Vita

Prof. Dr. Annett Thiele ist seit dem 1. Januar 2020 Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung an der Universität Oldenburg. In diesem Amt strebt die Sonderpädagogin unter anderem an, die Internationalisierung der Graduiertenakademie voranzutreiben und bis 2022 eine Diversitätsstrategie für die Universität zu entwickeln. In ihrer Forschung befasst sie sich mit der Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit schwersten körperlichen Beeinträchtigungen und der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Außerdem forscht sie im Bereich der Hilfsmittelversorgung von Erwachsenen mit neurologischen Erkrankungen.

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    Annett Thiele ist seit Januar 2020 Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung. Foto: Universität Oldenburg/Daniel Schmidt

"Es gibt noch sehr viel zu tun"

Seit 1911 wird der Frauentag begangen. Eine Würdigung des Tages ist auch in Pandemiezeiten nicht verzichtbar, betont Annett Thiele, Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung, in einem offenen Brief.

Seit 1911 wird der Frauentag begangen. Üblicherweise lädt die Carl von Ossietzky Universität aus diesem Anlass zu einer Veranstaltung ein. Pandemiebedingt ist das in diesem Jahr jedoch nicht möglich. Verzichtbar ist die Würdigung des Tages aber nicht, betont Annett Thiele, Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung, in einem offenen Brief.

Da wir den Internationalen Frauentag 2021 nicht auf der großen Bühne feiern können, möchte ich auf diesem Weg auf die Bedeutung des Frauentages aufmerksam machen. Als Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung bin ich qua Amt für dieses Thema zuständig. Doch mein Eintreten für Gleichstellung, Diversität und Chancengleichheit ist weit mehr als eine mit meinem Amt verbundene Pflicht – es ist eine Herzensangelegenheit.

Der Frauentag wurde 1911 von der Frauen- und Arbeiterinnenbewegung ins Leben gerufen, um für Gleichberechtigung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Frauen sowie für ein Frauenwahlrecht und gegen Diskriminierung zu kämpfen. Er hat eine inzwischen mehr als hundertjährige Geschichte. Genau genommen ist dies wohl eher kein Grund zur Freude: Es wäre besser, wenn der Frauentag aufgrund seiner Zielerreichung inzwischen obsolet wäre.

Ohne Zweifel ist beim Thema Gleichberechtigung schon viel erreicht. Aber es gibt eben auch noch sehr viel zu tun, in allen Bereichen der Gesellschaft und ganz besonders in der Arbeitswelt. Denn obwohl Frauen inzwischen beim Start in den Beruf hervorragende Voraussetzungen mitbringen, werden sie doch im weiteren Verlauf des Arbeitslebens häufig abgehängt. Und zwar in sehr wichtigen Belangen, beispielsweise bei der Bezahlung, der Besetzung von Führungspositionen oder der Präsenz in Betriebs- und Aufsichtsräten. Konsequente und engagierte Arbeit ist daher vonnöten, um der Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt und der gesamten Gesellschaft näher zu kommen. Dafür braucht es gemeinsame Anstrengungen von Frauen, Männern und Persönlichkeiten des dritten Geschlechtes.

Ich wage zu behaupten, dass die Voraussetzungen dafür an unserer Universität durchaus gut zu bewerten sind: Gleichstellung ist ein zentrales und profilgebendes Thema der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Mit der Gleichstellungsstelle, der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und den dezentralen Fakultätsgleichstellungsbeauftragten, der Verankerung des Anliegens im Präsidium durch die Funktion einer Vizepräsidentin für Gleichstellung, dem Audit familienfreundliche Hochschule, der Kommission für Gleichstellung, den Frauenvollversammlungen, dem Gleichstellungsplan und der Gleichstellungsrichtlinie sind gute Rahmenbedingungen vorhanden.

Wir wollen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis an unserer Universität erreichen. Die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen ist daher ein zentrales Anliegen. Mit einer gendersensiblen Personalentwicklung wollen wir aber auch in Technik und Verwaltung die Verbesserung der Beschäftigungssituation von Frauen erreichen. Wir verstehen uns als familiengerechte Hochschule. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Studien- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die mit den vielfältigen Lebensentwürfen sowie familiären Pflichten der Hochschulangehörigen vereinbar sind.

Allerdings gilt bundesweit nach wie vor, dass Wissenschaftlerinnen insbesondere auf hochdotierten Positionen in der Wissenschaft, aber auch im außeruniversitären Bereich, stark unterrepräsentiert sind. An ihrer fachlichen Qualifizierung oder persönlichen Eignung liegt das nicht. Meist sind strukturelle Hindernisse, teilweise verstärkt durch informelle Gepflogenheiten, der Grund.

Zwar gibt es kleine Fortschritte: Zwischen 2008 und 2018 ist beispielsweise der Frauenanteil bei den Promovierten um 3 Prozentpunkte auf gut 45 Prozent gestiegen. Bei den Habilitierten gab es sogar einen Zuwachs um 8 Prozentpunkte, doch ist der Anteil mit 31,6 Prozent noch immer nicht ausgewogen. Frauen stellten 2018 nach wie vor weniger als ein Viertel der Professor*innen und je höher die Professuren dotiert sind, desto geringer ist der Frauenanteil. Insofern gilt: Es gibt Wachstumsraten, die teils beachtlich sind. Das liegt nicht selten aber auch am niedrigen Ausgangsniveau. Geht es in diesem Tempo weiter, ist die Parität bei den Professuren in Deutschland erst im Jahr 2053 erreicht. So lange sollten wir nicht warten!

Unsere Universität nimmt in den Bereichen Gleichstellung, Gender Mainstreaming und Diversität im bundesweiten Vergleich seit Jahren eine Spitzenstellung ein. Schon über 30 Jahre gibt es an der Carl von Ossietzky Universität eine institutionalisierte Frauenförderung. Bereits 2011 wurde die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen in das Zentrum der Gleichstellungsstrategie gestellt. Dementsprechend waren zum Dezember 2019 knapp 30 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt. Mit den Neuberufungen des Jahres 2020, die zu 60 Prozent Frauen betrafen, hat sich der Anteil weiter erhöht. Dennoch gilt auch für uns: Die Parität ist noch nicht erreicht.

Dass der Weg zur Gleichberechtigung und Parität bundesweit nicht nur langsam und beschwerlich, sondern auch höchst fragil ist, führt uns die Corona-Pandemie vor Augen. Studien haben ergeben, dass schon nach der ersten Corona-Welle der Anteil von wissenschaftlichen Artikeln mit Frauen als Erstautorinnen um 27 Prozent gefallen ist – zeitgleich mit der Schließung von Kitas und Schulen. Im Herbst gaben in einer Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) 57 Prozent der Professorinnen an, seit dem Lockdown weniger Publikationen zur Veröffentlichung eingereicht zu haben als geplant. Von den Professoren sagten das lediglich 37 Prozent. Bei der wissenschaftlichen Karriere kommt es wesentlich darauf an, möglichst viele qualitätvolle Publikationen vorweisen zu können. Der Rückgang der Veröffentlichungen von Professorinnen, insbesondere derer mit Kindern, ist daher keine Randnotiz, sondern ein Alarmsignal und leider auch eine Standortbestimmung.

Lassen Sie uns gemeinsam alles dafür tun, dass die ermutigenden Fortschritte der letzten Jahre im Bereich der Förderung von Frauen in der Wissenschaft nicht dem Virus zum Opfer fallen. Eine Impfung dagegen gibt es nicht, wohl aber die Pflicht, die entsprechenden Symptome und Tendenzen zu erkennen, zu benennen und wirksam gegenzusteuern!

 

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