• Universität Oldenburg / Sonja Niemann

Lebensziel Landärztin

Vom Traum zum Ziel in zwölf Jahren: Bianca Jacobs gehörte 2012 zu den ersten Humanmedizin-Studierenden der Universitätsmedizin Oldenburg. Nach erfolgreicher Facharztausbildung ist sie jetzt niedergelassene Hausärztin.

Vom Traum zum Ziel in zwölf Jahren: Bianca Jacobs gehörte 2012 zu den ersten Humanmedizin-Studierenden an der Uni Oldenburg. Nach erfolgreicher Facharztausbildung ist sie jetzt eine der ersten niedergelassenen Hausärztinnen, die die Universitätsmedizin Oldenburg hervorgebracht hat.


Hunderte Male ist Bianca Jacobs schon durch die Tür der hausärztlichen Praxis von Dr. Stefan Krafeld und Ralph Cramer in Lohne gegangen – am 10. Juli dieses Jahres allerdings zum ersten Mal als Fachärztin für Allgemeinmedizin. Dieses Mal wartete hinter der Tür das Praxisteam mit einem Blumenstrauß auf die 44-Jährige, um zur bestandenen Prüfung zu gratulieren. „Da hatte ich Tränen in den Augen“, gesteht Bianca Jacobs.


Fast zwölf Jahre Ausbildung liegen an diesem Tag hinter ihr. Jacobs gehörte zu den ersten Oldenburger Medizinstudierenden überhaupt und ist jetzt eine der ersten, die die Facharztprüfung erfolgreich abgelegt haben. Eine lange Zeit: „Meine Zwillinge sind im gleichen Jahr eingeschult worden, in dem ich das Studium begonnen habe und wir haben alle drei von meinem Vater eine Schultüte bekommen“, erinnert sich die Ärztin. Heute stehen die beiden 19-Jährigen kurz vor dem Abitur. 


Gemeinsam mit ihrem Mann und den insgesamt drei Kindern lebt Jacobs in Goldenstedt bei Vechta. Als sie nach der Elternzeit zurück in ihren Beruf als Chemielaborantin wollte, gelang ihr das nicht auf Anhieb. Irgendwann sagte ihr ein Personaler, sie sei überqualifiziert. „Da hab ich mir gedacht: Dann kann ich auch Medizin studieren. Früher habe ich immer gedacht, ich sei dafür zu doof“, sagt sie.


Weil sie kein Abitur hatte, musste Jacobs eine Zulassungsprüfung ablegen, um an einer Universität studieren zu dürfen. Dreimal pro Woche fuhr sie nach Hannover, um sich darauf vorzubereiten – und zwar erfolgreich. Nach dieser ersten überwundenen Hürde hörte sie vom neuen Medizinstudiengang in Oldenburg und gehörte kurze Zeit später zu den 40 Studierenden, die sich unter 1.200 Bewerberinnen und Bewerbern durchsetzten. Was folgte, war alles andere als ein Spaziergang: Fast zwei Stunden pendelte die dreifache Mutter von ihrem Wohnort mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Uni nach Oldenburg – und abends wieder zurück. Die guten Noten fielen ihr nicht in den Schoß. „Das Fragesystem, mit dem das Wissen in schriftlichen Prüfungen abgefragt wird, liegt mir einfach nicht“, gibt sie zu. So musste sie auch mal eine Klausur wiederholen, obwohl sie die Inhalte verstanden hatte. 2019 machte sie ihren Abschluss und begann ihre Facharztausbildung mit Stationen am St. Josef Hospital Cloppenburg, am Marienhospital Vechta und in der Praxis, in der sie heute tätig ist.


Zwei Konstanten trugen Bianca Jacobs dabei über alle Hürden – eine davon ist ihre Familie. „Mein Mann hat mir zum Beispiel Lungen- und Herzgeräusche zum Üben auf CD aufgenommen und eines der Kinder hat sich immer Zeit genommen, wenn ich zum Beispiel mal wieder ein Ohr untersuchen wollte“, erzählt die fröhliche Frau mit der großen Brille und den schwarzen Locken. Die zweite Konstante ist die Praxis von Krafeld und Cramer. Dort absolvierte Jacobs schon ihre erste Hospitation im Jahr 2012. „Ich stand hier und wusste sofort: Das kann ich mir vorstellen“, erinnert sie sich und blickt sich wie damals im Behandlungszimmer um. Die damalige Studentin ist begeistert, wie viel sie von den beiden erfahrenen Ärzten lernen kann und kehrt deshalb immer wieder in die Praxis zurück. „Ich durfte untersuchen, Blut abnehmen, impfen – davon kann man als Studentin nur träumen“, sagt sie. 


„Die Chemie hat von Anfang an gepasst“


Der gute Eindruck ist gegenseitig. „Wir sind ein Dreamteam. Die Chemie hat von Anfang an gepasst“, sagt Praxisinhaber Krafeld. Er und sein Praxispartner Ralph Cramer begleiten die Universitätsmedizin Oldenburg als Lehrpraxis seit dem ersten Tag. Sie wollen Medizinstudierenden bessere klinische Erfahrungen ermöglichen als sie früher selbst gemacht haben. „Damals wurden wir oft wie Nervensägen behandelt, um die man sich irgendwie auch noch kümmern musste“, sagt Krafeld. Deshalb versucht er heute, Studierende viel selbst machen zu lassen und mit regelmäßigem Feedback und Coaching bei ihrer professionellen Entwicklung zu begleiten. Im Falle von Bianca Jacobs sei das leicht gewesen. „Sie ist an allem interessiert, lässt sich schnell für Neues begeistern und ist unfassbar fleißig“, sagt der Allgemeinmediziner. 


2025 wird Bianca Jacobs als gleichberechtigte Partnerin in die Praxis ihrer bisherigen Chefs einsteigen. Hausärztin in einer eigenen Praxis – das war von Anfang an ihr Ziel. „Der Arztberuf an sich ist schon toll und nichts ist besser als Allgemeinmedizin“, sagt sie. „Ich konnte mir nie vorstellen, mich zum Beispiel nur mit einem Organ zu beschäftigen.“ Stattdessen genießt sie es, ihre Patientinnen und Patienten langfristig begleiten zu können und legt viel Wert auf die Kommunikation. „Am schönsten finde ich immer, wenn jemand sagt: Das war richtig nett, dass Sie das so ausführlich mit mir besprochen haben“, sagt sie. 


Als „Landpomeranze“ wie sie sich selbst augenzwinkernd nennt, hat sie sich damals wie heute bewusst für eine Praxis jenseits der Großstadt entschieden. „Man muss das Landleben lieben – mit allen Kompromissen, die das vielleicht bedeutet“, sagt sie. Wer das tut, habe auch keine Probleme damit, als Ärztin oder Arzt in diesen medizinisch häufig unterversorgten Regionen zu arbeiten. 


Obwohl in seiner Praxis bisher noch kein akuter Personalmangel vorherrscht, ist Krafeld froh, dass Jacobs jetzt mit einsteigt. „Es wäre zu spät gewesen, sich erst darum zu kümmern, wenn wir in rund zehn Jahren kürzer treten wollen“, sagt er. Er könne sich gut vorstellen, bis dahin noch weitere Absolventinnen und Absolventen zu verpflichten, gern auch zum Beispiel in Angestelltenverhältnissen, in denen sich Familie und Beruf gut vereinbaren lassen. Mit den Studierenden aus Oldenburg seien sein Kollege und er immer sehr zufrieden gewesen. „Darunter waren viele tolle Menschen, denen wir angeboten haben, dass sie immer wieder kommen können.“
 

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