Universitäre Forschung, die das Fach Erziehungswissenschaften stärkt und sich direkt auf das Bildungssystem vor Ort auswirkt – das ist das Ziel des Projekts CERM-ESA an der kenianischen Moi Universität. Die Koordinatorinnen Susan Kurgat und Malve von Möllendorff sehen nach zehn Jahren Projektarbeit klare Erfolge.
Die beruflichen Wege der mehr als 60 ehemaligen Studierenden des forschungsorientierten Master-Studiengangs Erziehungswissenschaften an der Moi Universität in Kenia sind vielfältig: Einige sind in der öffentlichen Verwaltung tätig, andere haben Posten in Schulleitungen übernommen, wieder andere eine Karriere in Forschung und Lehre eingeschlagen.
Was nach üblichen akademischen Karrierewegen klingen mag, dokumentiert in den Augen der kenianischen Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Susan Kurgat und ihrer Oldenburger Kollegin Dr. Malve von Möllendorff erste Erfolge ihrer Bemühungen, das Bildungssystem in Ostafrika zu modernisieren. „Wir haben zum Beispiel Alumni, die die Regierung in Bildungsfragen beraten“, sagt Kurgat.
Der international ausgerichtete Masterstudiengang gehört zum Angebot des an der Moi Universität angesiedelten East and South African-German Centre of Excellence for Educational Research Methodologies and Management (CERM-ESA). Seit 2014 arbeiten deutsche und afrikanische Partner unter Leitung der Universität Oldenburg in dem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Zentrum daran, neue erziehungswissenschaftliche Forschungsmethoden zu lehren und zu etablieren.
Innovative Forschung in den Erziehungswissenschaften
„Wir wollten innovative Forschung in den Erziehungswissenschaften vorantreiben, die auch relevant für die Praxis ist und die Situation vor Ort wirklich verändert – in den Schulen, in der Hochschule und letztlich auch in der Politikberatung“, erläutert von Möllendorff, die das Vorhaben von Beginn an mitgestaltet hat und es gemeinsam mit Kurgat koordiniert. Wissenschaftlich leiten Prof. Dr. Bernd Siebenhüner und Prof. Dr. Karsten Speck das Vorhaben von Oldenburger Seite.
Mit rund 30.000 Studierenden ist die Moi Universität im westkenianischen Eldoret die zweitgrößte Hochschule des Landes. Rund 2.000 Lehrkräfte werden hier jährlich für alle Schulformen ausgebildet. Doch die Bedingungen, unter denen junge Menschen an den Hochschulen und Schulen des Landes lernen, seien äußerst schwierig, sagt von Möllendorff. Lehr- und Lernmethoden seien oft veraltet und in vielen Aspekten ein Erbe der Kolonialzeit. Kreativität und kritisches, problemlösendes Denken würden dadurch oftmals verhindert statt gefördert. Ein großes Problem sei zudem das hohe Verhältnis von Lernenden zu Lehrkräften, betont Kurgat.
Hinzukommt, dass universitäre Forschung zu Bildungsthemen oft nur wenig zur Lösung von Problemen im kenianischen Bildungssystem beigetragen hätte und viel zu oft ungenutzt in Schubladen und Regalen verschwand, erläutert von Möllendorff. „In CERM-ESA ging es auch darum, den Studierenden mehr Kompetenzen und Methoden zu vermitteln – wie sozialer Wandel durch Forschung und ‚University-Community Partnerships‘ mit angestoßen werden kann.“
Gemeinsam mit Beteiligten aus weiteren Partnerinstitutionen – der Nelson Mandela Universität, Südafrika, dem Uganda Management Institut und der Universität in Daressalam – setzten die Projektpartner verschiedene Schwerpunkte, um die Verbindung zwischen Forschung und Praxis zu stärken. In Schulungen und Workshops lernten Hochschullehrende der beteiligten afrikanischen Institutionen neue Forschungs- und Lehrmethoden kennen und setzten sich beispielsweise mit der Frage auseinander, wie eigentlich eine gute Betreuung von Studierenden und Promovierenden aussieht. Ein großer Gewinn beim Entwickeln der Angebote sei die Zusammenarbeit mit der Nelson Mandela Universität gewesen, betonen Kurgat und von Möllendorff. Die südafrikanische Universität gehört in Afrika zu den führenden Institutionen in der Bildungsforschung und der Ausbildung von Lehrkräften.
