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  • Christoph Böhringer: „Deutsche Hochschulen werden sich anpassen müssen, wenn sie ihre zunehmend mobilen Studierenden nicht verlieren wollen.”

MOOCs: Frontalunterricht war gestern

Massive Open Online Courses, kurz: MOOCs, verändern weltweit die Hochschullehre. Über Onlinekurse oder Vorlesungsmitschnitte gehen sie weit hinaus. Wie sinnvoll ist ihr Einsatz an deutschen Universitäten? Ein Beitrag des Oldenburger Volkswirtschaftlers Christoph Böhringer.

Massive Open Online Courses, kurz: MOOCs, verändern weltweit die Hochschullehre. Über Onlinekurse oder Vorlesungsmitschnitte gehen sie weit hinaus. Wie sinnvoll ist ihr Einsatz an deutschen Universitäten? Ein Beitrag des Oldenburger Volkswirtschaftlers Christoph Böhringer
VON CHRISTOPH BÖHRINGER
Im Jahr 2011 boten die Informatiker Sebastian Thrun und Peter Norvig, beide Professoren in Stanford, einen Kurs zur künstlichen Intelligenz an. So weit, so normal. Einzigartig war allerdings die Art und Weise, wie sie ihren Kurs gestalteten: nicht als Präsenzseminar, nicht als Frontalvorlesung, sondern als das, was inzwischen als Massive Open Online Course (MOOC)  reüssiert – ein online angebotener Kurs, der weltweit interessierten Nutzern offen stand. Thrun und Norvig erzielten eine bis dahin schier unglaubliche Reichweite. Mehr als 160.000 Menschen nahmen an ihrem Kurs teil.

Doch was sind MOOCs eigentlich genau? Keine schlichten abgefilmten Vorlesungen im Hörsaal, auch keine herkömmlichen Podcasts. Üblicherweise sind die Videosequenzen bei MOOCs  nur sieben bis zwölf Minuten lang und zum Beispiel durch Quizzes oder andere kurze Lerneinheiten unterbrochen. Es sind in kleinen Sequenzen gefilmte Videos im Studio, ohne Öffentlichkeit. Weitere wichtige Bestandteile von MOOCs sind ergänzende Kurslektüren, Übungsaufgaben, Aufsätze und schließlich Diskussionsforen. Herkömmliche Online-Kurse von Universitäten oder Vorlesungs-Podcasts sind typischerweise nur für Studierende offen – nicht aber für alle bildungsspezifischen Hintergründe in allen Ländern. MOOCs erschließen neue Zielgruppen Neu an MOOCs ist außerdem – zumindest für einen Teil der Kurse –, dass Studierende und Dozenten intensiver miteinander kommunizieren können als noch bei herkömmlichen Fernkursen über Radio, Video oder das Internet. Möglich macht das eine eigene Software, die im Kontext der neu entwickelten MOOC-Plattformen weiterentwickelt wurde. Sicher tragen auch verbesserte Internetverbindungen für immer mehr Menschen weltweit das ihre dazu bei.

Die besten Hochschulen der Welt – neben Stanford auch Harvard oder Massachusetts Institute of Technology (MIT) – haben seit dem Kurs von Thrun und Norvig MOOCs eingesetzt. In Deutschland ist die Verbreitung noch gering. Allerdings diskutieren hier seit 2013 die Experten kontrovers um die Chancen und Risiken von MOOCs. Vieles ist noch ungeklärt, was ihren konkreten Einsatz betrifft. Zum Beispiel die Frage, wie sich MOOCs in einem regulären Hochschulstudium anrechnen lassen. Nur sehr wenige Hochschulen räumen bislang die Möglichkeit ein, externe MOOCs als Studienleistung anzuerkennen. Dabei könnte ein gezielter Einbezug externer MOOCs große Chancen eröffnen, gerade für kleinere Hochschulen oder Fächer. Zudem könnten MOOCS erweiterte Möglichkeiten für ein Studium Generale schaffen oder in kleineren Fächern das hochschulinterne Lehrangebot erweitern – und so die Qualität der Ausbildung erhöhen. 

Wie auch immer die Frage gelöst werden wird, ob und wie sich mit MOOCs Einnahmen generieren lassen – für Hochschulen könnte sich der Einsatz von hochwertigen, weltweit abgerufenen MOOCs allein wegen des hohen Verbreitungsgrades, des Erschließens neuer Zielgruppen und der damit verbundenen hohen Reputationseffekte auszahlen. Außerdem schaffen MOOCs neue Anreize für Qualitätsverbesserungen in der Lehre – durch das Konzept der Flipped Classrooms kann die Diskussionskultur gestärkt werden. Der Einsatz von MOOCs, beispielsweise zum Erlernen von Standardinhalten, schafft aber auch Freiräume für mehr forschungsnahe Lehre. Nur dürfen MOOCs nicht zum Vorwand genommen werden, um Budgets für die Lehre zu kürzen.

Auch für Studierende können MOOCs sinnvoll sein. Denn sie bieten mehr zeitliche Flexibilität – das Studium ist mit beruflichen Tätigkeiten oder Kinderbetreuung besser vereinbar. Und Studieninteressierte? Sie können durch MOOCs schon vor dem Studium einen Einblick in das Fach bekommen und so besser informiert ihre Bildungsentscheidungen treffen. Etwa ein Drittel der Studienanfänger im Bachelor schließen an deutschen Hochschulen ihr Studium nicht ab. Wir brauchen also innovative Wege, um teure „Fehlstarts“ im Bildungssystem mit möglichen langfristigen psychologischen Folgen zu vermeiden.

Gerade deutsche Hochschulen mit ihrem starken Fokus auf Frontalunterricht werden sich anpassen müssen, wenn sie ihre zunehmend mobilen Studierenden nicht verlieren wollen. Sicher ist nicht für jede Hochschule die Produktion eigener MOOCs sinnvoll. Es sollten sich aber nicht nur wie bisher einige wenige, sondern alle Hochschulen intensiv mit neuen Modellen der Kombination von MOOCs und anderen Lernformen beschäftigen. Prof. Dr. Christoph Böhringer ist Hochschullehrer für Wirtschaftspolitik und Mitglied der von der Bundesregierung eingerichteten Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI). Sein Beitrag fasst das Kapitel „MOOCs als Innovationen im Bildungsbereich“ aus dem Jahresgutachten der Expertenkommission zusammen. 

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