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Joaquín Andrés Alem

Institut für Musik

 

  • Alem sitzt und blickt konzentriert auf sein Instrument hinab, das er vor seiner Brust auseinandergezogen hat.

    Joaquín Alem und sein Bandoneon: Das Instrument wurde in Deutschland erfunden, genießt aber eine deutlich größere Popularität in Argentinien. Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

  • Nahaufnahme von Alems linker Hand, die durch eine lederne Griffschlaufe greift, mit der er das Instrument trägt. Seine Finger liegen zum Spiel auf den kleinen, runden, perlmuttfarbenen Knöpfen.

    Nur auf den ersten Blick erinnert das Instrument an ein Akkordeon - kulturell und technisch hat ein Bandoneon aber wenig damit zu tun. Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

  • Porträtaufnahme von Alem. Er hat schwarze, graumelierte Haare, dunkle Augen und einen kuren Vollbart. Er trägt einen schwarzen Rollkragenpullover.

    Joaquín Alem wurde 1975 in Argentinien geboren. Seit 2016 lehrt er an der Universität Oldenburg. Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

Bandoneon-Botschafter

Als Teenager in Argentinien hat Joaquín Alem begonnen, Bandoneon zu spielen. Rund 30 Jahre später bringt der Musiker und Komponist in Oldenburg Studierenden das ursprünglich deutsche Instrument näher.

Rund drei Jahrzehnte lang hat Joaquín Alem sein Instrument gespielt, ehe er es aus seinem Innersten noch einmal ganz neu kennenlernte. Während der Pandemie kaufte er ein rund 100 Jahre altes und reparaturbedürftiges Bandoneon. Kurzerhand besorgte er sich ein günstiges Instrument als Anschauungsobjekt und zerlegte es in seine Einzelteile. „Ich habe es im Prinzip völlig zerstört“, erinnert er sich.

Dieses Wissen über das Innenleben – sowie in speziellen Kursen erlernte Fertigkeiten – konnte er auf das ihm aus der Spielpraxis bereits bestens bekannte historische Instrument übertragen und es so wieder zum Klingen bringen.

Seit 2016 ist der Musiker und Komponist Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg und spätestens seitdem auch so etwas wie ein Bandoneon-Botschafter. Obwohl dieses Instrument in Deutschland erfunden und nach dem Instrumentenhändler Heinrich Band benannt wurde, der es im 19. Jahrhundert entscheidend weiterentwickelte, genießt es die deutlich größere Popularität in Argentinien.

Zwei Klaviaturen, dazwischen ein Balg – diesen Aufbau kennen Deutsche eher vom Akkordeon. „Es gibt aber nur sehr wenige technische und keine kulturellen Gemeinsamkeiten zum Bandoneon“, betont Alem. Mal klingt das Bandoneon leidenschaftlich wie in einem feurigen Tango, mal unendlich getragen und – wenn es auf eine ganz bestimmte Art gespielt wird – erinnert sein Klang sogar an eine Kirchenorgel.

Private Gründe führten Alem 2015 nach Deutschland. Nur wenige Monate später hatte der Musiker, der auch Gitarrist und vor allen Dingen Komponist ist, ein Bewerbungsgespräch an der Universität Oldenburg. Nach 15 Jahren Lehrtätigkeit an einer Musikhochschule in Buenos Aires war es ihm wichtig, eine vergleichbare Position auch in Deutschland zu finden. „Ich wusste zwar, dass ich eine gute Ausbildung habe, aber trotzdem bin ich sehr dankbar, dass ich so schnell diese Möglichkeit bekommen habe.“

„Lustig, schön und sehr solidarisch“

Zunächst leitete Alem das Ensemble für Lateinamerikanische Musik und bot 2020 als erster an einer deutschen Universität ein Bandoneon-Seminar für Studierende an – mit besonderen Herausforderungen. „Das Seminar fand während der Pandemie statt, und die Studierenden hatten keine eigenen Instrumente“, erzählt er. Deshalb reichten sie zwischen den gemeinsamen Online-Veranstaltungen ein von ihm zur Verfügung gestelltes Bandoneon untereinander weiter, damit alle damit üben konnten. „Das war lustig, schön und sehr solidarisch“, erinnert sich Alem.