Für die Studierenden, die aus den unterschiedlichsten Ländern Ostafrikas kommen, gibt es inzwischen eine Reihe von Stipendien. Die Beteiligten etablierten zudem ein neues Promotionsprogramm, das den Studierenden des forschungsbasierten Masterstudiengangs eine akademische Perspektive bietet. Regelmäßige Workshops und Weiterbildungsprogramme für die Beschäftigten und Studierenden der beteiligten Institutionen etwa zu aktuellen Forschungsthemen und -methoden, zur Hochschuldidaktik oder zur Digitalisierung runden das Angebot ab.
Wir haben die Herausforderungen gemeinsam gemeistert
Malve von Möllendorff
Um in die Region zu wirken, bietet CERM-ESA Fortbildungen für Lehrkräfte und Leitungen der umliegenden Schulen an. Für die Lehrkräfte sei es aufgrund der großen Klassen beispielsweise eine Herausforderung, sich ihren Schützlingen „eins-zu-eins“ zu widmen, erklärt Kurgat. Es besteht die Gefahr, in alte Lehrmethoden zurückzufallen. „Hier vermitteln wir beispielsweise, wie sich Lehrkräfte mit Hilfe von kreativen und computergestützten Methoden ihren Schülerinnen und Schülern individueller widmen können“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.
Für von Möllendorff zeigt dieses Beispiel, dass die Projektbeteiligten ihrem Ziel, nicht nur die Hochschullehre und Forschung zu modernisieren, sondern auch einen Mehrwert für das Bildungssystem in der Region zu schaffen, im Laufe der Jahre immer nähergekommen sind. „Es war nicht immer einfach, aber wir haben die Herausforderungen gemeinsam gemeistert“, sagt sie.
„Wir alle haben im Laufe des Vorhabens viel voneinander gelernt“, ergänzt Kurgat. „Das ist eine große Stärke des Projekts.“ Mit Stolz blickt sie auf die beruflichen Erfolge der ersten Absolventinnen und Absolventen des forschungsbasierten Master- und Promotionsstudiengangs und die aktuellen 25 Masterstudierenden und 12 Promovierenden: „Unsere Studierenden sind sehr engagiert und geben das Wissen, das sie erworben haben, und ihre Haltung an andere Studierende weiter.“ CERM-ESA strahle so auf die ganze Institution aus.
Vieles von dem, was erreicht worden ist, sei der langen Projektdauer zu verdanken, sagt von Möllendorff. „Nur so konnten wir das Vertrauen ineinander aufbauen, das für unsere Arbeit nötig war.“ Auch Kurgat ist dankbar, dass der DAAD das Vorhaben nicht nur finanziell, sondern auch ideell über einen so langen Zeitraum unterstützt hat. Bis Ende 2028 finanziert der DAAD das Programm weiter – wenn auch reduziert, etwa um die Stipendienprogramme aufrechtzuerhalten.
Um die Ergebnisse von CERM-ESA langfristig zu sichern und anderen Bildungseinrichtungen in Afrika zugänglich zu machen, setzen die Beteiligten in einem Folgeprojekt auf Digitalisierung: Im Rahmen von DIGI-FACE, geleitet von der Hochschule Kehl, bereiten die Partner ihr Wissen für Online-Workshops und -Kurse auf. Auf diese Weise fließen die Ergebnisse auch in die Weiterbildung von Studierenden und Lehrenden anderer, ebenfalls vom DAAD finanzierter Fachzentren in Afrika ein.
Die jetzigen CERM-ESA-Studierenden profitieren bereits von diesem Angebot: Zwar stehen inzwischen weniger finanzielle Mittel für die Studiengänge am Exzellenzzentrum zur Verfügung und es gibt weniger Veranstaltungen vor Ort. Doch dank der online zugänglichen Lehrinhalte und -ressourcen kann das Studienangebot aufrechterhalten werden.