Ein eingespieltes Team: Die Chemikerin Katharina Al-Shamery ist neben dem Soziologen Martin Heidenreich Ombudsperson für die Wissenschaft. Hier berichtet sie über ihre Rolle.
„Seit drei Jahren sind Martin Heidenreich und ich als Ombudspersonen die zentralen Ansprechpartner für das Thema gute wissenschaftliche Praxis an der Uni. Wird ein Fall an uns herangetragen, klären wir zunächst, worum es geht. Sollte es einen Verdacht auf ernsthaftes wissenschaftliches Fehlverhalten geben – etwa das Fälschen von Daten – geben wir dies an die Kommission für gute wissenschaftliche Praxis. Das kommt sehr selten vor. Die Kommission entscheidet, ob der Verdacht begründet ist und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Die anderen Fälle versuchen wir zu moderieren und Konflikte möglichst zu lösen – natürlich vertraulich. Wir haben mit zwei großen Bereichen zu tun. Zum einen geht es um Streitigkeiten bei Publikationen: Wer darf Koautor sein, welche Inhalte soll eine Veröffentlichung haben? Zum anderen geht es um Situationen, in denen Betreuungsverhältnisse nicht optimal sind. Auch diese können zu wissenschaftlichem Fehlverhalten führen.
Die Partei, die sich an uns wendet, stellt das Problem zunächst dar – warum aus ihrer Sicht ein Konflikt mit der guten wissenschaftlichen Praxis vorliegt. Zum Beispiel, dass Koautoren nicht adäquat berücksichtigt werden. Den Vorwurf geben wir an die Gegenpartei, die Stellung nimmt. Dann laden wir beide Seiten ein und versuchen, im Gespräch zu einer Klärung zu kommen. Manchmal finden wir Lösungen. Manchmal lässt sich der Streit nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen.
Martin Heidenreich und ich sind ein eingespieltes Team. Wir treten immer zu zweit auf – auch, um unterschiedliche Sichtweisen auf einen Fall zu erhalten. Denn in diesen persönlichen Gesprächen geht es auch um Körpersprache und weitere Dinge, die auf einer anderen Ebene ablaufen, aber wichtig sind, um den Konflikt zu verstehen.
Eine sehr wertvolle Erfahrung
Insgesamt hat die Anzahl der Konfliktfälle in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Einerseits gibt es ein stärkeres Bewusstsein für das Thema – auch vermittelt durch entsprechende Kurse, die etwa die Graduiertenschulen oder Sonderforschungsbereiche für Promovierende anbieten. Andererseits gibt es mehr Mut bei den Beteiligten, Fehler anzusprechen, da die Ombudspersonen eine vertrauliche Umgebung bieten.
Für die Zukunft wünsche ich mir grundsätzlich noch mehr Prävention –beispielsweise indem Neuberufene für ihre neuen Aufgaben gezielt geschult werden. Auch sollten hierarchische Strukturen vermieden werden, in denen beispielsweise Vorgesetzte starken Druck auf Promovierende ausüben, um ein Ergebnis für die eigene Reputation zu gewinnen.
Ich wünsche mir auch, dass man Nachwuchsforschenden mehr zuhört, um herauszufinden, was sie bewegt, welche Probleme sie haben. Bei Promotionen gibt es oft Frustrationsphasen. Für Promovierende wären etwa institutionalisierte Ansprechpersonen außerhalb des eigenen Arbeitskreises sinnvoll und Mentoring sollte eine noch größere Rolle spielen.
Die Arbeit als Ombudsperson ist eine sehr wertvolle Erfahrung. Mein Bewusstsein für die Verantwortung, die ich als Chefin für meine Arbeitsgruppe und für ein gutes Miteinander trage, ist gewachsen. Auch wenn ich nicht weiß, ob mir alles selbst gut gelingt. Wer diese Aufgabe übernimmt, sollte viel Erfahrung haben – dann ist man entspannter. Eine Mediations-Schulung wäre vor Antritt ebenfalls hilfreich.“
Aufgeschrieben von Constanze Böttcher