Ein Teleskop auf dem Dach des Universitätsgebäudes W02 sucht nach neuentdeckten erdnahen Asteroiden. Bereits 15 Objekte hat das Gerät aufgespürt – dank eines ausgeklügelten automatischen Beobachtungssystems.
Vor den frostigen Nächten im Januar hätten zuletzt Mitte Oktober gute Beobachtungsbedingungen geherrscht, sagt Tobias Hoffmann: Gleich fünf neue erdnahe Asteroiden kamen dem Teleskop „GHOST“ in den dunklen, sternklaren Stunden vom 17. auf den 18. Oktober vors Objektiv. Während der Physikstudent zu Hause schlief, richtete das Teleskop leise surrend seinen 40 Zentimeter großen Spiegel nacheinander auf verschiedene Punkte des Himmels – so konnte der 23-Jährige am nächsten Morgen ausgeschlafen die Ergebnisse in Augenschein nehmen.
Das Teleskop GHOST ist das größte Instrument der Oldenburger Universitätssternwarte. Durch eine drehbare Aluminiumkuppel mit Beobachtungsfenster kann das Instrument auf dem Dach des Universitätsgebäudes W02 in Wechloy kleine Ausschnitte des gesamten Himmels in den Blick nehmen, während es gleichzeitig vor Wind, Wetter und Streulicht geschützt ist. Seit einem guten Jahr arbeitet GHOST in wolkenfreien Nächten automatisch ein vorgegebenes Beobachtungsprogramm ab: Das Objektiv nimmt vor allem kleine Lichtpunkte ins Visier, die vergleichsweise schnell zwischen den nahezu unbeweglichen Sternen und Galaxien hindurchhuschen. Was die Forschenden der Arbeitsgruppe Astrophysik und Weltraumforschung der Universität verfolgen, sind erdnahe Asteroiden, die erst kurz zuvor von größeren Teleskopen entdeckt worden sind.
Potenziell gefährliche Asteroiden im Blick
Auf diese Weise trägt GHOST dazu bei, potenziell gefährliche Brocken in Erdnähe im Blick zu behalten. „Jede Woche werden bei sogenannten Himmelsdurchmusterungen mehr als hundert neue Objekte gefunden“, berichtet Hoffmann. Anschließend müssen jedoch die Existenz sowie Größe und genaue Bahndaten der verdächtigen Asteroiden noch einmal bestätigt werden. So können größere Weltraumorganisationen diejenigen Himmelskörper, die irgendwann einmal auf Kollisionskurs mit der Erde geraten könnten, genauer überwachen.
Das Problem: „Für die Folgebeobachtungen nach der ersten Entdeckung stehen nicht genug Observatorien zur Verfügung“, berichtet Prof. Dr. Björn Poppe, Leiter der Abteilung für Medizinische Strahlenphysik und Weltraumumgebung. Die Arbeitsgruppe befasst sich mit allem, was in der unmittelbaren Nachbarschaft der Erde herumschwirrt, etwa Elementarteilchen, Staubpartikel, Strahlung – und eben auch Asteroiden. Im Prinzip eignen sich für deren Beobachtung gut ausgerüstete Amateurteleskope oder kleinere professionelle Teleskope wie das der Universität. Allerdings sei es vergleichsweise kompliziert, aus der Vielzahl der Neuentdeckungen ein Objekt herauszusuchen, das sich vom eigenen Standort aus gut erspähen lässt, so Poppe.
Dieses Problem hat Hoffmann in seiner Bachelor-Arbeit gelöst: Er programmierte eine Erweiterung für eine weitverbreitete, freie Astronomiesoftware. Sein ausgeklügeltes Programm wählt geeignete Kandidaten aus einer Liste der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA aus, errechnet den optimalen Beobachtungszeitraum für den eigenen Standort und steuert anschließend das Teleskop so, dass es den entsprechenden Himmelsbereich in den Fokus nimmt – alles vollautomatisch. Um GHOST automatisiert betreiben zu können, musste Hoffmann unter anderem sicherstellen, dass sich das Beobachtungsfenster der Kuppel bei Regen automatisch schließt. Daher fließen etwa die Daten eines Regensensors und einer Wolkenkamera in die Steuerung ein.
Wenig Platz im Observatorium
„Bis alles lief, habe ich einige Nächte hier oben gefroren“, erzählt der Masterstudent. Im Observatorium ist neben dem etwa zwei Meter langen Objektiv des Teleskops und der Mechanik zur Steuerung gerade Platz für einen Hocker und einen kleinen Tisch mit Computer. Wenn das Beobachtungsfenster geöffnet ist, pfeift der Wind durch alle Winkel des kleinen Raums.
Inzwischen können Hoffmann und andere Nutzerinnen und Nutzer das Teleskop jedoch bequem von zu Hause aus steuern. Seit der Umrüstung zum robotischen System verfolgt GHOST vor allem bereits bekannte kleine Objekte im Sonnensystem – und war mit 576 derartigen Beobachtungen 2022 das aktivste Teleskop dafür in Nordeuropa. Außerdem hat es bereits 15 neue Asteroiden und Kometen aufgespürt. Unter den fünf Funden vom 18. Oktober waren zwei Kometen und ein wiedergefundener Asteroid, der bereits 2014 entdeckt, aber dann mangels weiterer Beobachtungen wieder verloren gegangen war.
Der eigentliche Clou an Hoffmanns Programm: Da es auf freien sowie kommerziell erhältlichen Hardware- und Softwarekomponenten beruht, kann es auch von vergleichbaren Teleskopen und Observatorien verwendet werden. „Allein hier in der Region gibt es mehrere Instrumente, die eine ähnliche Größe haben wie unseres. Der Gedanke ist, deren ungenutzte Kapazitäten anzuzapfen“, sagt der Masterstudent. Dass sein System tatsächlich auch anderswo verwendet wird, merkt er an Anfragen aus aller Welt, die immer mal wieder eintreffen.
Förderpreis für die Bachelorarbeit
Anklang fand das Ergebnis seiner Bachelorarbeit auch beim Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen: Im Dezember errang Hoffmann den 2. Platz beim Förderpreis der Einrichtung „für besondere Studienleistungen in den Bereichen Strömungsmechanik, Mikrogravitation, Raumfahrttechnik, Weltraumforschung und raumfahrtbezogene Umwelttechnik“.
In seiner Masterarbeit will Hoffmann sich ebenfalls erdnahen Asteroiden widmen. Zur Vorbereitung absolvierte er ein Praktikum beim „Planetary Defense Office“ der ESA in Italien – einer Einrichtung, deren Aufgabe es ist, erdnahe Asteroiden zu beobachten, Risiken abzuschätzen und im Falle eines Falles Notfallmaßnahmen einzuleiten. Für seine Abschlussarbeit hat er nun Zugang zu weiteren Daten – auch von größeren Teleskopen.