„Wissenschaft in zehn Minuten“ – so heißt das neue Format der Oldenburger Forschungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur (OlFoKi). In Videobeiträgen untersuchen Experten aktuelle Kinder- und Jugendbücher wissenschaftlich und didaktisch.
Wenn sich Forscher zur Kinder- und Jugendliteratur äußern, geschieht dies meist auf Kongressen oder über Fachartikel. Das Oldenburger Team der OlFoKi lässt mit dem digitalen Forum „Wissenschaft in zehn Minuten“ nun auch die breite Öffentlichkeit daran teilhaben. An dem deutschlandweit einzigartigen Projekt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Doktoranden und Studierende beteiligt. In den bislang 29 sogenannten „Vidcasts“ analysieren sie die Texte aus didaktischer, essayistischer, literatur- oder kulturwissenschaftlicher Perspektive.
Prof. Dr. Thomas Boyken, Literaturwissenschaftler an der Universität und Leiter der OlFoKi, hat das Forum gemeinsam mit dem Oldenburger Literaturdidaktiker Prof. Dr. Jörn Brüggemann konzipiert. „Wir hoffen, mit diesem Format wissenschaftliche Diskurse einem größeren Publikum zugänglich machen zu können“, sagt Boyken. Das Projekt wurde anlässlich der 46. Oldenburger Kinder- und Jugendbuchmesse (KIBUM) vorgestellt. Die Vidcasts sind über die dazugehörige Website abrufbar – dort stehen auch sämtliche Manuskripte zum Herunterladen bereit.
Didaktik, Trends und eine Werkstatt
Die Gesamtlaufzeit der 29 Videos beträgt rund 300 Minuten. Die Inhalte der Vidcasts haben die Wissenschaftler und Studierenden selbst gewählt. Ihre Beiträge richten sich an verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Intentionen. Die Rubrik „Für die Schule rezensiert und kommentiert“ spricht beispielsweise Lehrer, Lehrerinnen und Erziehende an, um ihnen neues Unterrichtsmaterial an die Hand zu geben.
Interessierte Erwachsene sind Zielgruppe der Rubrik „Kinder- und Jugendliteratur 2020: Trends und andere Beobachtungen“. Die Beiträge verdeutlichen beispielsweise, wie anspruchsvoll heutzutage die Illustrationen für Kinder- und Jugendbücher sind. So gibt es unter anderem Videos, die Geschlechterrepräsentationen in Kinderbüchern beleuchten oder prüfen, wie Bilderbücher komplexe Sachverhalte vermitteln. Die Vidcasts geben auf diese Weise Einblicke und Einschätzungen, die über herkömmliche Literaturrezensionen hinausgehen.
Die Clips in der Rubrik „Blick in die Werkstatt der Literaturwissenschaft“ adressieren vor allem andere Literatur- und Kulturwissenschaftler. Der Community werden hier auf unkonventionelle Weise neue Denk- und Forschungsanstöße präsentiert – zeitlich und örtlich ungebunden. „Die Beiträge können in Diskurse eingebaut werden – unabhängig davon, ob man in Frankfurt am Main oder in Oldenburg unterrichtet. Im Rahmen einer Tagung wäre das so nicht möglich gewesen“, betont Boyken.
„Unterschiedliche Bedeutungsschichten“
Das Forum bereitet Inhalte nicht nur für unterschiedliche Zielgruppen auf. Es beleuchtet auch einzelne Bücher aus verschiedenen Perspektiven. Zwei Vidcasts hinterfragen beispielsweise, wieso die Romanreihe „Die Tribute von Panem“ von Suzanne Collins derart populär ist und wie Musik und Liedtexte darin eingesetzt werden. Ausreichend „Stoff“ für zwei unterschiedliche Betrachtungen bietet auch der Jugendroman „Elektrische Fische“ von Susan Kreller. Darin muss eine junge Frau aus Dublin nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen – ein Vidcast vergleicht die deutsche und irische Kultur, ein anderer zeigt auf, wo sich die beiden Kulturen vermischen.
„Diese Beispiele verdeutlichen, dass es natürlich nicht die eine richtige Deutung eines literarischen Textes gibt, sondern viele unterschiedliche Bedeutungsschichten und Perspektiven“, so Boyken. Wie vielfältig die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur ist, zeigen die kurzen Clips über neue Bücher.