Sie ist eine der renommiertesten deutschen Forscherinnen zu Energie- und Nachhaltigkeitsthemen: Die Rede ist von Prof. Dr. Claudia Kemfert, die wichtige Stationen ihrer Laufbahn an der Universität Oldenburg absolvierte. Ein Porträt.
Von Mark Brüggemann
Was kostet die Welt? 25 Cent pro Tag, wenn es nach Prof. Dr. Claudia Kemfert geht. So viel – oder wenig – müsste ihr zufolge jeder Bundesbürger an Klimaschutzprojekte spenden, um klimaneutral zu leben. Kemferts Rechnung: Knapp elf Tonnen Kohlendioxid werden in Deutschland pro Person jährlich erzeugt, gleichzeitig liegt der CO2-Preis momentan bei rund sieben Euro pro Tonne. „Vor vier Jahren bin ich noch auf 70 Cent pro Bürger und Tag gekommen. Dass es jetzt nur noch 25 Cent sind, hängt mit der Wirtschaftskrise zusammen“, erläutert Kemfert.
Konkrete, auch für Laien gut nachvollziehbare Berechnungen wie diese sind es, die Claudia Kemfert zu einer gefragten Interviewpartnerin machen, etwa in politischen Talkshows. Im Gegensatz zu manchem Studiogast mit eher zweifelhafter Kompetenz ist Kemfert ausgewiesene Expertin in Fragen von Energie und Nachhaltigkeit: Seit 2004 leitet sie die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, seit 2009 ist sie außerdem Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance.
„In Oldenburg waren die Studienbedingungen ideal"
Die Universität Oldenburg spielte für die Karriere von Claudia Kemfert eine wichtige Rolle. „Nach meinem Vordiplom in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bielefeld bin ich gezielt nach Oldenburg gewechselt“, blickt Kemfert zurück. „Ich habe mich früh auf Energiewirtschaft spezialisiert, und dafür waren in Oldenburg die Studienbedingungen ideal.“ Auch ihre Promotion, für die sie u.a. ein knappes Jahr an der kalifornischen Stanford University forschte, schloss sie 1998 an der Universität Oldenburg ab, Betreuer der Arbeit war Prof. Dr. Wolfgang Pfaffenberger. „Ich habe in meiner Dissertation die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Ökosteuer und des Emissionsrechtehandels untersucht“, sagt Kemfert.
Nach Forschungsaufenthalten in Mailand und Stuttgart kehrte Kemfert 2000 an die Universität Oldenburg zurück. Als Juniorprofessorin leitete sie hier vier Jahre die Forschungsgruppe „SPEED“ (Scientific Pool of Environmental Economic Disciplines). „Diese Gruppe von Nachwuchsforschern hat Modelle entwickelt, mit denen sie dann verschiedene Effekte simuliert hat“, sagt Kemfert. „Wir haben damals zum Beispiel in einem EU-Projekt den europäischen Strommarkt mit Hilfe von spieltheoretischen Modellen untersucht.“ 2004 erhielt die Forscherin den Ruf an das DIW, verbunden mit einer Professur für Umweltökonomie an der Berliner Humboldt-Universität. Sie war damit laut der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn die erste Juniorprofessorin Deutschlands, die auf eine reguläre Professur berufen wurde.
„Verzichtsdebatten führen nicht weiter“
„Die andere Klima-Zukunft – Innovation statt Depression“ und „Jetzt die Krise nutzen“ - manchem dürften die Titel zweier Bücher, die Kemfert für ein nicht-wissenschaftliches Publikum geschrieben hat, zu optimistisch und wachstumsorientiert sein. „Verzichtsdebatten und die sofortige Abkehr vom Wirtschaftswachstum führen uns nicht weiter“, hält die Autorin dagegen. „Das globale Problem des Klimawandels können und müssen wir mit Wirtschaftswachstum lösen.“ Als Eckpunkte für ein solches Wachstum nennt Kemfert „wachsenden Umweltschutz, wachsende Gesundheit, wachsenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und sauberer Energie“. Nur Schlagworte? Sicher nicht, wenn auch der namhafte Club of Rome die Expertise von Claudia Kemfert zu schätzen weiß. Die deutsche Gesellschaft dieses Think tanks zur Globalisierung nahm Kemfert im Dezember 2011 als neues Mitglied auf.
Die Ankündigung der Forscherin, Energieministerin im „Schattenkabinett“ der nordrhein-westfälischen CDU zu werden, kam überraschend. Denn zuvor hatte die 43-Jährige auf Fragen zu möglichen politischen Ambitionen immer betont, „mit Leib und Seele Wissenschaftlerin“ zu sein und es auch bleiben zu wollen. Den aktuellen Wahlprognosen zufolge dürfte die Wahrscheinlichkeit allerdings eher gering sein, dass Kemfert ab Mitte Mai von Oldenburg nach Düsseldorf pendeln muss. Von Oldenburg? Gar nicht so unwahrscheinlich – denn obwohl Kemfert nun schon seit 2004 in Berlin tätig ist, verbringt sie ihre Wochenenden vorzugsweise in der Huntestadt. „Oldenburg ist ideal, um mich zu erholen – die perfekte Ergänzung zum oft hektischen Leben in der Hauptstadt“, sagt sie. „Das ist für mich jedes Mal wie Urlaub.“