellen Teil der Welt der Bakterien verschrieben – den Roseobacter. Diese Mikroben spielen eine wichtige Rolle für den globalen Kreislauf von Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff oder Schwefel, für die Nahrungsnetze im Meer und letztlich für unser Klima. Von 2010 bis 2022 war der Mikrobiologe Sprecher eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs, in dem sich mehr als 60 Forschende aus Oldenburg, Braunschweig, Göttingen und Bonn den nur wenige tausendstel Millimeter kleinen Organismen widmeten.

Weitgehend unbekannte Bakteriengruppe

Die ersten Vertreter der Roseobacter hatten Simon und andere Forschende, etwa Prof. Dr. Irene Wagner-Döbler von der TU Braunschweig oder sein Oldenburger Kollege Prof. Dr. Thorsten Brinkhoff, Ende der 1990er und Anfang der 2000er-Jahre eher zufällig in Proben aus ganz unterschiedlichen Regionen der Weltmeere – von der Nordsee bis zum Südpolarmeer – entdeckt.

Bis dahin war die Bakteriengruppe weitgehend unbekannt gewesen. Die Neugier der Fachleute war geweckt: Was macht die Bakterien und ihren Stoffwechsel so besonders, dass sie sich an so unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen können? Und wie fügen sich die Roseobacter in das Netz des Lebens im Meer ein?

Den Forschenden gelang es, erste Untersuchungen durchzuführen und sogar das Erbgut einiger Arten zu entschlüsseln – damals noch ein aufwändiges und teures Unterfangen. Diese Vorarbeiten machten es schließlich möglich, dass das interdisziplinäre Team 2010 die Förderung der DFG für den Sonderforschungsbereich erhielt.

Genetische Vielfalt intensiv untersucht

13 Jahre später, nach etlichen Seereisen und unzähligen Stunden im Labor, hat das Konsortium „entscheidend dazu beigetragen herauszufinden, welche Gruppen von Bakterien aus der Roseobacter-Gruppe in welchen Weltmeeren vorkommen und welche funktionelle Bedeutung sie für den Umsatz von Stoffen in den Meeren haben“, sagt Simon nicht ohne Stolz. Knapp 300 Publikationen sind dazu insgesamt erschienen, 80 Promotionen wurden erfolgreich abgeschlossen. Die Fördersumme belief sich am Ende auf rund 32 Millionen Euro.

Dank des rasanten Fortschritts molekularbiologischer Methoden konnten die Forschenden die genetische Vielfalt der Roseobacter so intensiv wie nie zuvor untersuchen: Sie beschrieben neue Arten und fanden heraus, wie diese an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst sind. Sie förderten zutage, dass manche Roseobacter auf festen Oberflächen leben, etwa auf dem auch in der Nordsee verbreiteten Blasentang oder auf Krebsen, und untersuchten, welche Viren die Bakterien befallen.

Mikrobengemeinschaften voneinander abhängig

Besonders begeistert ist Mikrobiologe Simon aber von den Erkenntnissen über das enge Wechselspiel zwischen Bakterien und ihrem Umfeld: So gedeihen manche Mikroalgen, die mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlenstoffdioxid in Biomasse umwandeln und Sauerstoff freisetzen, nur im engen Miteinander mit Roseobacter-Vertretern, die den Algen lebenswichtige Spurenstoffe wie Vitamin B12 bereitstellen.

Gleichzeitig sind die Roseobacter auf bestimmte organische Verbindungen angewiesen, die von den Mikroalgen ausgeschieden und von anderen Bakterien in verwertbare kleinere Moleküle zerteilt werden. Die Mikrobengemeinschaften im Meer seien letztlich so stark voneinander abhängig wie etwa Menschen von ihrer Darmflora, sagt Simon. Sein Fazit: „Die Weltmeere haben auch ihr Mikrobiom.“

Gemeinsam geht es besser

Das Miteinander der Mikroben in den Weltozeanen zeigt Simon nicht nur, wie effizient diese Gemeinschaften in ihrem ökologischen Gefüge sind. Es spiegelt für ihn auch etwas Menschliches wider: „Eine gute Gemeinschaft von Experten ist immer besser, als wenn wenige versuchen, alles zu machen.“ Dabei hat er auch die Zusammenarbeit im SFB-Konsortium im Sinn, die letztlich, so hofft Simon, auf künftige Vorhaben ausstrahlt.

Dass der SFB über so lange Zeit lief, habe sich zudem positiv auf die Master-Studiengänge Microbiology und Marine Umweltwissenschaften ausgewirkt – nicht zuletzt dank der vorhandenen Forschungsinfrastruktur und dem breitaufgestellten Team: Studierende konnten früh in Forschungsprojekten mitwirken und ihre Abschlussarbeiten als Teil des Vorhabens durchführen. Einige haben zudem mit ihren Doktorarbeiten direkt angeknüpft. „Das war für alle begeisternd“, sagt Simon.

Von der Universität profitiert

Trotz seiner engen Einbindung in Forschung und Lehre übernahm der Mikrobiologe als Vizepräsident für Forschung und Transfer und als Dekan der Fakultät V auch Verantwortung für die Gesamtuniversität. Für ihn selbstverständlich: „Der SFB hat von der Uni enorm profitiert, von den Werkstätten, der Verwaltung, dem Präsidium, der Fakultät. Da muss man auch etwas zurückgeben.“ Eine wertvolle Erfahrung sei das Amt für ihn gewesen.

Doch Simons Herzblut gilt vor allem der Forschung – auch im Ruhestand: Noch gibt es Daten, etwa von den vielen Forschungsreisen, die er auswerten möchte. Und wenn der Mikrobiologe die Gelegenheit erhält, würde er gerne noch einmal zur See fahren. Denn bei aller Begeisterung für das Kleine und Abstrakte fasziniert es ihn auch, die Meeresumwelt „sinnlich zu erfahren“ – zum Beispiel die Strömungen, das raue Wetter und das reiche Tierleben im Südpolarmeer.

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(Stand: 30.09.2024)  | 
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