Landesausstellung Text
Landesausstellung Text
Text entnommen aus:
Oldenburg um 1900.
Beiträge zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Situation des Herzogtums Oldenburg im Übergang zum industriellen Zeitalter.
Hg. von der Handwerkskammer Oldenburg u.a., Oldenburg 1975, S. 173-188.
Die Oldenburgische Landesgewerbeausstellung von 1905
Von Karl Steinhoff
Im 19- Jahrhundert gehörte es zum guten Stil größerer Firmen, daß auf dem Kopf der Briefbogen und Rechnungen ein Kranz von Medaillen abgebildet war, Hinweise auf Erfolge bei früheren Ausstellungen. Auf Flaschenschildern kann man sie hier und da noch heute sehen. Sie lassen erkennen, welche wirtschaftliche, werbeträchtige Bedeutung man damals den Ausstellungen beimaß.
Seit etwa 1820 gibt es Gewerbeausstellungen in allen europäischen Ländern. Sie entwickelten sich aus den mittelalterlichen Warenmessen, die im Anschluß an Kirchenfeste abgehalten wurden. Einmal dienten sie der Werbung, die vor 150 Jahren noch in ihren Anfängen steckte, sodann sollten sie - und deswegen wurden sie staatlich gefördert - einen Ausschnitt aus dem Wirtschaftsleben eines bestimmten Gebiets geben und Anreize zu mustergültiger Produktion liefern. Schon 1842 war durch den "Gewerbe- und Handels-verein" eine Ausstellung in Oldenburg veranstaltet worden, die aber nur geringe Beteiligung fand. Auch weitere Veranstaltungen (1847, 1854) verliefen wenig günstig. Dagegen wurde eine Gewerbeschau von 1865 als gelungen bezeichnet: Der Großherzog hatte dazu die Reitbahn zur Verfügung gestellt; es wurden 4800 Besucher und 183 Aussteller gezählt, und der Zuschuß beschränkte sich auf knapp 200 Thaler. Von größerer Bedeutung war die Ausstellung vom 10. bis 24. 9. 1876, für die eine besondere Ausstellungshalle von l 600 m2 beim "Neuen Haus" am Pferdemarkts-platz errichtet wurde. Auf ihr waren 315 Aussteller verbeten, und sie hatte täglich etwa l 800 Besucher. - Ein richtiger Erfolg war dann im Zeichen des deutschen wirtschaftlichen Aufschwungs die "Gewerbe- und Kunstausstellung" vom 15. 8.-20. 9. 1885. Zu ihr wurden eigene Bauten mit 4600 m2 Bodenfläche errichtet, l]nd zwar auf dem Pferdemarktsplatz unter Einbezie-•lung der sog. Exerzierhalle. Man hatte auch Gartenanlagen geschaffen, Konzerte wurden gegeben, und zum ersten Male erstrahlten hier elektrische Bogenlampen. es gab Wein- und Bierstuben, 14 "Extrazüge" fuhren,
man zählte 415 Aussteller und rund 60000 Besucher. Ein Überschuß von 25523 Mark wurde erzielt. Man sieht, daß sich inzwischen ein bestimmter Ausstellungsstil mit zahlreichen Veranstaltungen zu Unterhal-tungs- und Bildungszwecken herausgebildet hatte. Dadurch wurde vor allem das finanzielle Wagnis erheblich begrenzt. Solche Erwägungen führten angesichts des großen wirtschaftlichen Auftriebs, den das Land Oldenburg seit 1885 erfahren hatte, fast 20 Jahre später in Kreisen der heimischen Industriellen zu der Anregung, eine große Gewerbe- und Kunstausstellung für das Großherzogtum in der Hauptstadt zu veranstalten. Es traf sich glücklich, daß Oldenburg damals in der Person des Geh. Kommerzienrats August Schultze einen Industriekaufmann von ungewöhnlicher Tatkraft und Weitsicht besaß und daneben einen hervorragenden, überaus fleißigen Organisator, Prof. Dr. Dursthoff, den damaligen Geschäftsführer der Handelskammer. Nach einer vertraulichen Sitzung vom 12. 2. 1904 beschloß die Kammer in der Vollversammlung vom 12. 3. d. J., die Ausstellung zu organisieren, falls Zuschüsse vom Staat in der Höhe von 15000 Mark, von der Stadt Oldenburg von 10000 Mark bewilligt würden und daneben aus den Kreisen der Industrie und des Großhandels ein Garantiefonds von 130000 Mark zusammengebracht werden könnte. Beide Voraussetzungen wurden in kurzer Zeit erfüllt, so daß die von der Kammer gewählte "Große Kommission" ihre Arbeit aufnehmen konnte. Sie bestand aus 84 Personen. Ihr Vorsitzender war A. Schultze, seine Vertreter der Vizekonsul Heinrich Thyen und der Kaufmann Georg Mahlstedt. Geschäftsleiter war Dr. Dursthoff; zwei Beamte der Kammer standen ihm für das Ausstellungsbüro zur Seite. Die Handelskammer war in dieser Kommission mit 33 ihrer Mitglieder vertreten, zu denen weitere 20 von der Kammer gewählte Vertreter kamen, dazu 20 Vertreter der Handwerkskammer, 6 der Landwirtschaftskammer, 9 des Kunstgewerbevereins und 20 "aus anderen Kreisen". Genannt seien von diesen u. a. der Oberkammerherr Freiherr von Bothmer, der Hofmarschall Freiherr von Rössing, Oberregierungsrat Driver, Kommer-zienrat Lahusen, Prof. Bernhard Winter und die Bankdirektoren Jaspers (der Vater des Philosophen), Merkel und Schiff - Elsfleth, Die Kommission wäre bei dieser Zusammensetzung kaum arbeitsfähig gewesen; es kamen aber selten mehr als 20 Mitglieder zu den Sitzungen, deren erste am 20. 6. 1904 im Ausstellungssaal des damaligen Landes-Gewerbemuseums (Ecke Stau-/Got-torpstraße) stattfand.
Daneben wurden Sonderausschüsse gebildet: ein Geschäfts-, Finanz-, Bau-, Verkehrs-, Kunst-, Kunstgewerbe-, Vergnügungs-, Ausschmückungs-, Wirtschaftsund Presseausschuß. Außerdem wurde je eine siebenköpfige Kommission für die Fürstentümer Lübeck und Birkenfeld gewählt; letzterer gehörten u. a. zwei Weinhändler und ein Diamantschleifer an. Eine nennenswerte Beteiligung an der Ausstellung aus diesen Landesteilen kam aber - wohl wegen der großen Entfernung - nicht zustande.
Auf dem Ausstellungsgelände sollte ein kleines Verwaltungsgebäude für den laufenden Betrieb vorgesehen werden.
