• Die Bestandteile des Experimentiersets sind auf dem Bild ausgebreitet: Reagenzgläser, Spatel, Klammern, ein Spiritusbrenner aus Glas, Chemikalien in röhrenförmigen Behältern, Becher mit Deckel etc.

    Alles zum Experimentieren zu Hause. Pinzetten, und Reagenzglasständer stammen aus dem 3D-Drucker. Foto: Alexander Weiz

  • 42 rote Rucksäcke liegen auf und vor einer Bank vor dem Experimentierhörsaal in Wechloy.

    Labormaterial fürs Chemiepraktikum konnten die Studierende im März an der Universität abholen. Foto: Alexander Weiz

  • Auch ein Sammelbild: Auf einem Tisch liegen Zangen, Messgeräte, Kabel, Werkzeuge.

    Auch für ein Elektronik-Experiment erhielten Studierende jede Menge Zubehör nach Hause. Foto: Universität Oldenburg/Elektronikwerkstatt

  • Platine mit verschiedenen Schaltelementen und einer Glühbirne.

    So sahen die fertigen Schaltungen aus, die Physikstudierende im Elektronik-Praktikum zu Hause anfertigten. Foto: Universität Oldenburg/Elektronik-Werkstatt

Praktikum trotz(t) Pandemie

Studierende lernen an der Universität nicht nur in Vorlesungen und Seminaren, sondern auch im Labor, in der Schule oder im Kammermusiksaal. Sechs Beispiele illustrieren, wie praktische Lehre auch in Corona-Zeiten stattfinden kann.

Studierende lernen an der Universität nicht nur in Vorlesungen und Seminaren, sondern auch im Labor, in der Schule oder im Kammermusiksaal. Das praktische Üben fiel in den vergangenen zwei Semestern oft aus, viele Kurse ließen sich nicht ohne Weiteres in digitale Formate überführen. Einige Lehrformate fanden in anderer Form statt als gewöhnlich. „Es war beeindruckend, mit wie viel Engagement und Kreativität viele Lehrende ihre Veranstaltungen trotz allem umgesetzt haben“, sagt Dr. Simone Schipper, Leiterin des Bereichs Hochschuldidaktik im Referat Studium und Lehre. Sechs Beispiele illustrieren, was auch in Corona-Zeiten möglich ist.

Chemie: Experimentiermaterial aus dem 3D-Drucker

Ordentlich aufgereiht stehen 42 rote Taschen und Rucksäcke vor dem Experimentierhörsaal auf dem Campus Wechloy. Es ist Mitte März und 42 Lehramtsstudierende im ersten Semester belegen in den nächsten zwei Wochen den Blockkurs „Einführung in die Laborpraxis“ – zu Hause. In die Taschen hat Dozent Dr. Alexander Weiz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Anorganische Chemie von Prof. Dr. Rüdiger Beckhaus, alles gepackt, was die Teilnehmenden zum Experimentieren brauchen, etwa zum Filtrieren, Messen von pH-Werten oder für Fällungsexperimente. Als Chemikalien haben Weiz und sein Team nur unbedenkliche Stoffe ausgewählt, die problemlos entsorgt werden können. Der Chemiker hat Reagenzglasständer, Pinzetten und Löffelspatel mit dem 3D-Drucker hergestellt und alle Versuche von Studentischen Hilfskräften testen lassen – nun können die Studierenden ihre Experimentiersets abholen. Den Kurs alternativlos als reine Theorieveranstaltung mit Video-Experimenten anzubieten, kam für Weiz nicht infrage: „Chemie studieren ohne ein Reagenzglas in der Hand zu halten – das geht nicht“, erklärt er.

Informatik: Makerspace zu Hause

Pappe, Klebstoff, Strohhalme und andere Alltagsmaterialien sind die Grundausstattung für das sogenannte „Rapid Prototyping“ – ein Verfahren, um mit einfachen Mitteln Prototypen eines Produkts zu entwickeln. Im Sommersemester 2020 konnten sich die Teilnehmenden des Lehrmoduls „Makers‘ Lab“ der Masterstudien-gänge Informatik und „Engineering Socio-Technical Systems“ je einen Karton voller Utensilien an der Universität abholen.

Ihre Aufgabe: Eine Schatzkiste aus Holz zu entwerfen, die sich über einen digital gesteuerten Mechanismus öffnen lässt. Nachdem die Studierenden ihre Idee ausgearbeitet und verfeinert hatten, erhielten sie ein zweites Paket mit elektronischen Komponenten. Laborarbeiten wie 3D-Druck oder Laser-zuschnitt konnten sie beim Lehrenden-Team bestellen. Die Ergebnisse waren ausgezeichnet, berichtet Prof. Dr. Susanne Boll, Hochschullehrerin für Medieninformatik: „Die Studierenden haben außerordentlich anspruchsvolle, kreative und voll funktionsfähige Rätselboxen entwickelt.“ Vielen der Studierenden gefiel das flexible, freie Arbeiten: Sie empfanden es als besonders produktiv.

