• Sechs nebeneinander stehende Stühle deuten ein Wartezimmer an. Die beiden mittleren Stühle sind nicht weiß. Einer trägt das deutsche, einer das niederländische Flaggenmuster.

    Macht es einen Unterschied, ob sich Patientinnen und Patienten in Deutschland oder in den Niederlanden in ärztliche Behandlung begeben? Das Cross-Border Institut der Universitäten Oldenburg und Groningen erforscht in den nächsten Jahren Unterschiede bei der Gesundheitsversorgung der beiden Länder. Foto: Adobe Stock / Mikhail Mishchenko

Deutsch-niederländische Gesundheitsforschung wird vertieft

Unter OIdenburger Leitung erforscht ein internationales Team Unterschiede bei Antibiotikaverschreibung, Behandlung von Operationspatienten, Management von multiresistenten Keimen, Pflegekräftemangel und Umgang mit Demenzerkrankten in Pflegeheimen.

Das Cross-Border Institute of Healthcare Systems and Prevention (CBI) der Universitäten Oldenburg und Groningen wird in den nächsten Jahren Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden bei den Themen Antibiotikaverschreibung, Behandlung von Operationspatienten, Management von multiresistenten Keimen, Pflegekräftemangel und Umgang mit Demenzerkrankten in Pflegeheimen untersuchen.

Außerdem bauen die Forschenden eine deutsch-niederländische Datenbank auf, die wichtige Gesundheits- und Versorgungsdaten für aktuelle und künftige Forschungen bündelt. Insgesamt sind mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Oldenburg und Groningen beteiligt. Der Titel des Vorhabens lautet „Comparison of healthcare structures, processes and outcomes in the German and Dutch cross-border region II“ (CHARE-GD II). Das Niedersächsische Wissenschaftsministerium (MWK) fördert das Projekt mit 1,4 Millionen Euro aus dem „Niedersächsischen Vorab“ der VolkswagenStiftung.

Antibiotikaresistenzen sind ein Schwerpunktthema

In insgesamt drei Teilprojekten treibt die Forschenden die Frage an, wie Antibiotikaresistenzen verhindert werden können. Diese entwickeln sich nicht zuletzt deshalb, weil Antibiotika zu häufig verschrieben werden. Zu beobachten ist, dass deutschen Kindern diese Medikamente häufiger verordnet werden als niederländischen und die Zahl der Verschreibungen insgesamt steigt, je näher man der Grenze kommt – und zwar in beiden Ländern. Mithilfe von Ärzte- und Patientenbefragungen will das Team herausfinden, inwiefern nicht nur medizinische, sondern auch etwa kulturelle oder politische Unterschiede einen Einfluss darauf haben, dass nach dem Arztbesuch ein Antibiotikum auf dem Rezept steht.

Besser als ein wirksames Medikament ist es, Infektionen von vorneherein zu vermeiden. Deshalb betrachten die CBI-Forschenden auch die Arbeitsabläufe des medizinischen Personals bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten, die sich einer Operation unterziehen müssen und deshalb grundsätzlich dem Risiko einer Wundinfektion ausgesetzt sind. Welche Arbeitsanweisungen gibt es in den Kliniken? Wie stehen die Abläufe im Zusammenhang mit den tatsächlichen Infektionszahlen? Fast nahtlos an diese Fragestellungen schließt sich ein Vorhaben an, bei dem die Forschenden die Häufigkeit multiresistenter Keime bei Patientinnen und Patienten sowie den Umgang mit diesen Keimen von der Prävention bis zur diagnostischen Abklärung untersuchen.

Pflegekräftemangel ist Herausforderung für beide Länder

Ein weiteres Teilprojekt beleuchtet eine der größten Herausforderungen im Gesundheitssektor: den Fachkräftemangel im Pflegebereich. Bereits 2015 hatte eine Studie ergeben, dass in Deutschland mehr als jede dritte und in den Niederlanden immerhin fast jede fünfte Pflegekraft darüber nachdenkt, ihren Beruf aufzugeben. Unzufriedenheit und die hohe Burnout-Rate zählten zu den genannten Gründen. Die CBI-Expertinnen und -Experten wollen jetzt Krankenhausbeschäftigte unterschiedlicher Hierarchieebenen in beiden Ländern befragen. Allein 2.500 Pflegekräfte sollen dabei zu Wort kommen. Die erhobenen Daten sollen beispielsweise Auskunft über unterschiedliche Personalstrategien und deren Erfolg geben, aber auch die Bereitschaft der Pflegekräfte abbilden, sich im Arbeitsalltag auf neue Technologien einzulassen, die sie bei ihrer Arbeit in den Krankenhäusern entlasten könnten.

Das weitere Teilprojekt führt die Forschenden in Pflegeheime der Region. Dort untersuchen sie, wie die Einrichtungen mit der Gefahr umgehen, dass demenzkranke Patientinnen und Patienten unbemerkt die Einrichtung verlassen und sich außerhalb nicht zurechtfinden. Oft sollen abgeschlossene Türen davor schützen. Diese Praktik wirft aber zahlreiche ethische Fragen auf. Mit Studien in acht Pflegeeinrichtungen will das Team unter anderem die unterschiedlichen moralischen Perspektiven bei diesem Thema sichtbar machen, aber auch den Austausch zwischen den deutschen und niederländischen Einrichtungen ermöglichen, damit diese voneinander lernen können.

CBI arbeitet international und interdisziplinär

Im 2019 gegründeten CBI forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen von den Universitäten Oldenburg und Groningen zu den strukturellen Unterschieden der Gesundheitssysteme und ihren Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten in der Ems-Dollart-Region. Versorgungsforschende, Public-Health-Experten, Biomediziner, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und Informationstechnologen arbeiten Hand in Hand, um Best-Practice-Modelle zu entdecken und zu entwickeln sowie die Grundlagen für eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu schaffen. Bereits im März erhielt das CBI eine Förderung in Höhe von rund einer Million Euro vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium für die kommenden drei Jahre für das Vorhaben CHARE-GD I. Die Umsetzung der nun geförderten CHARE-GD-II-Projekte beginnt im März 2022 und läuft bis 2025. Geleitet wird das Projekt von Wissenschaftlern der Universität Oldenburg: dem Mikrobiologen und Virologen Prof. Dr. Axel Hamprecht und der Versorgungsforscherin Prof. Dr. Lena Ansmann.

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