Der Großherzog übernahm das Protektorat der Ausstellung. Als Firmierung wurde festgesetzt "Landes-Industrie-Gewerbeausstellung, verbunden mit einer nordwestdeutschen Kunstausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Altertümer". Auf den Geschäftsführer und seine engeren Mitarbeiter kam nun eine Fülle von Aufgaben zu, zumal die Ausstellung bereits im Juni des nächsten Jahres eröffnet werden sollte. Es mußte gesorgt werden für ein geeignetes Gelände; die Ausstellungsgebäude mußten bis dahin fertig sein, wozu ein ausgereifter Lageplan gehörte; Aussteller waren zu werben, die Presse zu informieren, Werbeschriften herzustellen, Verkehrsverbindungen zu schaffen, Einrichtungen für die Unterhaltung der Besucher vorzusehen und dergl. - Die Niederschriften der Ausschußsitzungen wurden in Gabelsberger-Stenogra-fie den Akten beigefügt, jedoch nicht in Druckschrift übertragen. Im übrigen vollzog sich der Schriftwechsel
der Kammer (wie auch der des Stadtmagistrats Oldenburg) bereits in Schreibmaschinenschrift; sonst herrschte der in sauberer Handschrift kopierte Brief noch vor.
Als besonders dringend erwies es sich, einen Voranschlag aufzustellen. Dieser schloß in Einnahme und Ausgabe mit je 302100 Mark ab. Die Hauptposten mögen hier wiedergegeben werden. Einnahmen:
Zuschüsse 25000 Mark
Platzmiete der Aussteller 15000 Mark
Miete der Wirtschaften und Kaffees 20 000 Mark Lotterie 20000 Mark
Eintrittsgelder 146850 Mark
Postkartenverkauf 20000 Mark
Kataloge 13000 Mark
Ausgaben:
Ausstellungsgebäude 100000 Mark
Platzanlagen 10000 Mark
Wege und Rasen 20000 Mark
Kanalisation 6000 Mark
Versicherungsprämien 10000 Mark
Musik und Feuerwerk 24500 Mark
Beleuchtung und Kraftverbrauch 30000 Mark Bürokosten, Gehälter 17000 Mark
Reisekosten der Jury 10 000 Mark
An der Großen Ausstellungskommission, die den Voranschlag aufstellte, waren zwar Vertreter der Handwerks- und der Landwirtschaftskammer beteiligt, doch kam es leider nicht zu der von der Handelskammer angestrebten Mitwirkung der befreundeten Kammern, so daß letzten Endes das finanzielle Wagnis der Ausstellung bei der Handelskammer blieb. Bei den Vorverhandlungen mit der Landwirtschaftskammer waren maßgeblich die Ökonomieräte Funch-Loy und Oetken-Oldenburg beteiligt. Der Verband der Handelsgärtner beschloß, nicht "in corpore" aufzutreten, stellte seinen. Mitgliedern die Beschickung der Ausstellung aber dringend anheim. Der Landeskulturfonds wollte die Moorkultivierung darstellen, mit der Oldenburg vorbildlich vorangegangen war. Auch Molkereierzeugnisse sollten gezeigt werden. Die Landwirtschaftskammer selbst beschloß indes am 12. 1. 1905, von einer unmittelbaren Beteiligung abzusehen. Dagegen wurden von verschiedenen Ausstellern zahlreiche landwirtschaftliche Erzeugnisse und Geräte gezeigt, u. a. Drainröhren und Rieselwiesen-Anlagen, Breitdrescher, Häcksel-, Getrei-dereinigungs- und Tabakmaschinen, dazu Staubmühlen, Haferquetschen, Sägegatter und Bphnenschneide-maschinen. Großes Aufsehen erregte der angeblich größte Schinken der Welt aus dem Ammerland, 63 Pfund schwer. Auch Obst und Gemüse sollten gezeigt werden, dazu Getreide und Feldfrüchte, Eier und Federn.
Wenig erfreulich waren die Verhandlungen über eine Mitwirkung der Handwerkskammer. Zwar wollten rund 50 Handwerker die Ausstellung beschicken. Die Vertreter der Kammer in der Kommission stellten aber schwierige Forderungen. Einmal verlangten sie, daß sämtliche Anmeldungen in den Ausschußsitzungen verlesen würden, was die Handelskammer als zu zeitraubend rundweg ablehnte. Sodann wünschten sie, daß die Handwerkskammer den zweiten stellvertretenden Vorsitzenden stellen solle. Auch das glaubte die Handelskammer mit Rücksicht auf ihr Gewicht und auf die Risikoverteilung nicht zugestehen zu sollen. Über diesen Punkt gab es sogar einen Zeitungskrieg in den "Nachrichten für Stadt und Land". So wurde die Ausstellung letzten Endes von der Handelskammer allein getragen. Die erste Sorge der Ausstellungskommission war, ein geeignetes Gelände zu finden. Es sollte verkehrsgünstig gelegen und etwa 10 ha groß sein. Demnach war der bei früheren Ausstellungen in Anspruch genommene Pferdemarkt (2 ha) viel zu klein. Dagegen bot sich zunächst dle sog. Dammkoppel ("Torfplatz") zwischen dem heutigen Amtsgericht und der Schleusenstraße an, während die Dobbenwiesen, die sehr niedrig lagen und kostspielige Aufschüttungen erfordert hätten, anfangs zurücktraten. Schon hatte man sich für den Torfplatz emschieden, als bekannt wurde, daß ein nicht näher
bezeichnetes "Konsortium" die Dobbenwiesen - etwa 8 ha - aufgekauft und der Ausstellungsleitung für eine niedrige Summe zur Verfügung gestellt habe. Damit man mit dem Bau der Ausstellungsgebäude rechtzeitig beginnen konnte, mußten nach den ersten Schätzungen bis zu 150000 t Erd- und Sandmassen bis zum Januar 1905 aufgeschüttet werden. Das war nur möglich, wenn der Großherzog gestattete, durch das Eversten-holz Lorengeleise zu legen. Dies wurde mit einigem Bedenken zugestanden. So heißt es denn in dem Volkskalender "Der Gesellschafter" (1906, S. 155): "Unabläß-lich durchschnitt der Warnungspfiff keuchender Lokomotiven die idyllische Ruhe des Everstenholzes, und hinter den Lokomotiven rollten lange Züge von Sandwagen heran, entleerten ihre Ladung auf die sumpfigen Wiesen und rasten wieder davon, um mit neuem Füllmaterial gleich wieder zu kehren. Zoll um Zoll hob sich der Boden..." Insgesamt wurden 26000 m3 Erde bewegt und die Dobbenwiesen teilweise bis zu 50 cm auf-gehöht.
