Am Ende des Erdzeitalters Ordovizium, vor rund 450 Millionen Jahren, kühlte sich die Erde drastisch ab. Rund 85 Prozent aller Tierarten starben aus. Verantwortlich für die Eiszeit und damit für das zweitschlimmste Massenaussterben der Erdgeschichte könnten womöglich zwei Perioden mit intensivem Vulkanismus gewesen sein, berichtet ein Team um den Oldenburger Geochemiker Dr. Jack Longman nun in der Zeitschrift Nature Geoscience. Die Forschenden der britischen Universitäten Southampton, Leeds und Plymouth untersuchten die Auswirkungen gewaltiger Vulkanausbrüche auf die Ozeanchemie.
Das Ende des Ordoviziums war von klimatischen Kapriolen geprägt: Nach einer ausgeprägten Warmzeit kühlte sich der Planet stark ab, einige Kontinente vereisten, und die Schelfmeere fielen trocken. Das Leben war damals noch fast ausschließlich auf die Ozeane beschränkt, und zahlreiche Gattungen und Familien von damals häufigen Lebewesen – etwa Moostierchen, den muschelähnlichen Armfüßern oder den an Kellerasseln erinnernden Trilobiten – starben aus.
Globale Abkühlung durch Düngung der Ozeane
„Einer Theorie zufolge hat eine Zunahme von Phosphor in den Ozeanen die globale Abkühlung ausgelöst“, sagt Hauptautor Longman, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Marine Isotopengeochemie am Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg und zuvor Postdoktorand an der Universität Southampton. „Phosphor ist eines der Schlüsselelemente des Lebens“, so der Forscher weiter, es fördere das Wachstum kleiner Meereslebewesen wie Algen. Wenn diese Organismen absterben, setzen sie sich am Meeresboden ab. So wird Kohlenstoff, den die Algen während ihres Lebens aufnehmen, nach und nach im Sediment begraben. Algenblüten können daher dazu beitragen, den Gehalt des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre zu reduzieren, was wiederum die Temperaturen auf der Erde sinken lässt.
„Es ist jedoch ein ungelöstes Rätsel, warum Eiszeit und Massenaussterben im Ordovizium in zwei Phasen verliefen, die ungefähr zehn Millionen Jahre auseinander lagen“, sagt Dr. Tom Gernon von der Universität Southampton, einer der Co-Autoren. Das sei nur schwer mit der Phosphortheorie in Einklang zu bringen, denn dann müsste die Zufuhr von Phosphor in mehreren Schüben verlaufen sein.
Das Team fand jedoch heraus, dass zwei außergewöhnlich heftige Phasen vulkanischer Aktivität ziemlich genau zur gleichen Zeit stattfanden wie die jeweiligen Höhepunkte der Vereisung und des Massenaussterbens. Schauplatz der Vulkanausbrüche waren Gebiete, die heute in Nordamerika, Skandinavien und im Süden Chinas liegen. „Normalerweise setzen heftige Vulkanausbrüche große Mengen Kohlendioxid frei und führen zu einer Erwärmung der Erde“, erläutert Gernon. „Daher muss ein anderer Mechanismus für die Abkühlungen verantwortlich gewesen sein.“
Vulkangestein setzt Phosphor frei
Das Team vermutete, dass ein Folgeprozess – etwa die natürliche Verwitterung des Vulkangesteins – die große Phosphormenge erzeugte, die nötig ist, um die Vereisungen zu erklären. „Wenn Vulkangestein im Meer abgelagert wird, ist es raschen chemischen Veränderungen ausgesetzt, bei denen auch Phosphor freigesetzt wird“, erläutert Prof. Dr. Martin Palmer aus Southampton, ebenfalls Co-Autor. Um die Hypothese zu überprüfen, untersuchte das Team wesentlich jüngere Ascheschichten in Meeressedimenten: Die Forschenden verglichen den Phosphorgehalt von Gestein, bevor und nachdem es durch den Kontakt mit Meerwasser verändert wurde.
Anhand dieser Informationen entwickelte das Team um Longman ein Modell, in dem sie die wichtigsten chemischen, biologischen und geologischen Prozesse simulierten. Anschließend ermittelten die Forschenden, wie die gewaltigen Ascheschichten, die sich am Ende des Ordoviziums auf der Erde ablagerten, die Chemie der Ozeane, das Algenwachstum und die CO2-Aufnahme beeinflussten. Den Ergebnissen zufolge sonderte das abgelagerte Vulkangestein genug Phosphor ab, um eine Kette von Ereignissen auszulösen – angefangen mit der Düngung der Ozeane, dem verstärkten Algenwachstum, einer globalen Abkühlung und anschließenden Vereisung, einem niedrigen Sauerstoffgehalt in weiten Teilen der Ozeane und schließlich dem Massenaussterben.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgern, dass große Vulkanausbrüche das Klima durch ihre CO2-Emissionen zwar auf kurzen Zeitskalen erwärmen können, dass sie über längere Zeiträume von mehreren Millionen Jahren aber genauso eine globale Abkühlung auslösen können. Für Longman ist damit klar, dass bestehende Theorien zur Ursache anderer Massenaussterben auf den Prüfstand gehören. „Unsere Studie könnte dazu führen, dass diese Ereignisse neu untersucht werden“, sagt der Forscher. Gewaltige Vulkanausbrüche traten zeitgleich mit drei weiteren der fünf größten Aussterbeereignisse der Erdgeschichte auf, unter anderem am Ende der Kreidezeit, als die Dinosaurier von der Erde verschwanden.