Der Umgang mit Tierarzneimitteln betrifft uns nicht nur als Fleischkonsumenten, sondern auch als Nutzer der Ressource Wasser. Die Oldenburger Hydrogeologin Victoria Burke analysiert Tierpharmaka-Rückstände aus Gülle in Boden und Grundwasser – als Leiterin einer neuen Nachwuchsgruppe.
Niedersachsen: Agrarland Nummer eins in Deutschland und Zentrum der deutschen Fleischindustrie. Dass deren Nebenprodukt, die Gülle – als Dünger auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht – sich auf unser Grundwasser auswirkt, ist bekannt. Zum Beispiel in Form einer zu hohen Nitratbelastung, wie sie häufig im Fokus der öffentlichen Debatte steht. Einen weiteren für Mensch, Tier und Umwelt potenziell schädlichen Bestandteil der Gülle nimmt nun Hydrogeologin Dr. Victoria Burke ins Visier: Rückstände von Tierarzneimitteln.
Was bedeuten diese Rückstände für den Boden, den die Gülle düngt – und für das Grundwasser, aus dem sich unser Trinkwasser speist? Dieser Frage wird sich die junge Wissenschaftlerin vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) in den kommenden drei Jahren widmen – als Leiterin einer eigenen Forschergruppe. Dafür stellt die Kurt Eberhard Bode-Stiftung ihr insgesamt 460.000 Euro zur Verfügung. Aus diesen Mitteln wird die 34-Jährige auch zwei Doktoranden einstellen.
„Es geht um ein Thema, das jeden direkt betrifft: die Qualität unseres Grundwassers. Denn ungefähr 70 Prozent des Trinkwassers, das wir verwenden, werden daraus gewonnen“, erläutert Burke. Die Bode-Stiftung bewilligt nur alle drei Jahre eine Junior-Forschergruppe zur nachhaltigen Nutzung der Ressource Wasser. „Die Ausschreibung kam für mich zum perfekten Zeitpunkt, und ich bin immer noch überrascht, dass es tatsächlich geklappt hat.“
Ihr Ziel: zu verstehen, wie Spuren verschiedener Tierarzneimittel in Boden und Grundwasser transportiert und möglicherweise abgebaut werden – und dieses Wissen für die Praxis nutzbar zu machen, etwa in Form eines Konzepts zur nachhaltigen Düngung.
Das Aufbringen von Düngern tierischer Herkunft wie Gülle auf landwirtschaftlich genutzten Flächen gilt als hauptsächliche Eintragsquelle von Tierarzneimittel-Rückständen in die Umwelt. Denn in der Regel scheiden die Tiere einen wesentlichen Teil der Wirkstoffe – in Einzelfällen auch 90 oder gar 100 Prozent der Dosis – entweder unverändert oder als Abbauprodukt wieder aus. Einiges wird im Boden zurückgehalten, anderes versickert, und Regen wäscht Teile in jeweils tiefere Bodenzonen. „Dabei verhalten sich verschiedene Stoffe unterschiedlich“, betont Burke. „Wir wollen herausarbeiten, welche Arzneimittel-Rückstände wie und in welcher Konzentration schnell ins Grundwasser gelangen und welche – vorübergehend oder längerfristig – in der Zone oberhalb des Grundwassers zurückgehalten werden.“
Auch der Abbau dieser Spurenstoffe wird Thema der Forschung sein: Was passiert beispielsweise mit Antibiotika, wie schnell werden diese abgebaut? Von welchen Medikamenten verbleiben Spurenstoffe im Boden und Grundwasser, so dass möglicherweise – je nach Konzentration – der jeweilige Wasserversorger reagieren muss? Diese haben strenge Grenzwerte einzuhalten, denn Studien belegen negative Auswirkungen von Pharmaka- oder anderen Chemikalien-Rückständen auf Mensch, Tier und Umwelt.
„Wir versuchen den ganzen Weg vom Eintrag bis zum Erreichen des Grundwassers nachzuvollziehen, und zwar in verschiedenen Maßstäben vom Labor- bis zum Feldversuch“, so Burke, die bereits in ihrem Berliner Geologie-Studium einen Schwerpunkt in Hydrogeologie setzte, ehe sie in Oldenburg bei Prof. Dr. Gudrun Massmann über den Abbau von Humanpharmaka im Grundwasser promovierte.
Den kleinsten Maßstab dabei werden sogenannte Säulenversuche in ihrem künftigen Labor bilden: schmale, meterhohe Edelstahlzylinder, in deren Innerem sich verschiedene Boden- und Sedimentkerne verbergen. Anhand dreier typischer nordwestdeutscher Böden – Kalkmarsch, Plaggenesch und Podsol – will Burke das „Verhalten“ von Tierarzneimittel-Rückständen analysieren, indem sie die Bodenkerne mit der entsprechenden Menge Gülle beträufelt. Eine vierte Säule soll die sogenannte gesättigte Zone, also den Grundwasserleiter, simulieren.
Für die nächste Versuchsebene wird Burke eine universitätseigene Anlage auf dem Campus Wechloy verwenden: Die dortige „Großlysimeteranlage“ besteht aus mehreren sogenannten Lysimetern, sozusagen ins Erdreich eingebauten riesigen Versuchssäulen mit einem Durchmesser von zwei Metern und vier verschiedenen Bodentypen. Das dort hindurch gesickerte Wasser lässt sich – nebst den Substanzen, die es enthält – dank eines zentralen Beobachtungs- und Messschachts in fast zweieinhalb Metern Tiefe analysieren.
Ihren Feldversuch kann Burke am Versuchsstandort der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Wehnen durchführen, die ihr neben einer Testfläche auch Schweinegülle für ihre Forschung bereitstellt. Ähnlich wie bei den Lysimeterversuchen – und wie in der realen Landwirtschaft – plant sie auch hier das Aufbringen von Gülle, angepasst an den Pflanzenbedarf. Dabei geht es auch um die Frage, wie sich Laborergebnisse besser als bislang auf das tatsächliche Geschehen in der Natur übertragen lassen, um künftig Auswirkungen auf unser Wasser verlässlicher vorhersagen zu können.