Das Unikum mit seinen Kulturbühnen wird 40 Jahre alt. Wo früher Kegeln, Kabarett und Käsespieße in der „Bierschwemme“ zum Programm gehörten, haben heute vielfältige Kulturangebote eine Heimat gefunden – von und für Studierende.
Jürgen Boese wuchtet eine schwere, silberne Schiebetür zur Seite. Dahinter: weiße Fliesen. An der Wand prangt ein Kühlaggregat, dessen Gehäuse stark vergilbt ist. Man könnte meinen, dass hier in großem Stil Tiefkühlware für die Gastronomie aufbewahrt werden soll. Tatsächlich lagerten hier, im heutigen Backstagebereich der Unikum-Bühnen, mal Pommes, Currywurst, Käsespieße und Frikadellen. Aber das ist lange her. Heute sind es Dinge, die es für eine Show braucht: Scheinwerfer und Werkzeug, große Kabelknäuel, Kleiderstangen voller Kostüme, Masken und Perücken.
Wo nun vornehmlich Kulturveranstaltungen wie Theater, Comedy und Kino stattfinden, lockte in den 1980er Jahren noch die Kneipe „Bierschwemme“ in den Abendstunden auf den Campus – Kegelbahn inklusive. Und der Arbeitsplatz von Kulturreferent Boese, das Kulturbüro des Studierendenwerks, war einmal ein kleiner Imbiss. Von seinem Schreibtisch aus blickt er noch heute auf die ehemalige Durchreiche für frittierte Speisen. An den Fliesen auf der anderen Seite der Wand kleben Reste von Abdrücken einer Dunstabzugshaube und Fettspritzer aus längst vergangenen Zeiten.
Erste Kultur- und Kneipenabende in den 1980ern
Eigentlich sollte ursprünglich eine Bankfiliale in die Räume unterhalb der Uni-Cafeteria direkt beim Mensavorplatz ziehen. Doch der Plan ging nicht auf. Das Studierendenwerk eröffnete daraufhin 1985 einen eigenen Veranstaltungsraum. Das Ziel: Kabarettgastspiele und studentische Kulturschaffende auf die Bühne bringen. Gerhard „Gille“ Ritzmann, ein „ausgebildeter Lehrer mit großem Herz für die Kultur“, wie die NWZ in einem Bericht (2024) über die Unikum-Historie schrieb, eröffnete nebenan die Campuskneipe „Bierschwemme“. Er war es auch, der auch in der „Bierschwemme“ erste Lesungen ausrichtete und die Gäste mit frisch Gezapftem und in der Mensa hergestellten Frikadellen bewirtete.
Als Boese, der selbst an der Uni Oldenburg Diplompädagogik studiert hatte und sich den Schwerpunkt Kulturpädagogik gesetzt hat, 2013 Ritzmanns Posten übernahm, hatte die „Bierschwemme“ allerdings schon viele Jahre geschlossen. „Es lohnte sich nicht mehr“, erzählt Boese. Junge Studierende blieben zunehmend aus, umso mehr in den Semesterferien. Anfang der 1990er Jahre sei klar gewesen: Es muss sich etwas ändern. Hauseigene Handwerker und Hausmeister bauten die Räume um, rüsteten die Technik auf. Das Studierendenwerk etablierte die Stelle eines festen Kulturreferenten, „Gille“ besetzte sie. 1992 eröffnete das neue Unikum.
Theater, Kino, Comedy: Wachsende Vielfalt seit den 1990ern
Aktuell ist das Interesse, hier an den Kulturangeboten mitzuwirken oder welche zu besuchen, so groß wie noch nie."
Jürgen Boese; Kulturreferent beim Studierendenwerk
Heute haben sich die zwei Bühnen fest als Anlaufstelle für zahlreiche studentische Nutzergruppen und Gastspiele etabliert. Allein im Jahr 2024/25 besuchten laut dem Geschäftsbericht des Studierendenwerks 5.474 Menschen die Veranstaltungen, die vom Kulturbüro und dem Oldenburger Uni Theater (OUT) organisiert wurden. Nur während der Corona-Pandemie und infolge der Umstellung auf Bachelor und Master waren es merklich weniger. Jedes Mal konnte sich das Unikum davon schnell erholen. „Aktuell ist das Interesse, hier an den Kulturangeboten mitzuwirken oder welche zu besuchen, so groß wie noch nie“, freut sich Boese.
Das OUT, als feste Nutzergruppe des Unikums, bringt Theater und Kleinkunst auf die Bühnen. Studierende werden künstlerisch aktiv in der Theaterwerkstatt, wo sie von Grund auf lernen, wie man inszeniert, gestaltet und spielt. Sie produzieren auch selbst geschriebene Stücke. Das Kulturbüro selbst tritt ebenfalls als Veranstalter auf. So stehen beispielsweise das Improtheaterfestival SpontanOL, ein Kurzfilmwettbewerb, Bandcontests und Slams auf dem Programm. Im Unikino Gegenlicht, der zweiten großen Nutzergruppe des Unikums, wählen Studierende vielschichtige Filme aus und organisieren Filmabende – Popcorn inklusive.
Boeses Kulturbüro fungiert als Schaltstelle und Beratungsangebot, kümmert sich um die Raumvergabe und unterstützt mit Technik und Know-how. Es holt auch Kulturschaffende von außerhalb ins Unikum. „Wir setzen auf eine Mischung aus etablierten Kabarettistinnen und Kabarettisten und Newcomern und Newcomerinnen, die mit ihren Programmen junge Zielgruppen ansprechen“, sagt Boese. In diesem Jahr, anlässlich des Unikum-Jubiläums, performt beispielsweise der überregional bekannte Satiriker Florian Hacke. Viele der Künstlerinnen und Künstler, die zu Beginn ihres Schaffens im Unikum aufgetreten waren, haben danach steile Karrieren hingelegt: etwa der Entertainer Harald Schmidt und der Kabarettist Volker Pispers, die Komiker Till Reiners und Moritz Neumeier, das Zauberkünstler-Duo Siegfried & Joy und die Satirikerin Sarah Bosetti.
Pläne für die Zukunft
Boese will natürlich den mittlerweile hohen Standard halten. Das sei schwierig genug, denn: „Ein neues Projekt lässt sich schnell starten. Eine Veranstaltungsreihe dauerhaft zu etablieren, ist angesichts der wechselnden Studierendenschaft aber herausfordernd“, sagt der Kulturreferent. Er träumt von einem richtigen Foyer im Eingangsbereich. Bislang hält ein Provisorium aus einem alten Holztisch als Kasse an der Pforte her. Jacken nimmt das Publikum mit in die Sitzreihen. Boeses Wunsch für die Zukunft: „Noch mehr Vielfalt, Zusammenarbeit und Austausch, auch im interkulturellen Bereich!“ Denkbar seien beispielsweise neue Sparten im Programm oder eine intensivere Vernetzung mit anderen Standorten, um weitere Kooperationen anzubahnen.
Manches von früher soll aber ganz bewusst bleiben: neben den Kühlräumen beispielsweise das seit 30 Jahren laufende Format der „Oldenburger Kabarett-Tage“. Geblieben sind auch die moderaten Getränkepreise bei Aufführungen. Zu festlichen Anlässen, wie etwa der diesjährigen Unikum-Jubiläumsfeier, gibt es auch mal wieder Käsespieße, Kartoffelsalat und Frikadelle. „Mittlerweile natürlich auch vegan“, versichert Boese.