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  • Prof. Dr. Henrik Mouritsen untersucht, wie Vögel das Magnetfeld wahrnehmen. Foto: Universität Oldenburg

Dem Magnetsinn auf der Spur

Der Oldenburger Biologe Henrik Mouritsen und sein britischer Kollege Peter Hore erhalten eine begehrte Forschungsförderung der EU - den ERC Synergy Grant. Die beiden wollen ein Problem knacken, das Biologen seit mehr als 150 Jahren beschäftigt.

Der Oldenburger Biologe Henrik Mouritsen und sein britischer Kollege Peter Hore erhalten eine heiß begehrte Forschungsförderung der EU - den ERC Synergy Grant. Die beiden sind fest entschlossen, ein Problem zu knacken, das Biologen seit mehr als 150 Jahren beschäftigt.

Wie der Magnetsinn der Vögel funktioniert, ist eine der spannendsten ungeklärten Fragen der Biologie. Wissenschaftler vermuten, dass sich der magnetische „Kompass“ der Tiere im Auge befindet und auf quantenchemischen Effekten beruht. Der Oldenburger Biologe Prof. Dr. Henrik Mouritsen und der Chemiker Prof. Dr. Peter Hore von der Universität Oxford erhalten nun eine gemeinsame Förderung des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) in Höhe von insgesamt rund 8,6 Millionen Euro für ihr Projekt „QuantumBirds“. Die Experten wollen im Detail aufklären, wie Vögel das Erdmagnetfeld wahrnehmen. Der ERC Synergy Grant fördert Teams aus zwei bis vier herausragenden Wissenschaftlern und will bahnbrechende Entdeckungen an den Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen ermöglichen. Von 295 Anträgen wählte der ERC jetzt 27 Projekte zur Förderung aus.   

„Die wissenschaftlichen Expertisen der beiden Forscher Henrik Mouritsen und Peter Hore ergänzen sich auf ebenso einzigartige Weise wie die experimentellen Möglichkeiten der beiden Universitäten. Diese hochkarätige europäische Förderung ist  Auszeichnung und Anerkennung zugleich“, erklärte Prof. Dr. Dr. Hans Michael Piper, Präsident der Universität Oldenburg.

Sensoren für extrem schwache Reize

„Wenn der Magnetwahrnehmung der Vögel tatsächlich quantenmechanische Prozesse zugrunde liegen, werden wir zeigen, dass biologische Sinnessysteme Reize wahrnehmen können, die eine Million Mal schwächer sind als man es derzeit für möglich hält. Das wäre von grundlegender Bedeutung“, sagt Mouritsen. „Unser Ziel ist es, quantenmechanische Vorgänge in der Biologie zu verstehen und dadurch zum Beispiel die Grundlage für die Entwicklung neuer, extrem empfindlicher Magnetfeldsensoren zu legen.“

Während Menschen die Welt mit fünf Sinnen – Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten – wahrnehmen, können viele Tiere auch das Erdmagnetfeld spüren. Wissenschaftler wissen bereits, dass der Magnetkompass von Zugvögeln lichtabhängig ist: Die Tiere können das Magnetfeld gewissermaßen sehen. Bisherige Untersuchungen von Mouritsen und Hore legen nahe, dass der Einfall von Licht bestimmte Eiweiße (so genannte Cryptochrome) in der Netzhaut so verändert, dass sie auf das extrem schwache Erdmagnetfeld reagieren. „Auf den ersten Blick scheint es schwer vorstellbar, dass eine chemische Reaktion die Basis eines geomagnetischen Kompasses bilden könnte”, sagt Mouritsen. Die chaotische Eigenbewegung einzelner Eiweiß-Moleküle sei um viele Größenordnungen stärker als die Einwirkung des Erdmagnetfeldes – weshalb magnetische Effekte aus Sicht der klassischen Thermodynamik in diesem „Rauschen“ verschwinden sollten.

Licht macht das Erdmagnetfeld sichtbar

Diese Perspektive lässt allerdings quantenchemische Prozesse außer Acht. Denn durch Licht entsteht in Cryptochromen ein instabiles System, ein so genanntes Radikalpaar, das nur etwa eine Millionstel Sekunde existiert. Das Ergebnis dieser Reaktion, so lautet eine bereits 1978 von dem deutschen Biophysiker Klaus Schulten entwickelte Theorie, hängt von der Richtung des  Erdmagnetfeldes ab. Mit dem Projekt „QuantumBirds“ wollen Mouritsen und Hore nun herausfinden, ob derartige hochsensitive Quantenprozesse tatsächlich die entscheidenden Bestandteile des Magnetkompasses von Zugvögeln bilden. Ein Großteil ihrer Arbeit wird auf Cryptochromen beruhen, die in Zellkulturen hergestellt wurden.

Die Ergebnisse des Projekts könnten auch zum Vogelschutz beitragen, betont Mouritsen. Er und Hore wiesen 2014 nach, dass selbst schwache elektromagnetische Strahlung den Magnetsinn von Zugvögeln durcheinanderbringen kann. Allerdings blieb unklar, warum. „Wenn wir die quantenmechanischen Ursachen der störenden Wirkung menschengemachter elektromagnetischer Strahlung verstehen, können wir Zugvögel besser vor deren nachteiliger Wirkung schützen“, ist er überzeugt.

Mouritsen und Hore haben bereits mehrfach zusammengearbeitet und sind fest entschlossen, das Problem zu knacken, das Biologen seit mehr als 150 Jahren beschäftigt. Die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts könnten darüber hinaus auch in Quantencomputern und neuartigen biologischen Sensoren Anwendung finden.

Zur Person

Henrik Mouritsen studierte Biologie und Chemie an der Universität Odense, wo er auch promovierte. Seit 2002 lehrt und forscht er an der Universität Oldenburg: zunächst leitete er eine Nachwuchsforschergruppe, von 2006 bis 2014 hatte er eine Lichtenberg-Professur inne. Für seine Forschungsarbeiten wurde Mouritsen mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten „Eric Kandel Young Neuroscientists Prize“.

Peter Hore studierte Chemie an der University of Oxford, war Postdoc in Groningen und kehrte 1982 als Nachwuchswissenschaftler nach Oxford zurück. Ein Jahr später erlangte er seine heutige Position als Professor der Chemie. 2016 erhielt er den Interdisciplinary Prize der Royal Society of Chemistry.

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