Der Lageplan, der jetzt aufgestellt werden konnte, zeigt als Begrenzung des Ausstellungsgeländes im Osten die Gartengrenzen der westlich an der Lindenallee gelegenen Grundstücke, und zwar vom Everstenholz, von dem ein kleiner Teil in das Gelände einbezogen wurde, bis zur Höhe der beiden Dobbenteiche, eine gerade Linie von etwa 250 m. Diese Teiche (Kaysers Teich und Wittschiebes Teich), durch einen schmalen Kanal miteinander verbunden, bildeten die nördliche Grenze, etwa 320 m lang. Die westliche (180 m) war durch das Ende der Dobbenwiesen und die südliche durch den Rand des Everstenholzes (400 m) gegeben. Das gesamte einzufriedigende Areal umfaßte rund 9 ha. Der Haupt-und einzige öffentliche Eingang befand sich im Zuge der Roonstraße (heute Hindenburgstraße) in der Höhe des Hauses Nr. 26.
Nachdem man durch die Anmeldungen von 700 Ausstellern, von denen über die Hälfte zurückgewiesen werden mußten, und durch die Zusagen von Unterhaltungsunternehmungen eine Übersicht über Zahl und
Situationsplan der Landesgewerbeausstellung 1905
Größe der zu errichtenden Gebäude und Anlagen gewonnen hatte, stellte ein Sonderausschuß am 12. 9. 04 endgültig den Lageplan fest. Alle Hauptwege sollten 12 m, die Nebenwege 8 m breit sein, die Ufer der Teiche durch Anpflanzungen verschönert werden. Der Hofgartendirektor Ohrt wurde beauftragt, die durch Bauten und Wege nicht beanspruchten Räume als große Rasenflächen anzulegen und dazu gärtnerische Anlagen und Blumenbeete zu schaffen. Auch eine Blumenuhr, deren Uhrwerk von der Firma Harms geliefert wurde, gehörte hierzu. Eine Platz- und Verkehrsordnung setzte u. a. die Besuchszeiten auf 9-23 Uhr fest. Einem Antrage, die Polizeistunde für die Ausstellungsbesucher durchweg zu verlängern, konnte zwar nicht stattgegeben werden, doch ließ der Stadtmagistrat durchblicken, man werde bei der Handhabung des Feierabendgebots nicht kleinlich verfahren. Es erwies sich als notwendig, insgesamt 37 Gebäude-mit einer Grundfläche von 14000 m2 zu errichten. Die Aufschüttung des Geländes war planmäßig bis Ende Januar 1905 beendet. Die Gebäude mußten also in wenigen Monaten fertig sein; vor allem sollte die große Industriehalle schon bis zum 15. 4. für die umfangreiche Aufstellung der Maschinen und ihrer Fundamente bereitstehen. Diese außerordentlich kurzen Fristen hätten auch heutigen Unternehmern wohl ernste Sorgen gemacht.
Dazu kam als weitere Schwierigkeit, daß sich im Baugewerbe eine Art Lohnkampf abzeichnete, als die kurzen Bauzeiten bekannt wurden. Befürchtungen, "die Gesellen könnten den Zeitdruck für höhere Lohnforderungen ausnutzen", bewegen die Ausstellungsleitung zu dem Entschluß, die Bauten an auswärtige Unternehmer zu vergeben. Dieser Beschluß führte dann schließlich zu einer Verständigung zwischen Meistern und Gesellen, so daß Oldenburger Baufirmen die Aufträge erhielten. Am 31. 1. wurde u. a. die Errichtung der großen Industriehalle vergeben; am 15. 4., nach zweieinhalb Monaten mit winterlichem Wetter, stand sie fertig da! Fast alle Gebäude wurden - wohl wegen des nicht ganz sicheren Untergrunds - als Fachwerkbauten errichtet, die Wandflächen mit hellem Putz. Der Einfluß des Jugendstils war nicht zu verkennen: Es ist von "nordischen Formen" die Rede, das Verwaltungsgebäude war "mit Borken bedeckt". Überraschend ist jedoch, daß die meisten Bauten mit schlichten und geraden Linien reine Zweckformen darstellten und daher, wenn man yon dem aus Gründen der Konstruktion gewählten Fachwerk absieht, durchaus modern wirkten. Dies war der Einfluß des von Dr. Dursthoff berufenen 36jährigen Baumeisters Peter Behrens, der damals die Kunstgewerbeschule in Düsseldorf leitete und für eine neue sachliche Baugesinnung, die das Bauwerk allein von der Aufgabe her gestaltet, bahnbrechend wurde. Auch die Bemalung der Gebäude und Pavillons geschah großenteils nach seinen Entwürfen.
Die Versicherungssumme für die Ausstellungsgebäude betrug über 2 Mio. Mark, und die von den Ausstellern «hobene Platzmiete (l m2 in geschlossenen Hallen |2 Mark, 5 m2 38, jeder weitere 4 Mark, l m2 im Freien J Mark, jeder weitere m2 l Mark) reichte nicht einmal ails> um die Versicherungsprämie zu zahlen. - Eine ständige Feuerwache wurde eingerichtet, und die städtische Feuerwehr erhielt eine besondere Instruktion. Abgesehen von einem rasch gelöschten abendlichen Brand im Gebäude der Bremer Linoleumfabrik blieb die Ausstellung glücklicherweise von Feuersnot verschont.
In der großen Haupthalle waren unterzubringen: Nah-rungs- und Genußmittel, Textilien (Spinnerei, Färberei, Schneider und Schuhmacher), Möbel, Drechslerei, Bautischlerei, Juweliere, Buchdrucker, Korbwaren, Klaviere; dazu eine Sonderschau der Nordenhamer Kabelwerke. Auf die Ausstattung dieser Haupthalle war besonderer Wert gelegt worden. Die Wände und Decken waren mit Jutestoff bespannt. Im "Fürstenzimmer" gab es eine Stuckdecke, einen Sandstein- und einen Kachelkamin, Bleifenster der Kunstglaserei Koch, die u. a. eine Landschaft bei Halsbek darstellten, und Stilmöbel der Firma Landsberg - Schüttingstraße. - In einer offenen Halle waren landwirtschaftliche Maschinen und Gegenstände der Torfindustrie sowie der Moorkultur ausgestellt. Besonders eindrucksvoll war die Maschinenhalle. Hier hatte die Firma Robert Allmers -Varel (Verlag des "Gemeinnützigen") eine moderne Setzmaschine ausgestellt, die in Tätigkeit vorgeführt wurde; die Firma Wolff - Magdeburg zeigte eine Heißdampf-Lokomobile (120 PS) und die Maschinenfabrik Luther - Braunschweig eine Sauggas-Motoranlage (80 PS) nebst Dynamo und einer 5 m2 großen Schalttafel; aus der Stromerzeugungsanlage wurden 60 große und 30 kleine Bogenlampen gespeist, dazu 120 "Nernst-Inten-sivlampen" und 1500 Glühlampen. Außerdem wurden schon elektrische Koch- und Heizgeräte sowie Mangel-und Plättmaschinen vorgeführt. Eigene Stände in der Maschinenhalle hatten u. a. die Firmen S. J. Ballin & Co. - Oldenburg, Holthaus - Dinklage, Heinen - Varel (Tabaktrockriungsmaschinen), S. Schwabe & Söhne - Varel (Treibriemen) usw.