Pädagogik: Gewaltfrei kommunizieren im Alltag

Um Gewaltfreie Kommunikation – eine Methode, mit der Lehrkräfte Konflikte im Schulunterricht bewältigen können – geht es in einer Übung für Studierende der Sonderpädagogik. „Das Gesprächsmodell basiert darauf, dass man sein Anliegen vorbringt, ohne den Gesprächspartner zu beschuldigen“, erläutert Dozentin Franziska Heinschke. Als 2020 die Möglichkeit entfiel, das theoretisch Gelernte in der Schule anzuwenden, trug Heinschke ihren Studierenden auf, die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation im Alltag auszuprobieren – erst mit vertrauten Personen, dann mit Fremden, zum Beispiel an der Supermarktkasse. „Rückblickend war das eine sehr gute Alternative“, berichtet sie. Die Studierenden konnten anhand der praktischen Erfahrungen reflektieren, für welche Situationen die Methode geeignet ist. Viele hätten die freiwillige Übungsmöglichkeit ausgiebig genutzt, sagt sie: „Das hat viel Anklang gefunden.“

Musik: Dirigieren lernen ohne Band

„Ein Online-Kurs kann die Erfahrung, vor einer richtigen Band zu stehen, nicht ersetzen“, sagt Heidi Bayer, Jazztrompeterin und Dozentin am Institut für Musik. Dass sich Dirigiertechniken anhand von Lehrvideos und individuellem Feedback dennoch einstudieren lassen – teilweise sogar besser als bisher – das erlebte Bayer in den vergangenen beiden Semestern in ihrer Veranstaltung „Ensembleleitung: Popularmusik II“. Da Proben mit einem Ensemble nicht möglich waren, stellte Bayer Videos als Anschauungsmaterial zur Verfügung: Sie wählte passende Stücke für verschie-dene Techniken aus und filmte sich selbst beim Dirigieren. Die Studierenden fertigten wiederum eigene Videos von ihren Dirigierversuchen an und erhielten eine individuelle Rückmeldung. Die guten Ergebnisse brachten Bayer dazu, das bisherige Konzept zu überdenken: „Offenbar ist es sinnvoller, zunächst die Grundlagen des Dirigierens einzustudieren und erst später mit der Band zu üben.“ Für ihr didaktisches Konzept erhielt Bayer im Dezember den Preis der Lehre in der Kategorie „Digitalisierung in der Hochschullehre“.

Physik: Spaß beim Löten

Ein Oszilloskop, ein Lötkolben und eine Krimpzange: Die Utensilien, die Dr. Thomas Madena und Jens Arne Jenn ihren Studierenden im vergangenen Wintersemester in eine Kiste packten, waren für eine anspruchsolle Aufgabe bestimmt. Im Versuch „Elektronik für den Laboralltag“ sollten die Physikstudierenden eine Schaltung aufbauen und dabei wichtige praktische Fähigkeiten erlernen. Diesmal musste der Versuch zu Hause stattfinden. „Die meisten hatten zwar schon einmal gesehen, wie man lötet, es aber noch nicht selbst gemacht“, sagt Madena, der die Elektronikwerkstatt der Universität leitet. Die Teilnehmenden lernten die nötigen handwerklichen Fähigkeiten in Online-Schulungen und anhand von Videos, die Jens Arne Jenn erstellt hatte. Anschließend standen die beiden Dozenten den Studierenden bei Bedarf über die Videoplattform BigBlueButton zur Seite. Viele bauten auch nach Ende des eigentlichen Versuchs freiwillig weiter an ihren Schaltungen. Schließlich mussten sie das Material aber doch wieder abgeben – damit die nächste Gruppe mit dem Versuch beginnen konnte.

Biologie: Raus in die Botanik

Um unscheinbare Gewächse wie Gräser, Farne oder Schachtelhalme geht es in der Veranstaltung „Botanische Bestimmungsübungen“ von Dr. Cord Peppler-Lisbach. Statt bereitgestellte Exemplare im Seminarraum unter die Lupe zu nehmen, waren die Studierenden im Sommersemester 2020 selbst mit Handykamera auf Grünstreifen und an Wegesrändern unterwegs. Sie spürten die gesuchten Pflanzen auf, fotografierten sie und schrieben schließlich den Bestimmungsweg auf. „Auf diese Weise waren sie deutlich mehr draußen als in gewöhnlichen Semestern und haben sich intensiver mit dem Wuchsort und der natürlichen Umgebung der Pflanzen auseinandergesetzt“, sagt Peppler-Lisbach. Einen weiteren Vorteil des neuen Formats sieht er in den Lehrvideos, die die Studierenden jederzeit anschauen konnten. „Dadurch waren sie besser vorbereitet als bei früheren Veranstaltungen“, berichtet er. Insgesamt habe der Kurs sowohl ihm und seinen Hilfskräften als auch den Studierenden viel Spaß gemacht – auch wenn es für alle sehr arbeitsintensiv war.

Dieser Text ist im April 2021 zuerst in der Hochschulzeitung UNI-INFO erschienen. 

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