• Thea Reutepöhler erarbeitet als Regieassistentin gemeinsam mit den Darstellern die Szenen des Stückes. Foto: Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

Eine Biografie, zwei Perspektiven

Eine Menge Respekt für eine Komponistin der klassischen Musik, Dutzende Jugendliche und eine Universität: Das Musiktheaterprojekt „#Clara S.“ zeigt, dass diese Mischung sehr gut funktionieren kann.

Eine Menge Respekt für eine Komponistin der klassischen Musik, Dutzende Jugendliche und eine Universität: Das Musiktheaterprojekt „#Clara S.“ zeigt, dass diese Mischung sehr gut funktionieren kann.

„Mir fällt keine stärkere Person ein“, sagt Dr. Cornelia Bartsch über die Komponistin Clara Schumann. Bartsch, die derzeit die Professur für Kulturgeschichte am Institut für Musik verwaltet, ist eine der Initiatorinnen des Musiktheaterprojekts „#Clara S.“. In Kooperation mit der Universität und dem Oldenburgischen Staatstheater adaptieren Zwölftklässler der Integrierten Gesamtschule Kreyenbrück Schumanns Biografie derzeit für die Bühne. Anlass ist Schumanns Geburtstag, der sich 2019 zum 200. Mal jährt.

Das Leben der Komponistin bietet genügend Stoff für ein Musiktheaterstück: Schumann galt früh als musikalisches Wunderkind. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Komponisten Robert Schumann, bekam sie acht Kinder, die sie größtenteils alleine großzog – Robert erkrankte schwer und verstarb schließlich mit 46 Jahren und vierzig Jahre vor seiner Ehefrau. Experten sind der Meinung, dass Claras Fähigkeiten als Pianistin die ihres Mannes klar überstrahlten. Auch als Komponistin erlangte sie Beachtung. Für Bartsch war klar, dass sie sich an dem Projekt beteiligen möchte, das Michael Hagemeister vom Kulturmanagement-Büro meister:kultur ins Leben gerufen hatte. „Ein kranker Ehemann, eine große Familie und eine Gesellschaft, in der die Frau nicht den Lebensunterhalt verdienen sollte – mit all dem musste Clara zurechtkommen. Und doch hat sie es geschafft, ihren Weg zu gehen. Das finde ich zutiefst beeindruckend“, sagt sie.

In einem Probenraum in der Universität arbeiten zwei Schülerinnen und ein Schüler an einer Szene, in der Claras kontrollierender Vater während einer Geigenstunde handgreiflich wird. Noch zwei Wochen bis zur Premiere. Es ist Nachtmittag, Müdigkeit liegt in der Luft. Neben der Theaterpädagogin Stefanie Becker, die bei dem Stück Regie führt, sitzt die Lehramtsstudentin Thea Reutepöhler. Sie macht sich eifrig Notizen, immer wieder beraten sich die beiden kurz. Reutepöhler unterstützt Becker als Regieassistentin bei der Konzeption des Stücks und arbeitet gemeinsam mit den Schülern an den Szenen und bei den Proben. Sie studiert Musik und Mathematik auf Gymnasiallehramt und hat in dem Projekt bereits eine Menge über den Umgang mit Jugendlichen gelernt. Auch ihr fällt es nicht schwer, ihre Bewunderung für die Komponistin in Worte zu fassen. „Ich finde es sehr spannend, was sie als Frau zu dieser Zeit erreicht und welche Wirkung ihre Musik auch heute noch hat“, sagt sie.