Die Vielseitigkeit der Gewerbeausstellung wird daraus deutlich, daß insgesamt XXIII Gruppen mit je einem verantwortlichen Leiter gebildet waren; so wurden z. B. bestellt für die Gruppe II "Stein-, Ton- und Glaswaren" der Ziegeleibesitzer Dinklage, für III (Chemische Industrie) Bornemann - Hude, für XVIII (musikalische Instrumente) Ivlavierfabnkant Hegeler, für XXI (Landwirtschaft, Moor- und Heidekultur) Moorkulturinspektor Glaß. - Die Liste der Aussteller zeigt zahlreiche weitere Namen, die den Oldenburgern auch heute noch bekannt sein dürften, z. B. Torfwerk Strenge; die Glashütte in Oldenburg, die damals 24 Millionen Flaschen jährlich herstellte; vier oldenburgische Konservenfabriken, darunter Siefken - Varel (Krabben); Fleischwarenfabrik Siems - Apen; die Brennereien Hilbers und Hull-mann - Etzhorn; Waschanstalt Eckhardt - Oldenburg; Tabakfabrik Clodius - Lohne (200 Arbeiter); Jutespinnerei und -vveberei - Delmenhorst; Norddeutsche Wollkämmerei (2490 Beschäftigte); Warpsspinnerei - Oldenburg; Weberei Tameling & Stöve - Varel; Kork-und Linoleum werke - Delmenhorst; Maschinenfabrik Beeck - Oldenburg; desgleichen Uhlhorn - Varel. Die Druckerei Adolf Allmers - Varel hatte allein eine Fläche von 200 m2 besetzt. Die Firma Stalhng- Oldenburg wies hin auf über 100 Beschäftigte und auf den Grand Prix der Weltausstellung von St. Louis (l904). - Die Elektrotechnik stand damals noch im Anfang ihrer Entwicklung, bildete aber schon einen besonderen Zweig. Musikinstrumente wurden von den Firmen Kandel-hardt und Hegeler & Ehlers (Klavierfabrik) ausgestellt. Bemerkenswert ist angesichts des noch in ersten Anfängen steckenden Autoverkehrs, daß nicht weniger als 15 oldenburgische Wagenbaufirmen ihre Erzeugnisse anboten: Luxus-, Geschäfts-, Reklame-, Krankentransport-, Leichen-, Last-, Acker- und Jagdwagen; Halb-Chaisen und Cabrioletts.
Zahlreiche weitere damals bedeutende Firmen sind heute nicht mehr vorhanden, u. a. die Seifenfabrik Ludewig - Varel, die Ziegeleien Brumund - Varelerhafen sowie Schmidt & Müller - Zetel; hierher gehören auch eine Reihe von Honigkuchenfabriken. - Als Kuriosum sei noch erwähnt die Erfindung des Schuhmacher- und Innungsmeisters Brummelhop - Oldenburg, der den Kinderwagen "Lebensretter" ausstellte. Dieser war mit einem Schutzgeländer gegen das Herausfallen des Kindes ausgestattet, und das Verdeck konnte gegen die Windrichtung verstellt werden - D. R. P. angemeldet... Die Stadt Oldenburg warb in einer Sondcraussteliiing, die in einem Pavillon untergebracht war, für die moderne Verwendung von Gas und Wasser, und die "Nachrichten für Stadt und Land" widmeten dieser Abteilung, die sich ja als äußerst zukunftsträchtig erweisen sollte, eine eigene Darstellung (24. 6. 1905, 3. Beilage). In diesem Zusammenhang soll auf die Initiative hingewiesen werden, die ein leitender Kommunalbeamter mit großem Weitblick für hygienische Einrichtungen entfaltete. Oberbürgermeister Tappenbeck - Oldenburg hatte in den vorhergehenden Jahren zweimal beim Stadtrat angeregt, für ein Brausebad an einer Volksmädchenschule 6400 Mark zu bewilligen; zweimal wurde sein Antrag von den Volksvertretern abgelehnt. Nun machte er einen neuen Anlauf aus Anlaß der Gewerbeausstellung. Am 28. 4. 1905 schreibt er u. a. an die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder in Berlin: "Meine Bemühungen, in weiteren Kreisen Verständnis für die Segnungen des Badens zu wecken, vor allem der Jugend ein Badebedürfnis anzuerziehen, hatten bisher wenig Erfolg." Er bittet um die Angabe von Installationsfirmen, die in der Lage sein würden, in kurzer Zeit ein Musterbrausebad für die Ausstellung einzurichten, und erhält auch eine entsprechende Liste. - Leider scheiterte auch dieser Plan. Die Ausstellungskommission lehnte ihn, wahrscheinlich aus finanziellen Erwägungen, ab. (In diesem Zusammenhange mag erwähnt werden, daß ein leitender Staatsbeamter, der Seminardirektor Künoldt, mit seinen ähnlich gerichteten Bemühungen damals mehr Erfolg hatte. Auf sein Betreiben wurde im Keller der Senn-nar-übungsschule ein Brausebad eingerichtet. Ihm ist es auch zu verdanken, daß ein Wiesengelände auf dem Haarenesch für Sportzwecke angekauft wurde; es steht noch heute hierfür zur Verfügung.) Oldenburg als Küstenland konnte es sich nicht nehmen lassen, im Rahmen der Gewerbeausstellung eine Marine- und Fischereischau zu veranstalten. Die Verhandlungen mit dem für die Kaiserliche Werft in Wilhelms-haven zuständigen Marineamt in Berlin waren ein wenig umständlich (übrigens hatte man dort noch keine Schreibmaschine, sondern gab die Briefe in der malerisch verschnörkelten Handschrift der Kopisten heraus;. Immerhin konnte die Werft am 16. 1. 1905 mitteilen: "Das Gesuch der Ausstellungskommission vom 26. 10. 1904 ist vom Herrn Staatssekretär des Reichsmarineamts mit Wohlderselben der Werft überwiesen worden." Über den ersten Vorschlag der Ausstellungsleitung (Ausrüstungsgegenstände der Schiffe, Kommandobrücke eines Linienschiffs usw.) hinausgehend fanden auf einer Wandfläche von 158 m2 folgende Dinge ihre Darstellung: Fischereigeräte, Rettungsanlagen, Signalausrüstungen, Eß- und Backgerät, Kojenzeug, Boote, Anker- und Bootsmannsgerät, Instrumentenaus-rüstung, Torpedos und dgl. - Das Ostfriesische Feldartillerieregiment Nr. 62 in Oldenburg schickte freundlicherweise 10 kräftige Leute zur Hilfe beim Aufstellen und war zudem bereit, weitere Leute zur Aufstellung von Kanonen und Geschossen abzuordnen, doch dazu kam es nicht. Obgleich die Marine, die Lieblingswaffe des Kaisers, sich auf solche Weise gern bei der Bevölkerung bekannt und beliebt machte, erklärte sie sich nicht bereit, an einem Wettbewerb teilzunehmen, doch wäre ihr ein Ehrendiplom erwünscht. Zur Eröffnungsfeier wurde Seme Exzellenz Kaiserlicher Staatssekretär von Tirpitz eingeladen; er konnte aber nicht teilnehmen. Im Rahmen der Marineausstellung zeigte die Olden-burg-Portugiesische-Dampfschiffahrtsgesellschaft eine Reihe von Schiffsmodellen; auch die Werft von Lüh-ring - Hammelwarden war mit Anschauungsmaterial vertreten.
