• Eine weiß-gräulich gefärbte Tiefseekoralle Callogorgia delta, auf der sich Schlangensterne niedergelassen haben. Diese sind bräunlich gefärbt. Das Bild wurde unter Wasser aufgenommen. Im Vordergrund sind andere Korallen zu erkennen.

    Die Tiefseekoralle Callogorgia delta ähnelt dem Zweig eines Nadelbaums. Häufig beherbergt die Art rosafarbene Schlangensterne, die vermutlich nützlich sind. Mit abgebildet sind zwei weitere Korallenarten. Das Foto wurde in einer Tiefe von 439 Metern aufgenommen. Creative Commons CC0 1.0 / Ecogig Consortium

  • Eine weiß-gräulich gefärbte Tiefseekoralle Callogorgia delta. Im Vordergrund sind Röhrenwürmer der Art Lamellibrachia luymesi sowie eine Muschel der Art Acesta oophaga sowie weitere Tiere zu erkennen. Die Röhrenwürmer sind rosa gefärbt, die Muschel orange. Das Bild wurde unter Wasser aufgenommen.

    Die Tiefseekoralle Callogorgia delta ist im Golf von Mexiko häufig in der Nähe von so genannten kalten Quellen zu finden, aus denen Kohlenwasserstoffe austreten. Das abgebildete Exemplar wurde 2016 in einer Tiefe von 624 Metern im Mississippi Canyon entdeckt. Im Vordergrund sind Röhrenwürmer der Art Lamellibrachia luymesi sowie eine Muschel der Art Acesta oophaga sowie weitere Tiere zu sehen. Creative Commons CC0 1.0 / Ecogig Consortium

Tiefseekorallen beherbergen bisher unbekannte Bakterien

Nur 359 Gene und die Aminosäure Arginin als einzige Energiequelle: Die im Golf von Mexiko neu entdeckte Bakterienfamilie Oceanoplasmataceae gibt dem deutsch-amerikanischen Entdeckungsteam Rätsel auf. 

Nur 359 Gene und die Aminosäure Arginin als einzige Energiequelle: Die von einem deutsch-amerikanischen Forschungsteam im Golf von Mexiko neu entdeckte Bakterienfamilie Oceanoplasmataceae gibt Rätsel auf. 

Im Gewebe von zwei Tiefseekorallen aus dem Golf von Mexiko hat ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam um Prof. Dr. Iliana Baums vom Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) und Dr. Samuel Vohsen von der Lehigh University in den USA zwei erstaunliche Bakterienart entdeckt. Die zuvor unbekannten Symbionten der Korallen besitzen ein extrem kleines Genom und sind nicht einmal in der Lage, aus Kohlenhydraten selbst Energie zu gewinnen. Das berichtet das Team in der Zeitschrift Nature Communications. „Diese Art ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie wenige Gene es für ein funktionsfähiges Lebewesen braucht“, sagt Ko-Autorin Baums.

Das Forschungsteam untersuchte mehrere Kolonien von zwei Arten von Hornkorallen im Golf von Mexiko. Die Spezies Callogorgia delta und Callogorgia americana kommen in Wassertiefen zwischen 300 und 900 Metern vor, wo es komplett dunkel ist. Bei ihren Analysen entdeckten die Forschenden die bislang unbekannten, eng verwandten Bakterienarten aus der Klasse Mollicutes – einer Gruppe von Bakterien, die häufig als Parasiten auf oder in Zellen von Pflanzen, Tieren und auch Menschen leben und teils Krankheiten verursachen. Anhand von genetischen Analysen schlagen die Forschenden vor, die beiden Arten einer neuen Familie mit dem Namen Oceanoplasmataceae zuzuordnen. 

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Bakterien als dominante Symbionten der Korallen in einer gallertartigen Gewebeschicht leben, durch die Nährstoffe transportiert werden und die der Immunabwehr dient. Die eine Art (Oceanoplasma callogorgiae) besitzt nur 359 Gene, die Proteine für unterschiedliche Stoffwechselfunktionen codieren, die andere (Thalassoplasma callogorgiae) 385 Gene. Zum Vergleich: Das Darmbakterium Escherichia coli besitzt mehr als 4.000 solcher Gene, der Mensch rund 21.000. Wie der Stoffwechsel der beiden neu entdeckten Mikroben mit einem so abgespeckten Genom funktionieren kann, gibt den Forschenden bislang Rätsel auf: „Diese Bakterien haben noch nicht einmal Gene für einen normalen Kohlenhydrat-Metabolismus, also um aus Kohlenhydraten Energie zu gewinnen – etwas, das eigentlich jedes Lebewesen hat“, sagt Baums. Den Untersuchungen zufolge können sie als Energiequelle lediglich die Aminosäure Arginin verwenden, die sie von der Wirtskoralle erhalten. „Aus dem Abbau der Aminosäure lässt sich jedoch nur sehr wenig Energie gewinnen. Dass den Bakterien das zum Leben reicht, ist wirklich erstaunlich“, sagt Baums. Auch andere essentielle Nährstoffe erhalten die Bakterien von ihrem Wirt. 

Ob die Mikroben reine Parasiten sind oder ob auch die Korallen von ihren Symbionten profitieren, ist unklar. Der genetischen Analyse zufolge verfügen die beiden Bakterienarten über verschiedene Verteidigungsmechanismen, um fremdes Erbgut zu entfernen – sogenannte CRISPR/Cas-Systeme, die auch in der Biotechnologie zum Editieren von Genen Einsatz kommen. Diese Fähigkeiten könnten möglicherweise auch für die Wirtskorallen nützlich sein, um Krankheitserreger abzuwehren, vermuten die Forschenden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Bakterien ihrem Wirt durch den Abbau von Arginin Stickstoff zur Verfügung stellen.   

Für Baums, die sich in ihrer Forschung sowohl mit der Ökologie als auch mit der Evolution von Korallen befasst, bieten die Symbionten eine Möglichkeit, um Einblicke in die Geschichte der vielfältigen Tiergruppe zu erhalten. „Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Korallen so viele unterschiedliche Lebensräume besiedeln, obwohl sie vom Bauplan her sehr einfache Tiere sind“, sagt die Forscherin. Entscheidend dafür, dass Korallen sich an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen können, seien die Symbionten: „Sie stellen Stoffwechselfunktionen bereit, die die Korallen selbst nicht haben“, erläutert Baums. Tropische Korallen in flachen, lichtdurchfluteten Gewässern sind beispielsweise auf Algen angewiesen, die Photosynthese betreiben und den Tieren Nahrung und Energie bereitstellen. Kaltwasserkorallen, von denen viele in der dunklen und nährstoffarmen Tiefsee leben, sind wahrscheinlich auf Bakterien angewiesen, um Nährstoffe umzuwandeln oder Energie aus chemischen Verbindungen zu gewinnen. 

Die Evolutionsökologin und Korallenexpertin Baums, die am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) forscht, hat eine gemeinsame Professur der Universität Oldenburg und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven inne. An der aktuellen Studie waren neben Baums und Vohsen auch Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen, der Universität Kiel und der Pennsylvania State University beteiligt.

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