• Auf einem Tisch lieben mehrere bunte Flugblätter, Plakate und Broschüren übereinander, hinten stehen drei Bände und zwei Kartons der Flugblattsammlung.

    Politische Pamphlete, Partyankündigungen oder Informationen: Die an der Universität verbreiteten Flugblätter sind ein Spiegel des studentischen Lebens und gesellschaftlicher Entwicklungen. Die Universität verfügt über eine 86-bändige Sammlung aus den Jahren 1974 bis 1998.

Kulturelles Erbe aus der Mensa

Studentische Flugblätter bieten einen besonderen Blick auf die Vergangenheit. Ein Projekt des Universitätsarchivs will diese bislang ungenutzten Quellen nun digital erschließen.

Studentische Flugblätter bieten einen besonderen Blick auf die Vergangenheit. Ein Projekt des Universitätsarchivs will diese bislang ungenutzten Quellen nun digital erschließen.

Wer regelmäßig in die Mensa geht, kennt das Bild: Auf den Tischen stapeln sich bunte Flugblätter, Flyer und selbst gedruckte Handzettel, die Schwarzen Bretter sind über und über mit Plakaten bedeckt. Die Druckerzeugnisse laden zu Partys ein, informieren über Lesungen oder rufen zu Protestaktionen auf. „Flugblätter sind eine Art Seismograph dafür, was an der Universität passiert“, sagt Dr. Gunnar Zimmermann, Leiter des Universitätsarchivs. Heute organisiert sich das soziokulturelle und politische Leben der Studierenden zwar weitgehend im Digitalen, doch bis in die 2000er-Jahre waren die Flugblätter für Organisationen wie Fachschaften, AStA, politische Studentenverbände, Beratungsstellen oder Vereine das wichtigste Mittel, um ihre Botschaften zu verbreiten. Eine Goldgrube für Historiker wie Zimmermann: „Die studentischen Schriften haben einen enorm hohen Quellenwert“, erklärt er, „sie überliefern die Universitätsgeschichte jenseits von Verwaltung und Wissenschaft und zeigen, wie die Studierenden auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert haben.“

Historische Forschung an dieser besonderen Form des kulturellen Erbes ist bislang allerdings kaum möglich – etwa, weil die Flugblätter sehr kurzlebig sind und die studentischen Organisationen, von denen sie stammen, ihre Erzeugnisse in der Regel nicht aufbewahren. In deutschen Universitätsarchiven gibt es zwar teils umfangreiche Sammlungen, allerdings sind die Inhalte nur vereinzelt digitalisiert. Ein besonderer Knackpunkt: Meist sind die Urheberrechte nicht geklärt. Das ist auch bei anonymen Schriften ein Problem: „Lässt sich kein Urheber ermitteln, endet die Schutzdauer 70 Jahre nach der Veröffentlichung“, erläutert Zimmermann. Werke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind also derzeit noch tabu. 

Der Historiker will dieses Thema nun angehen: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Universitätsarchiv Hamburg ist ein Team des Universitätsarchivs Oldenburg an einem Projekt beteiligt, das Flugblätter und andere studentische „Kleinschriften“ für die Forschung zugänglich machen will. Das Vorhaben „Rechtebewehrtes Kleinschrifttum in Archiven“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über zwei Jahre innerhalb der Pilotphase des Förderprogramms „Digitalisierung und Erschließung“ mit insgesamt rund 240.000 Euro gefördert. Die Universität Oldenburg erhält davon rund 50.000 Euro.

Uhrheberrechtlich geschützte Objekte digital bereitstellen 

„Aus der Forschung, von Museen und anderen Kulturerbe-Einrichtungen besteht eine große Nachfrage danach, Objekte aus dem 20. Jahrhundert digital bereitzustellen, für die noch Urheberrechtsschutz gilt“, berichtet Zimmermann. Ziel des Projekts ist es, einen Arbeitsablauf zu entwickeln, um die juristischen Hürden auszuräumen. Für die rechtlichen Feinheiten ist auf Hamburger Seite eine Volljuristin im Team. Die Forschenden wollen herausfinden, ob sich über das Amt der EU für geistiges Eigentum (EUIPO) mit Sitz im spanischen Alicante eine Möglichkeit bietet, Quellen trotz des urheberrechtlichen Schutzes veröffentlichen zu können. „Über ein Onlineportal kann man dort Objekte einstellen, deren Urheber nicht bekannt oder nicht zu ermitteln ist. Wenn sich binnen sechs Monaten niemand meldet, kann man die Objekte zweitverwerten, etwa digital veröffentlichen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen“, erläutert Zimmermann. 

Als Testobjekt soll auf Oldenburger Seite der Flugblattbestand des Universitätsarchivs dienen. Die Universität Oldenburg verfügt über eine umfangreiche Sammlung aus den Jahren 1974 bis 1998. Insgesamt 86 Bände mit rund 9.000 Nummern – einzelne Flugblätter, aber auch studentische Zeitschriften und Broschüren – trugen der damalige Bibliotheksdirektor Herrmann Havekost und sein Team über die Jahre zusammen. Im Projekt sollen diese Fundstücke nun fachgerecht erschlossen, digitalisiert und in das EUIPO-Portal eingegeben werden. „Wir wollen herausfinden, ob das ein praktikabler Weg ist“, sagt Zimmermann. 

Sein Traum ist es, dass irgendwann ein deutschlandweites Portal für Flugblätter entsteht, in dem studentische Druckerzeugnisse digital abrufbar sind. „Das würde es erlauben, ganz neue Forschungsfragen zu stellen, etwa zu den großen Friedensdemonstrationen Anfang der 1980er-Jahre in Bonn, die sehr stark auch über Studierendenverbände organisiert wurden“, so der Historiker. Die Flugblätter könnten auch den Blick auf die Geschichte von Anti-Atomkraft- oder Umweltbewegung erweitern. Für Zimmermann ist klar: „Um ein vollständiges Bild des Hochschullebens zu erhalten, ist es von entscheidender Bedeutung, auch die Stimmen und Perspektiven der Studierenden zu erfassen.“ 

 

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