Angehende Lehrkräfte haben ein Semester lang erforscht, wie sich interaktive Whiteboards sinnvoll in den Schulunterricht integrieren lassen – und welche Hürden deren Einsatz in der Praxis erschweren.
Tafelkreide holen oder den Tageslichtprojektor aus dem Materialraum ins Klassenzimmer schieben – diese Aufgaben kennen heute nur noch wenige Schülerinnen und Schüler. Tafel und Projektor haben ihre tragenden Rollen als Hilfsmittel im Unterricht nahezu verloren. Stattdessen stehen in vielen Klassenzimmern mittlerweile Whiteboards. Die modernen Tafeln versprechen interaktive Unterrichtsgestaltung. „In der Praxis werden sie aber meistens eher benutzt wie eine Beamerprojektionsfläche“, sagt Prof. Dr. Ines Oldenburg vom Institut für Pädagogik.
Sie hat die Geräte deshalb in ihrem Seminar „Digitale Lehrmittel für inklusive Settings evaluieren“ zum Thema gemacht und gemeinsam mit insgesamt rund 50 Studierenden im Lehramts-Master erforscht, welche Potenziale ein interaktives Whiteboard im Klassenzimmer hat – und an welchen Hürden eine sinnvolle Nutzung in der Praxis manchmal scheitert. Die Besonderheit: Ihre Ergebnisse haben die Studierenden jetzt auch einem Vertreter der Firma präsentiert, deren Geräte sie auf Herz und Nieren getestet haben.
Unterrichtskonzepte für verschiedene Fächer und Schulformen
Dabei waren die angehenden Lehrerinnen und Lehrer sehr gründlich. Sie konzipierten zunächst interaktive Unterrichtsinhalte mit dem Board und den darauf zur Verfügung stehenden Anwendungen. Welchen Problemen sie dabei begegneten, hielten sie fest. Weil die Studierenden ganz unterschiedliche Fächer und Schulformen anstreben, konnten sie am Ende des Semesters Eindrücke aus vielen unterschiedlichen Perspektiven geben.
Eine angehende Physiklehrerin berichtete bei der Abschlusspräsentation von ihrer Idee, am Board einen Schülerversuch vorzubereiten. „Dafür wäre es cool, wenn ich Bilder zum Beispiel von Lampen, Kabeln und einem Netzteil hätte“, erklärte sie. Sie könnte so den Versuchsaufbau visualisieren, den ihre Schülerinnen und Schüler dann mit echtem Material im Klassenzimmer nachbauen sollen. Bisher fehle jedoch eine solche Funktion.
Ebenfalls gutes Feedback gab es dafür, dass sich verschiedene Arbeitsergebnisse der Klasse – zum Beispiel aus Gruppenarbeiten – gleichzeitig auf dem Board zeigen und vergleichen lassen. „Toll wäre, wenn Handschrift, die ja manchmal schlecht zu lesen ist, automatisch in getippte Wörter umgewandelt werden würde“, schlug indes eine Studentin vor.
Nicht für alle Einsatzzwecke geeignet
Kaum sinnvolle Einsatzmöglichkeiten in ihrem Alltag als Lehrerin sah hingegen eine Studentin der Sonderpädagogik. „In unserer Schulform brauchen die Schülerinnen und Schüler etwas zum Anfassen. Wir müssen möglichst viele Sinne ansprechen. Beim Unterrichten mit Whiteboard schwindet schnell die Konzentration“, fürchtete sie.
Auch eine Gruppe von Sportstudierenden sah das Hilfsmittel nicht nur als Vorteil. „Die Bewegungszeit darf nicht dadurch verringert werden, dass man zu lange vor dem Board steht“, warnten die angehenden Lehrkräfte. Außerdem berichteten sie von technischen Problemen beim Umgang mit im Unterricht aufgenommenen Videos. „Ein Video vom Tablet ohne Zwischenschritt und ohne Probleme aufs Bord zu übertragen, ist uns nur einmal gelungen“, kritisierte ein Student. Dann aber sei es praktisch gewesen, im Video Markierungen und Notizen machen zu können.
Angehende Musiklehrerinnen sehen Potenzial
Im Musikunterricht könnte das interaktive Board eine spannende Wirkung entfalten, berichtete eine Gruppe von Studentinnen. Die jungen Frauen demonstrierten, dass die Tasten einer von ihnen aufgerufenen virtuellen Klaviatur tatsächlich Töne erzeugten. Noch schöner wäre ihrer Meinung nach, wenn gespielten Töne direkt in Noten umgewandelt und in die Notenlinien eingetragen würde.
Einige Kritikpunkte kamen häufiger zur Sprache. So sei eine lediglich 45-minütige Einführung, wie sie normalerweise auch Lehrkräfte an Schulen erhalten, nicht ausreichend, um das Board gut bedienen zu können. „Einige unserer Kritikpunkte wirken vielleicht kleinkariert, aber man muss sich vorstellen, dass wir zum Beispiel vor einer Klasse Achtklässler stehen, die sofort aufdrehen, wenn etwas nicht funktioniert“, sagte eine Studentin.
Feedback soll zur Verbesserung der Boards beitragen
„Laut Kultusministerkonferenz sollen Schülerinnen und Schüler zukunftsfähig gemacht werden für die Digitalisierung“, so Ines Oldenburg. Dafür gehört für sie auch, angehende Lehrerinnen und Lehrer zum Einsatz digitaler Unterrichtsmaterialien zu motivieren und sie gleichzeitig zum kritischen Umgang damit anzuhalten. „Da ist es natürlich toll, dass die Studierenden mit ihrem Feedback konkret auf die Weiterentwicklung des Boards dieses Herstellers einwirken können.“
Wie wertvoll die Rückmeldung für den Hersteller ist, betonte auch noch einmal dessen Vertreter Philip Meier, der den Studierenden zum Einstieg ins Semester die Funktion des Boards erklärt hatte und jetzt ihr Feedback mitnahm. „Entwickler sind nun einmal Entwickler und schauen mit anderen Augen auf ein solches Produkt als die Anwender“, sagte er. Der Blick durch die „Profiaugen“ von angehenden Lehrkräften sei deshalb sehr hilfreich für die Weiterentwicklung des Boards.