Die Beteiligung der Landwirtschaft wurde schon erwähnt. Im Rahmen ihrer Abteilung hatten die Molkereien Augustfehn, Friesoythe, Rantzenbüttel und Wü-stmg ausgestellt, an der Spitze die Molkerei Rastede, die damals schon täglich 20000 kg Mi!ch verarbeitete.
Die Stadt Oldenburg hatte einen besonderen Schulpavillon aufgestellt, der in vier Räumen eine Lehrmittelsammlung für Volksschulen aus dem Städtischen Schulmuseum zeigte (ausgerichtet von dem damals in pädagogischen Reformgedanken führenden Oldenburgischen Landeslehrerverein), ferner eine solche für Fortbildungsschulen, ein modern ausgestattetes Schulzimmer und Schülerarbeiten der Städtischen Fortbildungsschule.
Zum belehrenden Teil der Ausstellung gehörte ferner die 350 Personen fassende "Urania", auch Wempe-Halle genannt nach dem rühmlichst bekannten oldenburgischen Privatgelehrten Wempe. Dieser hatte sich seit vielen Jahren durch populärwissenschaftliche Vorträge im nordwestdeutschen Raum einen Namen gemacht. Er sprach nicht nur in der Stadt Oldenburg, sondern auch in den Bildungsvereinen kleinerer Städte (so z. B. in Varel im Verein für Kunst und Wissenschaft). Seine Apparate, die er nach und nach angeschafft hatte, sollen den Wert einer sechsstelligen Zahl gehabt haben. So stellte er flüssige Luft her, sprach über Radium, über "Telegraphie ohne Draht", Hochspannungsströme, Teslalicht, Röntgenstrahlen, Farbfotografie, höchste und niedrigste Temperaturen, Astronomie, mikroskopische Forschungen, Chemie der Küche, Wirken und Schaffen in der Pflanzenwelt, über den Menschen im Kampf ums Dasein usw. Außerdem führte er Lichtbilder und "kinematographische Projektionen" über wirtschaftliche Großbetriebe vor (Linoleum-, Kabel-, chemische Industrie und Werften). In der Wempe-Halle hielt er tagtäglich zweistündige Vorträge, die sehr beliebt waren, führten sie doch in Wissenszweige ein, die damals großenteils noch in den Anfängen steckten. Die Wempe-Halle wurde aufgrund eines Vertrages zwischen der Ausstellungsleitung und einem Bauunternehmer für 4000 Mark leihweise zur Verfügung gestellt. Die Innenausstattung besorgte Herr Wempe selber: Biograph, Ventilatoren und dgl.; zwei Scheinwerfer wurden von der AEG erbeten und von dieser auch bereitgestellt. - Im Vorbau war ein Relief der Schlacht von Mars-la-Tour aufgestellt mit angeblich rund 100000 Soldaten m den Farben ihrer Regimenter. In der Wempe-Halle wurden übrigens auch von der Gesellschaft "Buderus" kinematographische Vorführungen mit Vorträgen veranstaltet ("lebend, sprechend, singend, farbig'').
Neben der Unterhakung sollte der allgemeinen Volksbildung auch das sog. "Panorama" dienen, das täglich wechselnde Bilder zeigte. Beispiel: Japan (An Bord des Dampfers, Jungen beim Fischen, Straßenbild aus Tokio, Gaukler, Tempelhof und dgl.). Der Vertrag mit dem Besitzer kam zunächst nicht zustande, da er glaubte, die 750 Mark Platzmiete bei einem Eintrittspreis von 30 Pf. für Erwachsene und 20 Pf. für Kinder nicht aufbringen zu können, doch einigte man sich später über diesen Streitpunkt.
Der Sport fand auf der Ausstellung insoweit Berücksichtigung, als Tennisplätze geschaffen und Tennisturniere mit guter Beteiligung von dem rührigen Leiter der oldenburgischen Tennisvereine (Uhrmachermeister von Essen - Varel, der noch als SOjähriger diesen Sport pflegte) organisiert wurden. Die Schwimmvereine veranstalteten ebenfalls Wettkämpfe einschließlich Springen vom l- und 3-Meter-Brett, und Ruderboote luden auf den Teichen zur Benutzung ein. Man konnte sich hier auch spazierenfahren lassen, und kaum ein Oldenburger Backfisch versäumte es, sich hierbei dem kräftigen Neger "Jim" anzuvertrauen, der zwar nicht immer sehr zuverlässig war, aber wegen seines wolligen Kraushaars bewundert wurde. - Turnerische Wettkämpfe wurden ausgetragen; Laufen, Springen und Tauziehen kamen zu ihrem Recht. Dagegen ließ sich ein Klootschießerwettkampf wegen der örtlichen Beschränkungen nicht durchführen. Aber Fußballspiele gab es auch damals schon.
