Jura in Oldenburg? Jein. Das Studium an der Hanse Law School (HLS) der Universitäten Oldenburg und Bremen unterscheidet sich vom klassischen deutschen Jurastudium. Einzigartig sind das rechtsvergleichende Profil und verpflichtende Auslandsaufenthalte.
Wenn sich HLS-Leiterin Prof. Dr. Christine Godt im Kreis der Alumni nach Vortragenden umsieht, die aktuellen Studierenden berufliche Perspektiven aufzeigen, können sie und ihr Team stets aus dem Vollen schöpfen. Denn die Vielfalt der Werdegänge, die sich an ein Studium an der Hanse Law School anschließen, könnte kaum größer sein: Absolventen des rechtsvergleichenden Bachelor-Studiengangs „Comparative and European Law“ arbeiten etwa für die EU-Kommission, im Auswärtigen Amt und Bundeskanzleramt, in internationalen Unternehmen und Großkanzleien, im Finanzsektor, in Unternehmensberatungen, Verbänden oder Nichtregierungsorganisationen.
„Was bei den Studierenden biografisch besonders nachwirkt, ist das verpflichtende Auslandsjahr, das ist auf jeden Fall einzigartig“, sagt Godt, seit 2010 Hochschullehrerin für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht und seit dem Wintersemester gemeinsam mit ihrem Bremer Fachkollegen Prof. Dr. Christoph Schmid erneut Leiterin der HLS. „Und je nachdem, wohin man ins Ausland geht, hat man die Möglichkeit, einen Akzent zu setzen“, ergänzt Alexander Cordes, HLS-Koordinator auf Oldenburger Seite. „Eine Studierende von uns hat beispielsweise zuletzt in Stettin ihre Kenntnisse im polnischen Recht vertieft.“
Bei Moritz Kesper dauert es noch ein wenig, bis er die Koffer fürs Auslandsjahr packt – aber der HLS-Studierende im zweiten Studienjahr kann zwischen zahlreichen Oldenburger und Bremer Partneruniversitäten auswählen. „Wohin es am Ende auch geht – das Auslandsjahr zählt neben den englischsprachigen Veranstaltungen zu den größten Vorteilen des Studiums“, so der 20-Jährige.
Er hat sich bewusst für die Hanse Law School entschieden, die jährlich 35 Bachelor-Studienplätze und 35 weitere im Masterstudiengang „Transnational Law“ bietet. „Hauptsächlich wollte ich kein Staatsexamen machen, damit bei mir nicht alles von einer einzelnen Prüfung abhängt.“ Als Vorteil gegenüber Studiengängen auf Staatsexamen sieht Kesper zudem, „dass es dort erst ab dem 4. Semester mit Europarecht losgeht. Wir fangen damit im ersten Semester an, eine super Sache – auch weil ich Europa und seine Errungenschaften toll finde.“
Der Fokus auf rechtsvergleichende und europarechtliche Inhalte macht aus Godts Sicht die Hanse Law School aus. „Dabei geht es nicht allein um die europäische Vereinheitlichung des Rechts, sondern um die Vielfalt in Einheit“, betont sie. „Die nationalen Rechte und Rechtskulturen spielen eine große Rolle, es geht um das Verstehen von Unterschieden und um Völkerfreundschaft.“ Das rechtsvergleichende Profil des Studiums, das neben vertieften Kenntnissen des deutschen somit Einblicke etwa in englisches und französisches Recht gibt, sei etwas Besonderes.
Einen besonderen Platz nimmt das niederländische Recht ein, da die Rijksuniversiteit Groningen seit der HLS-Gründung 2002 als Kooperationspartner dabei ist. Nach Reformen der Prüfungsordnung haben die drei beteiligten Universitäten die Möglichkeit von Doppel-Bachelor- und -Masterabschlüssen im vergangenen Jahr neu belebt; demnächst sollen daneben auch deutsch-französische Doppelabschlüsse – gemeinsam mit der Universität Le Havre – möglich sein.
