Call for Papers
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„Unversöhnlichem Denken ist die Hoffnung auf Versöhnung gesellt […].“
Theodor W. Adorno
In der Einleitung seiner Negativen Dialektik formuliert Adorno 1966 den Anspruch, dass einzig eine rückhaltlose Kritik an den bestehenden Verhältnissen einen Ausblick auf die Befreiung der Menschen gewährt. Damit stellt er sich in die Tradition des kategorischen Imperativs, welche die Maximen richtigen Handelns in einem radikalen Gegensatz zwischen Sittlichkeit und Wirklichkeit zu bestimmen versucht.
Der geplante Kongress für Studierende und Promovierende soll in Anlehnung an diese Tradition der Frage nachgehen, inwieweit eine schonungslose Austragung von Gegensätzen dazu beitragen kann, diese entweder zu lösen oder aber auszuhalten. Dazu ist es notwendig, verschiedene Auffassungen des Verhältnisses von Kritik und Versöhnung gegeneinander zu stellen. Darf unversöhnliches Denken kompromisslos sein, wo doch Identifikation angesichts des Verlusts eines verbindlichen geistigen Kosmos‘ durch den Sturz sowohl der religiösen Glaubenssysteme wie der philosophischen Geistesmetaphysik ein allzu berechtigter Wunsch ist? Wohlweislich wird der Renitenz einer Generalkritik an den gegebenen Verhältnissen eine destruktive Wirkung vorgehalten, insofern sie die allen gleichermaßen zustehende Versöhnung von Ich und Wirklichkeit verwehrt; doch dieser Einwand erhält selbst eine zynische Wendung: „So komm‘ wir doch nicht weiter, das weiß doch jedes Kind / Es wird Zeit für Harmonie mein Freund, sonst sterben wir noch blind! / Also feier‘ den Scheiß - so komisch es klingt - / und tanz einfach ab zu jedem Song der swingt“ (Käpt’n Peng).
Aktuelle ästhetische Reflexionen spiegeln eine wesentliche Verlusterfahrung, deren Ursachen durch eine mal postmoderne, mal postdemokratische Interpretation der Gesellschaft nur unzureichend erfasst werden. Die vielerorts zu konstatierende Unfähigkeit, sich über Ungerechtigkeit und Unrecht zu empören, ist keineswegs nur mit der Trägheit und Faulheit der Einzelnen zu erklären, sondern muss auch auf die Verfasstheit einer Gesellschaft zurückgeführt werden, deren Sachzwänge und Funktionsmechanismen das subjektive Bewusstsein präformieren, seine kritischen Potentiale domestizieren und für eine falsche Versöhnung vereinnahmen. Um zu vermeiden, dass eine wahrhafte Versöhnung der Interessenkonflikte durch deren Einebnung in Verwaltungsvorgängen des Politik- und auch Wissenschaftsbetriebs konterkariert wird, ist es erforderlich, trotz und wegen aller Diversität möglicher theoretischer Perspektiven auf den Wahrheitsanspruch von Kritik zu insistieren. So nimmt sich der Kongress zum Anlass, durch eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema Kritik und Versöhnung Bestimmungen dieses Begriffspaars sowie deren gesellschaftspolitische Konsequenzen herauszuarbeiten. Damit soll zugleich der gesellschaftskritische Auftrag der Wissenschaft in Erinnerung gerufen und fortgetrieben werden.
Willkommen sind Abstracts zu folgenden (und darüber hinausgehenden) Themen aus sämtlichen Fachperspektiven:
- Systematische und philosophiehistorische Bestimmungen der Begriffe Kritik und Versöhnung
- Versöhnung in Politik und Geschichte (z.B. über Wahrheits- und Versöhnungskommissionen)
- Theologische Verständnisse von Kritik und Versöhnung (z.B. Soteriologie, Theodizee, kontextuelle Theologie)
- Versöhnung zwischen den Religionen und Kulturen
- Psychologische Dimensionen: Versöhnung und Entfremdung von Ich und Realität
- Kritik an binärer Geschlechtskonstruktion und Versöhnung von Trans- und Cis-Geschlechteridentitäten
- Künstlerisch-ästhetische Reflexion von Kritik und Versöhnung (von bildender Kunst bis Popkultur)
Einreichung von Abstracts
Für jeden Vortrag ist eine Dauer von ca. 25 Minuten anberaumt. Anschließend wird es ausreichend Raum zur Diskussion geben.
Kongresssprachen sind Deutsch und Englisch. Einsendeschluss für die (formlosen) Abstracts in einer Länge von etwa einer DIN-A4 Seite ist der
15. November 2014
Sendet Eure Texte unter dem Betreff „Abstract“ bitte an:
KritikUndVersoehnung2015@uol.de
Ein vielfältiges Rahmenprogramm soll die inhaltliche Auseinandersetzung ergänzen.
Informationen findet Ihr auch auf facebook.com/kritikundversoehnung