Standbilder und Hausarbeiten

Bereits seit dem vergangenen Sommersemester beschäftigen sich die Studierenden mit der Komponistin. Bartsch und ihre Kollegin Christiane Abt boten musikwissenschaftliche und musikpraktische Seminare an, deren Arbeitsergebnisse die Schülerinnen und Schüler der IGS Kreyenbrück später nutzten, um Szenen und Musikstücke für die Bühne zu entwickeln. Für die Recherche schlüpften die Studierenden selbst in unterschiedliche Rollen. „Ich wende sehr gerne theaterpädagogische Praktiken in meinen Seminaren an“, erklärt Bartsch. Neben der klassischen Textarbeit spielten die Studierenden Szenen aus Schumanns Biografie nach oder entwickelten Standbilder, die die Beziehungen der verschiedenen Charaktere verdeutlichten. Bartsch schätzt es, auf diese Weise neue Ebenen des Materials zu entdecken. Das Ergebnis sei oft nachhaltiger als reine Textarbeit. „Meiner Meinung nach wirkt sich diese Art von Zugang sogar positiv auf die Hausarbeiten aus, die die Studierenden am Ende des Seminars einreichen“, sagt sie.

Wie Reutepöhler haben die Studierenden nun verschiedene Aufgaben in der Produktion des Musiktheaterstückes inne, beispielsweise als Gesangslehrer oder in der Redaktion des Programmheftes. Die Schülerinnen und Schüler wiederum übernehmen das Schauspielern und Musizieren. Seit Anfang des Schuljahres proben sie dafür im Fach „Darstellendes Spiel“ und im Musikunterricht.

Junge Erwachsene und klassische Musik

Während die Studierenden und die Zwölftklässler normalerweise getrennt an ihren Aufgaben arbeiten, tauschen sie an Workshop-Wochenenden ihre Ergebnisse aus. Dort stoßen unterschiedliche Perspektiven aufeinander: Studierende, die die Biografie Schumanns wissenschaftlich bearbeitet haben und Schüler, die ihre eigene Perspektive in ihr Spielen einfließen lassen. Bartsch ist von diesem Vorgang fasziniert: „Wir haben Schumanns Biografie und unsere Sicht der Dinge in die Schule getragen. Nun sehen wir auf der Bühne, wie die Schülerinnen und Schüler uns die Geschichte auf ihre Weise zurückerzählen.“ Für Bartsch ist es eines der Highlights des Projekts, junge Menschen an klassische Musik heranzuführen. „Die Jugendlichen haben uns berichtet, wie langweilig sie klassische Musik erst fanden, sich jetzt aber dafür interessieren. Und das finde ich großartig“, sagt sie.

Reutepöhler übt währenddessen weiter mit den Schülern, die Szene wird mehrmals wiederholt. Der Schülerin, die Claras Bruder Alwin spielt, schmerzen langsam die Arme vom imaginären Geigespielen. Die jungen Erwachsenen, die Regisseurin und Reutepöhler werfen sich gegenseitig Gestaltungsvorschläge für die Szene zu. Reutepöhler notiert sich erneut etwas auf ihrem Block. Sie mag diese Art der Herangehensweise: „Ich finde es spannend, so kreativ mit historischem Material zu arbeiten und herauszufinden, wie man ein wissenschaftliches Thema auf unterschiedliche Weise vermitteln kann. Als zukünftige Lehrerin profitiere ich davon sehr.“ Dennoch: die große Aufgabenvielfalt stellt sie auch vor eine große Herausforderung. „Ich habe viel über Zeitmanagement gelernt“, sagt sie. „Neben meinem anderen Studienfach, meinem „normalen“ Leben und meinen vier Bands muss ich gut navigieren, um alle Aufgaben unter einen Hut zu kriegen.“

„#Clara S.“ wird am 9. und 10. November in der Aula der Universität (Campus Haarentor, Gebäude A11, Ammerländer Heerstraße 69) aufgeführt. Die Vorstellung am 9. November beginnt um 19.30 Uhr, am Sonntag um 17 Uhr. Karten kosten an der Abendkasse 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Bei der Aufführung am 10. November wird außerdem der Förderpreis Musikvermittlung übergeben, mit dem das Projekt ausgezeichnet wurde. Er wird von der Musikland Niedersachsen gGmbH und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung verliehen.

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