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Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler
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Sebastian Ziemer

  • Das Team der studentischen Rechtsberatung an der Universität Oldenburg. Foto: Wöltje

Gut beraten

Was tun, wenn der Vermieter die Kaution nicht zurückzahlt? Und fällt ein Tweet über eine Uni-Veranstaltung eigentlich unter die Meinungsfreiheit? Mit diesen und anderen Fragen kommen Ratsuchende in die studentische Rechtsberatung an der Universität. Seit 2015 bieten Studierende diesen kostenlosen Service an.

Was tun, wenn der Vermieter die Kaution nicht zurückzahlt? Und fällt ein Tweet über eine Uni-Veranstaltung eigentlich unter die Meinungsfreiheit? Mit diesen und anderen Fragen kommen Ratsuchende in die studentische Rechtsberatung an der Universität. Seit 2015 bieten Studierende diesen kostenlosen Service an.

Donnerstagnachmittag im Gebäude A05, erster Stock. Es ist Zeit für die wöchentliche Sprechstunde der studentischen Rechtsberatung. Im Zimmer warten Sebastian Ziemer (26) und Carina Nagorny (27). Beide studieren Wirtschafts- und Rechtswissenschaften – und helfen nebenbei Menschen mit rechtlichen Problemen. So wie heute. Eine junge Frau, einen Stapel Papiere unter dem Arm, betritt zögerlich den Raum. Sie spreche nicht gut deutsch. „No problem“ sagt Ziemer. Und schon sind sie mitten drin in einem neuen Fall. Die junge Frau, eine Doktorandin an der Universität, schildert ihre Probleme mit ihrer Unterschrift unter einem Vertrag, dessen Inhalt sie – mangels Sprachkenntnissen – nicht genau verstanden hat. Ziemer und Nagorny gucken sich die Unterlagen an, fragen nach, machen Notizen.

So läuft es häufig in der Sprechstunde der studentischen Rechtsberatung (Student Legal Consulting). „Manchmal rennen uns die Leute die Bude ein“, berichtet Ziemer. Die Probleme, mit denen die Menschen zur Beratung kommen, sind vielfältig. Mal geht es um Mietrecht oder die Frage, ob ein Arbeitsvertrag in Ordnung ist. Manche Dinge sind heikler, so wie der Fall der Doktorandin, in dem es auch um eine Frist geht. „Jeder Fall hat seine eigenen Details. Man kann keine Standardantworten geben“, sagt Ziemer. Deswegen sei das persönliche Gespräch so wichtig.

Seit knapp zwei Jahren beraten Studierende der Universität mit Jura-Kenntnissen jene, die sich keine klassische Rechtsberatung leisten können. Das können Rentner, Arbeitslose, Flüchtlinge oder Studierende sein. Aber das Angebot sei natürlich offen für jedermann, sagt Nagorny. Für Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler ist gerade dieser soziale Aspekt der Arbeit wichtig. „Studenten sind schon privilegiert und es ist nicht schlecht, wenn sie auch etwas für die weniger Privilegierten machen“, sagt er.

Die Idee, eine studentische Rechtsberatung in Oldenburg anzubieten, geht auch auf Boehme-Neßler zurück. Zusammen mit engagierten Studierenden, die inzwischen die Universität gewechselt oder ihr Studium abgeschlossen haben, brachte der Hochschullehrer für öffentliches Recht den Stein ins Rollen. Die Studierenden setzten eine Webseite auf und führten die wöchentliche Sprechstunde ein. Inzwischen ist bereits eine neue Generation von Studierenden engagiert dabei.