Vorweg soll in diesem Zusammenhange die vom Zivilingenieur Schröder in Oldenburg eigens für die Ausstellung konstruierte und für 9500 Mark gebaute Wasserrutschbahn erwähnt werden, deren Boote von einer schiefen Ebene in Wittschiebes Teich rollten und das Wasser nach beiden Seiten hoch aufspritzen ließen, ohne daß die Benutzer dabei durchnäßt wurden (Frau Wittschiebe erhielt später ein Dankschreiben der Ausstellungsleitung). Als Betriebsleiter wurde ein Zimmergeselle Harms gewonnen, für dessen Zuverlässigkeit sich sein Meister verbürgte. Eine Betriebsordnung schrieb vor, daß nicht mehr als 8 Personen im Boot sitzen dürften; die Teilnehmer hatten sich "hinterriiber" zu setzen, die Füße gegen die Spanten zu stemmen und sich an den Bänken festzuhalten. Mit jedem Kahn fuhr ein Bootsführer hinunter, der darauf zu halten hatte, daß die Insassen sich ruhig verhielten und vor allen Dingen während der Fahrt nicht aufstanden. Der Verfasser dieses Berichts hat als Zwölfjähriger mit seinem Vater eine solche aufregende Fahrt mitgemacht, erinnert sich aber, daß die Oldenburger Jugend sich keineswegs ruhig verhielt. - Auch ein Motorboot (2 PS, 6 m lang, für 6 Personen, mit Schattenzelt) wurde beschafft und konnte gemietet werden.
Inmitten des Ausstellungsplatzes befand sich eine Brunnenanlage (mit mexikanischem und brasilianischem Onyx ausgelegt) mit einer hoch aufsteigenden Wasserfontäne, die abends beleuchtet wurde; das Wasser rotierte auch damals schon durch eine elektrische Pumpenanlage.
Zu den Attraktionen gehörten weiter der "Illusionspalast", in dem Lichteffekte gezeigt wurden, und der Zirkus Kremser ("Pferde, Elefanten, Artisten, Seehunde"). Mit diesem gab es später allerdings Ärger für die Ausstellungsleitung. Es stellte sich heraus, daß er schon völlig überschuldet in Oldenburg angekommen war und daher die vertraglich ausbedungenen Entgelte nicht bezahlen konnte, weil die Tageseinnahmen vorgepfändet waren. Auf einer "Auktion" am 18. 7., die wohl mehr einer Zwangsversteigerung glich, mußten die zum Teil recht wertvollen Pferde für mehr als 3000 Mark verkauft werden. Die Ausstellungsleitung erlitt zwar keinen Schaden, dagegen beklagten sich bei ihr die Geschäftsleute, die ihre Forderungen nicht einbringen konnten (z. B. auch die Firma Stalling), daß man sich nach der Solvenz dieses Unternehmens vorher nicht besser erkundigt habe; sie schlugen vor, daß die Geschädigten aus einem späteren Überschuß des Ausstellungshaushalts entschädigt werden möchten. Hierzu kam es dann freilich nicht.
Für "Essen und Trinken" war reichlich vorgesorgt. Das große Hauptrestaurant war für 6000 Mark an den Hof-traiteur D. Meyer vom Oldenburger Schützenhof verpachtet, der - wie er schrieb - reiche Erfahrungen hatte mit "großen Konzerten, Bällen, Diners und Gartenfesten". Er bedang sich allerdings aus, fliegende Büfetts einzurichten, falls die Konzerte einmal nicht vorm Hauptrestaurant stattfänden, ebenso bei "Feuerwerks", da bei solchen Gelegenheiten sein Lokal sonst völlig leerstehen würde; auch möchte er gern Schokoladenautomaten aufstellen sowie Zigarren (bis zu sechs Stück auf einem Teller) und Zigaretten verkaufen, was alles ihm zugestanden wurde. Die Bierpreise waren ihm vorgeschrieben: 10 Pf. für ein helles Bier (2/10 1), 15 Pf. für ein bayerisches Bier und ein entsprechend höherer Preis für echtes Pilsener. - Außer dem Hauptrestaurant gab es ein Cafe, ein alkoholfreies Restaurant und einen Milchausschank, eingerichtet vom Verein gegen den -Mißbrauch alkoholischer Getränke. Hinzu kamen Kuchenverkaufsstände. Kein Wunder, daß die Oldenbur-ger Lokale, vor allem auch die Sommerwirtschaften, sich später über einen erheblichen Geschäftsausfall beklagten.
Außerdem gab es noch eine Wemschänke, ein äußerlich bescheidenes Bauwerk, das aber ringsherum Veranden und einen "Altan" mit Ausblick auf das Ausstellungsgelände hatte. Es enthielt ein Kneipp-Zimmer mit Kunstglasereifenstern, Seidentapeten und Friesen von 'rot:- Winter; es war der Treffpunkt der Mitglieder des "'•S.C. (Weinheimer Seniorenconvent). - Im Seeschlößchen der Hoyerschen Brauerei am Kayserschen Teich befand sich u. a. ein Kneippraum des K.S.C. (Kö-sener Seniorenconvent).
le fieischwarenfabrik Koopmann hatte ein Ammer-•"'Xiiscnes Heuerhaus für ihre Erzeugnisse aufgestellt, daneben auch zwei Kinderholzhäuschen. - In einem kleinen Bassin wurden einige Seehunde gehalten, über die es dann zu einem "Eingesandt" in den "Nachrichten für Stadt und Land" kam: Ein Oldenburger Fischhändler, der ihnen täglich frisches Wasser und Futter zu geben hatte, vernachlässigte seine Pflichten. Die vielfältigen Einrichtungen und Veranstaltungen der Unterhaltung sollten dazu dienen, ein möglichst breites Publikum zum Besuch der Ausstellung anzuregen. Die Ausstellungsleitung hatte rechtzeitig an Impresarios und Agenten im In- und Ausland geschrieben und eine verwirrende Fülle von Angeboten erhalten. Zahlreichen Varietekünstlern, die sich um eine Zulassung auf der Ausstellung bemühten, sowie Unternehmern aller Art mußte eine Absage erteilt werden, u. a. dem Meisterfahrer Alfred Schneider, der brennend auf einem Fahrrad eine steile Rutschbahn herunterfahren wollte; einem Unternehmen "Flottenschauspiele"; einer Ha-vermannschen Raubtierschule. Herr Havermann, der vom Grand Hotel Paris an die Ausstellungsleitung schrieb ("Mein wehrtet Herr Dursthoff..."), hätte auch gern eine kleine Sonderschau "Tunis" oder "Kairo" mit Tänzerinnen und Kamelreitern gezeigt, wollte für die Dobbenteiche eine garantiert echte venezianische Gondel (für 1200 bis 1500 Mark) liefern mit einem ebenfalls echten Gondoliere, diesen für täglich 3,50 Mark. - Auch ein Herr Schulze, Berlin, bemühte sich mit seinem Varietetheater vergeblich, trotz erbetener persönlicher Vorstellung ("Eintreffe Bahnhof ... bin untersetzter Figur, trage Pelz mit Astrachankragen verbrämt ..."). Eine andere Varieteagentur bot u. a. einen Fesselballon sowie ein weiteres Schlachtenpanorama an. Dem Zirkus Sarrasani sowie dem Hatten-horstschen Dampfkarussell mußte ebenso abgesagt werden wie einem Impresario "lebender Abnormitäten und Phänomene" aus Altona, der den ganzen Vergnügungsbezirk unbesehen pachten wollte. Endlich kam auch "Castans Panoptikum" nicht zum Zuge, das ohnehin nur kommen wollte, wenn eine Brauerei sich bereit fände, den Ausschank zu pachten. Die Ausstellungsleitung war es ihren Oldenburgern offenbar schuldig, nur eine solide Art von Unterhaltung zu bieten, und lehnte daher jeden Rummel ab.
