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Prof. Dr. Anja Steinbach

Arbeitsbereich Schulpädaogik und Rassismuskritik

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  • Foto der Erziehungswissenschaftlerin Anja Steinbach im Flur einer Schule. Sie lehnt an einer Wand aus roten Backsteinen, im Vordergrund sind Aufhänger für Jacken zu sehen.

    Mit ihrem Team forscht Prof. Dr. Anja Steinbach in Schulen nach Formen von institutionellem Rassismus. Foto: Daniel Schmidt/Universität Oldenburg

Rassismus in der Schule

Forschende der Universität analysieren Mechanismen und Formen von institutionellem Rassismus. Dafür nehmen sie demnächst den Alltag in sechs Schulen unter die Lupe.

Forschende der Universität analysieren Mechanismen und Formen von institutionellem Rassismus. Dafür nehmen sie demnächst den Alltag in sechs Schulen unter die Lupe.

Kinder aus Einwandererfamilien, die später eingeschult oder in Spezialklassen separat beschult werden; junge Menschen, die aufgrund von nicht perfekten Deutschkenntnissen keine Empfehlung fürs Gymnasium erhalten; Klausurergebnisse, die Lehrende unterschiedlich bewerten, obwohl sich nur der Name auf der Klausur, aber nicht die Fehler unterscheiden – es gibt viele Beispiele für institutionellen Rassismus in der Schule.

Nicht immer ist dieser so offensichtlich, wirkt sich so unmittelbar auf die schulische Laufbahn der Kinder und Jugendlichen aus wie in den Beispielen. „Gerade die subtileren Formen sind für viele Schülerinnen und Schüler aber Alltag“, erklärt Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Anja Steinbach. „Gleichzeitig erleben wir, dass Lehrkräfte oder andere Schulmitarbeitende in der Regel nicht bewusst rassistisch handeln, sondern sich vielmehr Prozesse etabliert haben, die zu Ungleichbehandlungen führen.“

Es sind diese Mechanismen, die Steinbach und ihr Team in den kommenden fünf Jahren intensiv untersuchen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die von ihr geleitete wissenschaftliche Nachwuchsgruppe „Kontinuitäten und Neuformierungen von Institutionellem Rassismus in der Schule“ (KoNIR) mit rund 1,7 Millionen Euro. Schwerpunkt der Forschung ist eine Erhebung an sechs niedersächsischen und Bremer Schulen – durchgeführt als Feldstudie unter natürlichen Bedingungen im ganz normalen Schulalltag. In den Klassenzimmern, auf den Schulhöfen, in Konferenzen und Elterngesprächen wollen die Forschenden beobachten, inwiefern sich rassistische Strukturen etabliert haben und wie diese aussehen.

Das erfordert viel Fingerspitzengefühl. „Schule ist schließlich an Maximen wie Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Teilhabe, Demokratie orientiert. Das steht offensichtlich im Widerspruch zu rassistischen Strukturen und Praktiken“, sagt Steinbach. Trotzdem ist sie zuversichtlich, Schulen für die Zusammenarbeit zu finden. „Es gibt viele Schulen und Lehrkräfte, die sehr interessiert sind am Thema Rassismuskritik und unser Vorhaben als Chance begreifen“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.

Auf Ungleichbehandlungen im Schulkontext, die an die vermutete Herkunft von Kindern und Jugendlichen geknüpft sind, weisen bereits frühere Untersuchungen hin, zum Beispiel aus Bielefeld. Eine Studie zu institutioneller Diskriminierung zeigte, dass vor allem an den Übergängen im Schulsystem, etwa zwischen Kindergarten und Grundschule oder beim Übergang auf weiterführende Schulen, Diskriminierung stattfindet. Aber auch im Schulalltag kann die tatsächliche oder vermutete Herkunft ein Grund für Unterscheidung sein: In einer Mannheimer Studie bewerteten Lehramtsstudierende die Diktate fiktiver Schülerinnen und Schüler schlechter, wenn diese einen „fremd klingenden“ Namen trugen – obwohl sie die gleichen Fehler gemacht hatten wie zum Beispiel der besser bewertete „Max“.

Auf der Spur unbekannter Mechanismen

Das Team um Anja Steinbach beobachtet nicht nur, sondern führt auch Interviews mit verschiedenen pädagogischen Mitarbeitenden der Schulen, darunter Schulleitungen, Lehrkräfte, Fachkräfte für soziale Arbeit und Schulbegleitungen. „Dabei geht es uns explizit nicht darum, einzelnen Schulen oder gar einzelnen Personen Rassismus nachzuweisen“, betont die Erziehungswissenschaftlerin. Im Mittelpunkt stünden vielmehr Fragen wie: Wo im Schulalltag werden Unterscheidungen gemacht, die an die – manchmal auch nur vermutete – Herkunft von Schülerinnen und Schülern geknüpft sind? Und wie sind diese in die Strukturen der Institution und in die Routinen der handelnden Personen eingebettet? Wie solche Situationen und Abläufe konkret aussehen könnten, sei zwangsläufig noch offen, betont Steinbach. „Für unsere ethnografische Forschung ist es wichtig, nicht von vornherein eine Brille aufzuhaben, sondern gerade auch bislang unbekannten Formen und Mechanismen auf die Spur zu kommen.“

Die Ergebnisse der Oldenburger Forschenden sollen Eingang in die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften finden. Deshalb arbeitet das Team auch mit verschiedenen regionalen Bildungsträgern zusammen, darunter das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung, das Oldenburger Fortbildungszentrum der Universität und das LidiceHaus Bremen. Gemeinsam werden die Beteiligten Fortbildungsprogramme für pädagogische Fachkräfte weiterentwickeln.

Steinbach beschäftigt die Frage, welche Rolle Rassismus in Schulen spielt, schon seit sie vor 20 Jahren für ihr Lehramtsstudium an die Universität kam. „Damals hatte ich bereits die Möglichkeit, mich mit Rassismuskritik wissenschaftlich zu beschäftigen“, sagt sie. Die Idee, als Lehrerin zu arbeiten, wich schließlich der Begeisterung für Forschung und dem Interesse an einem Feld, das ihrer Meinung nach alle angeht: „Wir alle leben in einer von Rassismus strukturierten Welt, das heißt, wir alle haben mit Rassismus zu tun – allerdings machen Menschen damit sehr unterschiedliche Erfahrungen.“

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