Dabei bedeuteten die internationalen Abschlüsse Bachelor of Laws (LL.B.), und Master of Laws (LL.M.) „kein Schmalspurstudium nur von juristischen Kerninhalten und eine enge Ausbildung nur für Unternehmen“, betont Christine Godt. „Wir haben den Anspruch, auf Staatsexamensniveau auszubilden, auch wenn der Abschluss ein anderer ist. Wir haben nur andere Berufe im Auge als den klassischen Staatsdienst als Richter oder Staatsanwalt.“
Moritz Kesper geht es ähnlich, und auch die Tätigkeit als Anwalt interessiert ihn „nicht zwingend“. Vielmehr könnte der junge Bremer sich vorstellen, später in einer EU-Institution oder für eine Unternehmensberatung zu arbeiten. Das Studium an zwei Studienorten – die inländische Lehre soll nach jüngst reformierter Prüfungsordnung je zur Hälfte in Oldenburg und Bremen stattfinden – hat er bislang gut bewältigt. „In den ersten beiden Semestern war ich regelmäßig tageweise in Oldenburg, dann nutzt man die Zugfahrten einfach, um den Stoff zu lesen.“
Im abgelaufenen Wintersemester besuchte er nun ausschließlich Vorlesungen in Bremen, gemeinsam mit Kommilitonen des klassischen Jura-Studiengangs – „wobei ich angesichts unseres breiteren Programms dabei natürlich nicht alles in der kompletten Tiefe behandeln konnte.“ Zu den juristischen Inhalten nebst englischer Fachsprache kommt für die HLS-Studierenden nämlich noch ein sozialwissenschaftlicher Studienanteil mit Lehrveranstaltungen der Wirtschafts-, Politik- oder Kulturwissenschaften.
„So möchten wir in zweifacher Hinsicht einen Blick über den Tellerrand ermöglichen“, betont HLS-Leiterin Godt, „nämlich Einblicke nicht nur in weitere Rechtsordnungen, sondern auch in andere Disziplinen.“ Diese Vielseitigkeit als ein Erfolgsrezept der Hanse Law School sieht sie beim Blick auf die Karrierewege der Absolventen regelmäßig aufs Neue bestätigt.
Imke Bischoff (Masterabschluss 2016) ist Contract Manager bei Seaway Offshore Cables im ostfriesischen Leer:
Bei der Arbeit darf ich keine Scheu davor haben, in andere Rechtsgebiete und Rechtsordnungen zu gucken. Wir legen Seekabel für Offshore-Windparks, ob in der Nord- und Ostsee, in Schottland oder Taiwan, und zu meinen Aufgaben zählen Ausschreibungsprozess, Vertragsverhandlung, aber auch die Projektbegleitung.
Von den 100 Kollegen aus 18 Nationen am Unternehmensstandort sind fünf HLS-Alumni, die Arbeitssprache ist Englisch, auch dafür prädestiniert die Ausbildung. Die Erfahrung ist, dass die Hanse-Law-Schooler ein großes Organisationstalent und Teamfähigkeit mitbringen, man muss sich im Studium halt gut organisieren und vernetzen. Meine Niederländisch-Kenntnisse aus dem Auslandsjahr in Groningen sind auch in der Mittagspause mit niederländischen Kollegen ein großes Plus.
Maya Wodnicka (Bachelorabschluss 2007, anschließend Kunstrecht-Master in Lyon) ist Justiziarin bei der Natixis Bank in Hong Kong:
Das Curriculum, die internationale Ausrichtung und die Menschen: Dies sind für mich die drei „Säulen“ der Hanse Law School. Sie haben einen großen Teil meines Lebens beeinflusst, speziell meine akademische Laufbahn, persönliche Entwicklung und Karriere.
Der Fokus auf europäisches und vergleichendes Recht – gepaart mit dem Fachvokabular in verschiedenen Fremdsprachen – hat mir beruflich viele Wege eröffnet. Bis zu einer französischen Bank in Hong Kong! Das europäische Recht wirkt weit über die physischen Grenzen der EU hinaus und beschäftigt mich oft in meiner Arbeit. Auch der vergleichende Ansatz der HLS findet täglich Anwendung, da mein Team unter anderem internationale Rechtsgeschäfte im asiatisch-pazifischen Raum analysiert.
Im Verlauf meiner bisherigen Karriere, die mich nach dem Studium zunächst zu einer Londoner Großkanzlei führte, habe ich alle Sprachen anwenden können, die ich an der HLS vertieft habe: Deutsch, Englisch, Niederländisch und Französisch. Diese Sprachkompetenzen erweisen sich oft als unheimlich wertvoll für meine Arbeit und im Umgang mit Kollegen und Kunden aus anderen Regionen der Welt.
An der Hanse Law School traf ich auf eine kleine, aber kulturell vielfältige Gruppe von aufgeschlossenen und wirklich interessanten Kommilitonen – eine Bereicherung. Ich lernte neue Kulturen kennen, und im Studium ermöglichte diese kleine Gruppe von Studierenden einen regen Dialog sowohl untereinander als auch mit den Lehrenden. Einige dieser Menschen sind sehr gute Freunde geworden. Auch meinen Ehepartner habe ich an der Hanse Law School gefunden! Dirk Behnsen arbeitet als Anwalt in Hong-Kong, er ist in einer US-amerikanischen Großkanzlei spezialisiert auf Restrukturierungs- und Insolvenzrecht.
Aufgeschrieben von Deike Stolz