Für gute Musik wurde ein breiter Rahmen geschaffen. Im Musikpavillon vor dem Hauptrestaurant fanden täglich von 16-18 Uhr und von 20-23 Uhr Militärkonzerte statt, zumeist durch die sehr angesehene Kapelle des Oldenburger Infanterieregiments 91 und durch das Tambourkorps. Der Regimentskommandeur erteilte seine Genehmigung allerdings nur unter der Voraussetzung, daß "berechtigte Klagen der Zivilmusik über die ihnen erwachsende Konkurrenz nicht zu befürchten sind". Auch eine italienische Kapelle spielte gelegentlich auf; sehr beliebt waren die vom Kapellmeister Eh-nch veranstalteten Wagner-Abende. Oldenburgische Gesangvereine sorgten für Abwechslung, u. a. der ausgezeichnete Lehrergesangverein. Auch ein hannoverscher Männergesangverein und der Bremer Verein "Vi-surgis" hätten gern Konzerte gegeben, doch mußte die Ausstellungsleitung "mit Rücksicht auf die hiesigen Vereine" ihnen leider eine Absage erteilen. Ein Musiker A-Ieinhardt aus Bant fragt an, ob man ihm nicht erlauben wolle, während der Ausstellung Straßenmusik zu machen, aber Dr. Dursthoff schreibt kurzerhand "Nein!" an den Rand des Gesuchs; Orgeldreher sollten wohl dem Oldenburger Kramermarkt vorbehalten bleiben.
Rechtzeitig war man bemüht, den Verkehr zum Ausstellungsgelände zu erleichtern. Im Benehmen mit der Stadtverwaltung wurde zwischen dem Bahnhof und den Dobbenwiesen der Zugang für Taxameterdroschken, Privat- und Linienwagen über die Bahnhofs-, Rosen-, Osterstraße, Staulinie, Heiligengeistwall, Ofener Straße und Lindenallee geleitet; der Rückweg über die (damalige Roon-, heutige) Tirpitz-, Hindenburg-, Schüttingstraße, den Stau und die Kaiserstraße. Mit der Großherzoglich Oldenburgischen Eisenbahn wurden zahlreiche Sonderzüge organisiert, die vor allem sonntags und mittwochs fuhren, so von Geestemünde und Osnabrück; sogar aus Eutin kam ein Extrazug. - Ein Zug aus Groningen brachte einmal 230 Holländer. Auswärtigen Vereinen wurden ermäßigte Eintrittspreise zugesagt, u. a. dem Typographischen Club, dem Verein "Vorwärts", dem Männergesangverein und dem Gewerbe- und Industrieverein, sämtlich aus Bremen. Die bedeutendste "Attraktion" der Ausstellung war das "Abessinierdorf", das richtiger Somali-Dorf hätte heißen müssen. Zunächst wurden Verhandlungen mit Ha-genbeck gepflogen, der damals fremde Völkerschaften vermittelte. Außer einer Orientgruppe und russischen Tänzern hatte er derzeit aber nur eine indische Gruppe von 30-35 Köpfen anzubieten (Seiltänzer, Ringkämpfer, Gold- und Silberschmiede, 4-6 Zebus, Zwergesel u. dgl.). Man entschied sich schließlich für das Angebot einer Firma Bamberger in London, deren Vertreter gerade in Dschibuti war, eine Dorfgerneinschaft aus dem Stamme der Danakil (den Gala verwandten Hamiten), und zwar 60-70 Personen, kommen zu lassen. Sie stammten aus dem Hinterland von Obok am Roten Meer (franz. Somahland). Die Unternehmer waren bereit, das Risiko ihrer Völkerschau im Rahmen der Ausstellung selbst zu tragen. Die Dorfgemeinschaft wurde im Nordostteil des Everstenholzes untergebracht. Die Ausstellungsleitung hatte für die Einfriedung und für die hygienischen Anlagen zu sorgen; alles andere brachte die Gruppe mit, so auch die Hütten mit dem Original-Bedachungsmaterial. Die Gruppe zählte 75 Köpfe, darunter 20 Kinder und junge Mädchen, unter einem "Häuptling" (Scheik) Essa. Es waren strenggläubige Mohammedaner, große und kräftige Menschen von dunkelbrauner Hautfarbe. Sie trugen lange weiße Gewänder aus Baumwollzeug. Die Erzeugnisse der von ihnen vorgeführten handwerklichen Fertigkeiten (Webereien, Lederamulette, Tongefäße, Holzschnitzereien, Matten, Schlachtschwerter, Lanzenspitzen) stellten sie in einem Basar zum Verkauf aus. Im ädrigen führten sie unbekümmert ihr tägliches Leben vor. Ein Vorbeter lehrte die Kinder Koranverse. In der Küche wurde Tag für Tag ein Hammel gebraten. Über offenem Feuer kochte eine Art Linsenbrei, von dem die
Landesgewerbeausstellung 1905: Haupt- und Industriehalle
Kinder, die mit ihren dunklen Augen und sanftmütigen •tilgen bald zu Lieblingen der Besucher wurden, sich in kleinen Näpfen aus Kokosschalen ihren Anteil holten. Auch Reis, Mehl, Kartoffeln, Milch und Tee wurden in der Küche in großen Mengen gebraucht. Zu bestimmten Stunden führten die Somali Schwert- und Festtänze v°r, warfen auch mit Speer und Lanze nach einem Ziel, das auf einer Holzplanke aufgemalt war; dabei pflegten Sle ihre langen Obergewänder abzulegen.
