Möglicherweise müssen Physiker künftig ihre Lehrbücher umschreiben – zumindest, was den Wärmetransport über extrem kleine Abstände im Vakuum betrifft. Dies legen die Ergebnisse von Experimenten Oldenburger Wissenschaftler nahe.
Die grundlegend neuen Erkenntnisse des Teams um die Physiker Prof. Dr. Achim Kittel und PD Dr. Svend-Age Biehs sind in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen. Ihre Arbeit führten die Oldenburger zusammen mit Kollegen von der Princeton University in New Jersey, USA, durch.
Mit Hilfe des weltweit einzigartigen, in Oldenburg entwickelten Nahfeldrasterwärmemikroskops konnten die Wissenschaftler messen, wie Wärme über nur wenige Nanometer kleine Lücken im Vakuum von einer warmen Quelle zu einer kalten Probenoberfläche übertragen wird. Ein Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter; die untersuchten Abstände entsprachen dabei der Größe von ein bis mehreren Atomen. Die Forscher stellten fest, dass dieser Wärmetransfer rund tausend Mal größer war, als es gängige Theorien der Wärmestrahlung erwarten lassen. Diese beziehen sich bislang auf Abstände größer als ein Mikrometer, also einem tausendstel Millimeter.
„Diese Untersuchungen sind von großem Interesse, da sie den Energieaustausch von nanoskopisch kleinen Systemen bei sehr kleinen Abständen – im Subnanometerbereich – aufklären“, sagt Kittel. Bisher gebe es in diesem Bereich der Abstände keine experimentellen Untersuchungen, ergänzt Kittel. Die neuen Erkenntnisse könnten Wissenschaftlern ermöglichen, die Temperatur von Nanosystemen besser zu kontrollieren. Solche Systeme werden für zukünftige Technologien in der Elektronik, Optik und Display-Technik immer wichtiger.
Auf die Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment stießen die Forscher, da sie ihre experimentellen Daten mit den Vorhersagen bisher verwendeter Theorie der Wärmestrahlung verglichen. Dazu führten Dr. Svend-Age Biehs und Prof. Dr. Alejandro Rodriguez (Princeton University) sowohl Berechnungen durch, die auf Näherungsverfahren basieren, als auch numerisch exakte Berechnungen. Dabei fanden die Forscher heraus, dass es bei Abständen kleiner als sieben Nanometern einen neuen Wärmetransfer-Mechanismus gibt, der in der bisher verwendeten Theorie nicht berücksichtigt ist.
In weiteren Experimenten wollen die Wissenschaftler den Wärmefluss in diesem extremen Nahfeldbereich untersuchen. So haben sie bereits herausgefunden, dass eine hauchdünne Beschichtung den Wärmetransfer beeinflusst. Ihr Ziel ist es nun, genauer zu verstehen, wie der ungewöhnliche Wärmetransport überhaupt stattfindet. Außerdem wollen die Forscher die untersuchbaren Abstände vergrößern. So können sie den Bereich, in dem die bisher bekannte Theorie zu versagen beginnt, experimentell dingfest machen. Dazu ist die Entwicklung völlig neuartiger Sensoren notwendig, die eine tausendfach höhere Empfindlichkeit aufweisen, als die bisher eingesetzten.