Im kommenden Semester wird es das Angebot erneut geben – dieses Mal in Präsenz. Von Prof. Violeta Dinescu hat Alem außerdem 2021 das Kompositionsseminar übernommen. Natürlich haben Studierende bei ihm die Möglichkeit, neben Stücken für Streicher und Gitarre auch Bandoneon-Stücke zu komponieren. Neu ist ein weiteres Lehrangebot: Erstmals wird Alem im kommenden Semester zusätzlich ein traditionelles Tango-Ensemble aus Studierenden anleiten.

Den zumeist deutschen Studierenden die Seele der argentinischen Musik näherzubringen, ist für ihn ein besonderer Reiz. „Sie müssen diese Musik wie eine neue Sprache lernen. Sie ist mehr als das, was in den Noten steht. Mein Eindruck ist, dass die Studierenden dankbar sind, dass es gerade nicht nur um Theorie, sondern auch um Gefühl geht“, sagt er.

Das Gefühl steht auch im Mittelpunkt einer Kompositionsarbeit, mit der Alem als Komponist in der jüngeren Vergangenheit von sich reden gemacht hat: die Suite „Romeo y Julieta“. Mit einer Förderung von GEMA und Deutschem Musikrat übersetzte er den berühmten Shakespeare-Stoff in Tango Nuevo, einen unter anderem von Jazz und Neuer Musik geprägten Musikstil, der seinen Ursprung im Argentinien der 1950er-Jahre hat. Gemeinsam mit vier Berufsmusikerinnen und -musikern des Oldenburgischen Staatstheaters gründete Alem die „Joaquín Alem New Tango Group“ und nahm den ersten Teil der Suite im Lambertus-Saal der St. Lamberti-Kirche für eine CD-Produktion auf.

Es folgten positive Besprechungen der Veröffentlichung. „Ein hochdramatischer wie emotionaler Grenzgänger, der das Wesen des argentinischen Tanzes mit den Farben der klassischen und zeitgenössischen Musik und des Jazz verbindet“, schrieb etwa das Journal Frankfurt, das der CD in einer Ausgabe den ersten Platz in seinen Charts freiräumte. Auf gleich mehrere Nominierungen in verschiedenen Kategorien beim Preis Opus Klassik ist Alem besonders stolz. „Es war eine große Ehre für mich, mit Größen wie Steve Reich, Daniel Barenboim und Anne-Sophie Mutter nominiert zu sein“, sagt er.

Den zweiten Teil von „Romeo y Julieta“ präsentierte die New Tango Group Mitte Oktober im Alten Landtag in Oldenburg. Obwohl oder gerade weil das New-Tango-Projekt seit der CD-Veröffentlichung im Sommer 2022 für so viel Aufmerksamkeit gesorgt hat, will sich Alem als vielseitigen Künstler verstanden wissen, der sich keinesfalls einem einzelnen Stil verpflichtet sieht. „Tango ist nur ein kleiner Teil meiner künstlerischen Tätigkeit“, betont er.

Das zeigt auch ein Blick in seinen Terminkalender: Im Oktober und November stehen drei Konzerte in Nordrhein-Westfalen an. Dort wird Alem allein mit seinem Bandoneon auf der Bühne sein und Stücke aufführen, die er inspiriert von Johann Sebastian Bach komponiert hat. Das sei schon ungewöhnlich, so ganz allein mit dem Bandoneon auf großer Bühne. Ob er nervös ist? „Sí! Aber ich bin vorbereitet.“ So wie jeder gute Botschafter.

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