Die Gleichstellung der Geschlechter ist auch an Hochschulen noch nicht erreicht. Anlässlich des internationalen Frauentags spricht die Vizepräsidentin für Akademische Karrierewege, Chancengleichheit und Internationales, Prof. Dr. Katharina Al-Shamery, über den Wandel in der Wissenschaftskultur, der aus ihrer Sicht nötig ist, um den Herausforderungen auf dem Weg zur Gleichstellung zu begegnen.
Warum ist der Internationale Frauentag aus Ihrer Sicht heute noch wichtig – mit Blick auf das Arbeiten an Hochschulen?
Leider ist Gleichstellung auch an Hochschulen immer noch nicht erreicht: Der Anteil von Frauen, die an unserer Universität eine Professur haben, stagniert zurzeit und liegt bei gut 31 Prozent. Die Zahlen sind zwar andernorts noch schlechter, 28 Prozent sind es im Bundesdurchschnitt. Doch gerade in den Fächern, in denen Frauen immer noch massiv unterrepräsentiert sind, muss ein Wandel der Wissenschaftskultur stattfinden.
Wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?
Etwa bei Führungsmodellen: Wir müssen wegkommen von stark hierarchischen hin zu teamorientierten, wertschätzenden Strukturen, die mehr Verantwortung der einzelnen Personen fordern, aber auch mehr Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Kreative Ideen zu entwickeln, muss wieder in den Vordergrund rücken und nicht das Hecheln nach Erfolgen. Diskriminierung, nicht nur sexualisierter Natur, darf keinen Platz haben – dagegen müssen wir vehement vorgehen. Dies hilft auch die Situation von TIN*-Personen zu verbessern.
Wie ließe sich der Anteil von Frauen in Führung, also etwa bei Professuren oder in anderen leitenden Positionen, erhöhen?
Wir müssen nicht nur Übergangsphasen im Verlauf der Karriere im Auge behalten, sondern wir sollten auch Bewerbungsverfahren verändern. Ein Baustein ist eine aktive Rekrutierung, für die es seit Oktober 2022 Richtlinien an der Universität gibt. Hier müssen wir noch an der Umsetzung arbeiten. Zudem könnten Ausschreibungen eine wertschätzende Teamorientierung ansprechen, und Kommissionen müssen bezüglich verschiedener Biases, also unbewusster Voreingenommenheit, geschult sein. Auch sollten wir alternative Auswahlverfahren entwickeln, die andere Kriterien berücksichtigen als nur den sogenannten Hirschfaktor – ein Maß für die Häufigkeit, mit der Forschende und ihre Arbeit in wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden. Wir sollten Frauen zudem darin bestärken, sich zu trauen, Führungsaufgaben zu übernehmen – und natürlich darauf hinwirken, dass ihnen diese Aufgaben auch zugesprochen und sie nicht nur als Sidekicks gesehen werden. Letztlich geht es darum, verlässliche Karrierewege weiterzuentwickeln – auch um unsere talentierten Köpfe zu halten und Lösungen für Dual Career Probleme finden.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Frauen, aber auch für Männer, immer noch eine Herausforderung.
Daher müssen wir aus meiner Sicht das Umfeld familienorientierter weiterentwickeln. Dies umfasst etwa Arbeitszeiten und Möglichkeiten für Kinderbetreuung – nicht nur für den Arbeitsalltag, sondern beispielsweise auch für Konferenzbesuche. Wichtig ist allerdings, Gleichstellung nicht allein mit Familienfreundlichkeit gleichzusetzen. Die Probleme sind, wie geschildert, deutlich vielschichtiger und lassen sich, meines Erachtens nach, nur lösen, wenn wir auch unsere Wissenschaftskultur ändern in ein besseres Miteinander, das Leistung anders als bisher in einer Vielfalt von Formen wertschätzt.
Wie geht es weiter an der Universität?
Ich habe nur einige wichtige Punkte angesprochen, es gibt viele weitere. Im Gleichstellungsplan, der derzeit fertiggestellt und gemeinsam mit einer breiten Hochschulöffentlichkeit entwickelt wurde, wird es viele Maßnahmen geben, die Frauen in der Wissenschaft, aber auch in allen anderen Bereichen der Universität unterstützen sollen. Es gibt noch viel zu tun.
Interview: Constanze Böttcher