Ursprünglich stammt das Konzept der studentischen Rechtsberatung aus den USA. Hier gehören die sogenannten Law Clinics schon lange zur Juristenausbildung. Die Studierenden erhalten wertvolle praktische Einblicke ins Berufsleben und Ratsuchende, gerade auch finanziell schwach gestellte, kostenlose juristische Unterstützung. In Deutschland war es Studierenden bis vor knapp einem Jahrzehnt noch nicht erlaubt, Rechtsberatung anzubieten. Erst als 2008 ein entsprechendes Gesetz in Kraft trat, entstanden die ersten von Jura-Studierenden geführten Beratungsstellen an deutschen Universitäten.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Was die Studierenden sonst nur theoretisch aufarbeiten, wenden sie nun praktisch an. „Ich lerne wahnsinnig viel. Das kann sich kein Lehrbuchschreiber ausdenken“, sagt Ziemer. Auch ihre Motivation für das Studium sei durch ihre Arbeit in der Rechtsberatung enorm gestiegen, sagen Nagorny und Ziemer. Gerade dies das sei auch Sinn des Projekts, sagt Boehme-Neßler. Denn die Erfahrung habe gezeigt:  „In dem Moment, wo die Studenten nicht mehr nur für die Schublade oder für den Dozenten schreiben, sondern direkt in der Welt etwas bewegen, werden sie begeistert“.

Den jungen Beratern lässt Boehme-Neßler bei der Arbeit freie Hand. Dennoch ist er im Hintergrund stets ansprechbar, über WhatsApp oder Telefon. Einerseits ist dies gesetzlich vorgeschrieben. Studierende dürfen nur in rechtlichen Dingen beraten, wenn dies unter der Leitung einer Person läuft, die zum Richteramt befähigt ist. Andererseits gibt es Fälle, „die richtig heikel sind“, erklärt Boehme-Neßler. Wie in dem Fall der Doktorandin, wo es gilt, die rechtlich relevante Frist nicht zu versäumen. „In solchen Fällen mische ich mich ein“, sagt er.

Außerdem profitieren die Studierenden von der Expertise der anderen Lehrenden des Departments für Rechtswissenschaften, die sie um fachlichen Rat fragen können. In etwa der Hälfte aller Fälle können die Studierenden so die Probleme der Betroffenen schon vor Ort klären – der Weg zum Anwalt erübrigt sich.

Doch nicht alles können und dürfen die Studierenden schultern. Wenn es um strafrechtliche Dinge wie Körperverletzung, Familienrecht oder hohe Summen geht, „lassen wir die Finger davon. Da kann ein Fachmann besser helfen“, sagt Ziemer. „Wir ersetzen ja nicht den Rechtsanwalt. Wir sprechen erst einmal mit den Leuten, die ihr Recht sonst gar nicht wahrnehmen würden, und zeigen ihnen Lösungsmöglichkeiten“, ergänzt Boehme-Neßler.

Was die Studierenden anbieten ist, in ihren eigenen Augen, Hilfe zur Selbsthilfe. „Wir bringen die Ratsuchenden auf einen guten Weg“, sagt Ziemer. Ganz wichtig sei auch, den Betroffenen erstmal die Angst vor der Situation zu nehmen, ergänzt Nagorny. Es ist daher auch ein Stück Seelsorge, was Ziemer, Nagorny und ihre Kommilitonen in der Sprechstunde leisten: „Wir nehmen den Leuten die Last von den Schultern. Sie wissen, sie werden ernst genommen“, sagt Ziemer. Viele gingen daher entsprechend dankbar aus der Sprechstunde wieder heraus.

Nicht immer ist diese Arbeit leicht. „Manchmal gehen einem die Probleme richtig nah“, sagt Nagorny. Da die Studierenden immer im Team arbeiten, tauschen sie sich nach der Sprechstunde auch darüber aus. Als hilfreich empfinden Nagorny und Ziemer da, dass sie vor dem Studium bereits eine Ausbildung absolviert haben. Denn um die Probleme einordnen zu können, muss man im Leben „auch mal etwas anderes gesehen haben als Uni und Schule“, sagt Nagorny.

Tatsächlich ist Boehme-Neßler zufrieden mit den studentischen Beratern. Bisher hätten sich unter den Studierenden immer Leute gefunden, die der Beratungssituation gewachsen seien und sich nicht überschätzten. Seiner Meinung nach ist die praktische Beratungsarbeit der Studierenden eine „tolle Ergänzung“ zum Studium.

 

Die Sprechstunde der studentischen Rechtsberatung findet immer donnerstags, im Gebäude A5 1-174, von 16.00 bis 18.00 Uhr und in den ungeraden Kalenderwochen dienstags in den AStA-Räumen von 14.00 bis 16.00 Uhr statt.

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