Mikroorganismen und ihre Lebensgemeinschaften im Labor wachsen zu lassen – daran forscht ein neues Verbundvorhaben unter Oldenburger Leitung. Ziel ist, einen Bioreaktor zu entwickeln, der die natürlichen Lebensbedingungen von Mikroben simuliert.
Mikroorganismen und ihre natürlichen Lebensgemeinschaften im Labor wachsen zu lassen – dieses Ziel steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsvorhabens „Kultivierung von bisher unkultivierten Mikroorganismen aus verschiedenen aquatischen Lebensräumen“ (MultiKulti) an der Universität Oldenburg. Koordinator des Verbundprojekts ist der Mikrobiologe Prof. Dr. Martin Könneke, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM). Ziel des Teams von Forschenden aus ganz Deutschland ist, einen sogenannten Bioreaktor zu entwickeln. Dieser soll die natürlichen Lebensbedingungen von Mikroben so simulieren, dass diese sich dauerhaft im Labor kultivieren lassen. Langfristiges soll ein automatisiertes, von künstlicher Intelligenz gesteuertes System entstehen, das unterschiedliche Forschungsansätze unterstützt – etwa zur Ökologie der Mikroben oder auch für biotechnologische Anwendungen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Anfang Juli gestartete Vorhaben mit insgesamt 2,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren. Rund 500.000 Euro der Fördersumme erhält die Universität Oldenburg. Neben dem Team des ICBM sind Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg, der Humboldt Universität zu Berlin, der Universität Duisburg-Essen, des DVGW-Technologiezentrums Wasser in Karlsruhe sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln beteiligt.
Herausforderung für die Forschung
Mikroorganismen gibt es überall auf der Welt, sie erfüllen wichtige Funktionen in allen Ökosystemen. „Dennoch ist der Großteil aller freilebenden Mikroorganismen bisher so gut wie unbekannt“, erläutert Projekkoordinator Könneke. Fachleute sprechen von „Microbial Dark Matter“ – der mikrobiellen dunklen Materie. Das Problem: Nur sehr wenige Mikroben lassen sich im Labor über längere Zeit am Leben erhalten. Das ist eine Herausforderung für Forschende, da sie kaum gezielte Experimente mit Organismen durchführen können, die in schwer zugänglichen Regionen leben, etwa in der Tiefsee, dem Grundwasser oder Gewässern mit extremen Umweltbedingungen.
Das Team aus Mikrobiologen und Bioverfahrenstechnikern will nun einen Bioreaktor entwickeln, mit dem sich selbst solche Mikroben kultivieren lassen, die sehr besondere Anforderungen an ihre Umwelt stellen. Dabei setzen die Forschenden auf ein neues Konzept: Ein modulartig aufgebauter, vollautomatischer Bioreaktor soll künftig sicherstellen, dass diese Gemeinschaften auch im Labor fast natürliche Umweltbedingungen vorfinden. Das Forschungsteam verwendet unter anderem moderne molekularbiologische Verfahren, um regelmäßig die Zusammensetzung der Gemeinschaften zu analysieren und die Haltungsbedingungen entsprechend anzupassen.
Im Ideenwettbewerb erfolgreich
„Im ersten Schritt wollen wir die natürlichen Gemeinschaften der Mikroorganismen erhalten“, erläutert Könneke. In weiteren Schritten wollen die Forschenden einzelne Organismen isolieren und anreichern, um mehr Wissen über die Gemeinschaften, einzelne Arten und ihre ökologischen Ansprüche zu erhalten. Das Team konzentriert sich auf drei Gruppen von Mikroben: Eine Gruppe stammt aus dem Trink- und Grundwasser, sie beeinflusst etwa technische Anlagen zum Aufbereiten von Trinkwasser. Eine zweite lebt in Kaltwassergeysiren und könnte für biotechnologische Anwendungen bedeutend sein. Die dritte Gemeinschaft von Mikroben spielt eine wichtige ökologische Rolle im Meer. Außerdem untersuchen die Forschenden, wie sich extraterrestrische Bedingungen – etwa wie auf dem Mars – auf bestimmte Mikroorganismen auswirken.
Das Forschungskonsortium hatte sich im Jahr 2019 bei einem Workshop des BMBF zusammengefunden. Beim anschließenden Ideenwettbewerb hatte das Team eine Anschubförderung in Höhe von 200.000 Euro erhalten, um Vorarbeiten durchführen zu können und so bei einem Vollantrag Aussicht auf Erfolg zu haben.