Eines Tages wurde in den Tageszeitungen und durch Anschläge angekündigt, im Abessinierdorf werde eine Verlobung und Hochzeit stattfinden, und zwar zwischen dem 23jährigen Ebeni und der 18jährigen Katika. Der Scheik, der selbst angeblich über vier Frauen verfügte, werde die religiösen Zeremonien vornehmen; Hochzeits- und Schwerttänze der Krieger sollten vorgeführt, Brautgeschenke (seidene Schals, Armbänder und Ketten) überreicht werden. Zwar nahmen die Besucher diese Ankündigungen nicht so recht ernst. In einem Leserbrief wurde angefragt, ob diese Heirat zum ständigen Repertoire der Dorfgemeinschaft gehöre. Jedoch fand die Veranstaltung großen Zulauf. Ein besonderes Postamt auf dem Ausstellungsgelände sorgte für die rasche Beförderung der Ansichtskarten. Zur Wahrung guter Ordnung wurden zahlreiche Papierkörbe aufgestellt. Wasserklosetts waren für die meisten Ausstellungsbesucher damals etwas ganz Neues - die ersten dieser Art wurden vor der Jahrhundertwende in einigen neuen Villen in der Gartenstraße eingebaut, die Fäkahen wurden in gemauerte und zementierte Gruben geleitet und der Everster Abfuhrgesellschaft (offenbar vorteilhaft für beide Teile) "unentgeltlich überlassen".
Endlich müssen noch die Eintrittspreise erwähnt werden. Eine Karte kostete 60 Pf.; für die Kunstausstellung wurden 50 Pf. und für die kunstgewerblichen Altertümer 30 Pf. erhoben. Daneben gab es Dauerkarten, für das erste Familienmitglied 12 Mark, für das zweite und dritte 8 bzw. 4 Mark. Auch Familienkarten (25 Mark) und Wochenkarten (3 Mark) wurden ausgegeben. Nach allen unendlich mühevollen Vorbereitungen konnte die Ausstellung am 9. 6. 1905 fristgerecht eröffnet verden. Geladen waren die Königlichen Hoheiten nebst dem Erbgroßherzog, der Herzogin Sophie Charlotte und dem Herzog Georg Ludwig. Vom Hofstaat waren anwesend der Oberhofmarschall von Wedder-kop und der Oberkammerherr Graf Wedel, die Oberhofmeisterin Gräfin von Bassewitz nebst zwei Hofdamen; der Oberhofmeister Freiherr von Frydag-Daren, Oberhausmarschall Freiherr von Rössing, die Kammerherren vom Dienst und der Flügeladjutant. Geladene Gäste waren außer den Ministern (Willers, Ruhstrat I und II) der Königlich Preußische -Gesandte Graf Hen-kell von Donnersmarck, seine Exzellenz von Arseniew (der für Oldenburg zuständige Kaiserlich Russische Gesandte in Hamburg), Seine Durchlaucht Prinz von Rati-bor (derzeitiger Regierungspräsident in Aurich), die Regierungspräsidenten von Eutin (von Büttel) und Birkenfeld (Ahlhorn), Geh. Ministerialrat von Finckh Bürgermeister Dr. Pauli, Bremen, ein Vertreter der Admiralität, die oldenburgischen Amtshauptmänner, Oberbürgermeister und Bürgermeister sowie der Maler Fritz Mackensen, der Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede.
Nach den Eröffnungsreden und dem Rundgans: ("der Himmel lachte an diesem Tage mit besonderer Freundlichkeit hernieder") folgte um 18 Uhr das Festessen (Gedeck 7 Mark). Geheimrat August Schnitze und Prof. Peter Behrens wurden mit hohen Orden bedacht, Dr. Dursthoff und der Maler Otto, Bremen, erhielten den Professor-Titel.
Die Große Ausstellungskommission hatte rechtzeitig beim Stadtmagistrat beantragt, am Eröffnungstage den Schulunterricht ausfallen zu lassen. Doch hatte der gewissenhafte Geheime Schulrat Menge grundsätzliche Bedenken, und erst der Hinweis darauf, daß zahlreiche Lehrer im Gesangverein, der Chorlieder vortrug, mitzuwirken hätten, bewog das Evangelische Oberschulkollegium dazu, schulfrei zu geben, "soweit die Lehrer mitwirken oder die Kinder Spalier bilden". Die Ausstellungsleitung hatte keine Mühe gescheut, für einen guten Besuch der Gewerbeschau in der Öffentlichkeit schon viele Monate vorher zu werben. Zu diesem Zwecke war eine Werbeschrift herausgegeben worden, die kostenlos verbreitet wurde. Dem idealistisch ausgerichteten Zuge der Zeit um die Jahrhundertwende entsprach die blumige Sprache, die sich seltsam abhob von den nüchternen, Technik und Handel angehenden Zwecken der Ausstellung. Da hieß es u. a.: "Unaufhörlich donnern die Züge in der Sommerzeit in die Bahnhofshalle zu Oldenburg." Wer den alten Oldenburger Bahnhof noch gekannt hat, erinnert sich, daß die Züge keineswegs "donnerten", sondern genötigt waren, langsam einzufahren (die Geschwindigkeit der Personenzüge auf freier Strecke betrug bei der GOb damals ohnehin nur 60 km/h, weil es weder Brücken noch Unterführungen gab) und der Bahnhofsportier mit einer dicken Handglocke zu bimmeln hatte, damit die Fußgängerüberwegungen auf den Gleisanlagen für den einfahrenden Zug frei blieben. Weiter heißt es dann: "Freudig begrüßen die. rückkehrenden Bewohner die Heimat, während manche Durchreisende es bedauern, hier die Fahrt nicht unterbrechen zu können, um die Brust zu baden in Waldesodem und Blumenduft." Oldenburg wird dann als Rosen- und Rhododendron-Stadt gepriesen. Das Ausstellungsgelände, dem Sumpf abgerungen, "hingeschmiegt an den Rand des Everstenholzes", biete ein Bild wie in einem schönen Traum.
Die weitaus beste Werbung wurde von der Tagespresse geleistet, vor allem von den "Nachrichten für Stadt und Land". Der Preß-Ausschuß hielt schon am 9. 1. 1905 seine erste Sitzung ab, und zwar unter dem Vorsitz von Herrn Gramberg, Oldenburg. Außer den Herren Schnitze, Dr. Dursthoff, dem Konsul Mahlstedt und Dr. Kaersten waren zugegen: Wilhelm von Busch, Dr. Pvobert Allmers, Varel, und Chefredakteur Dinkela. Für die Herausgabe einer eigenen Ausstellungszeitung, die in unregelmäßigen Zeitabständen erscheinen sollte, hatte man sich Muster aus ganz Deutschland erbeten, doch sah man von diesem Vorhaben ab mit Rücksicht auf die Bereitwilligkeit der heimatlichen Presse, sich nachdrücklich für die Werbung einzusetzen. Monatelang vor der Eröffnung der Ausstellung verschickte ihre Leitung laufend Notizen an 17 Redaktionen von Tageszeitungen im nordwestdeutschen Raum über den Fortgang der Arbeiten, Notizen, die großenteils von dem sehr angesehenen und klugen Chefredakteur der Oldenburger Nachrichten (W. von Busch) ver-raist worden waren; man bewilligte ihm dafür ein Sonderhonorar von 500 Mark.
Zur Eröffnung der Ausstellung war die Presse zwar geladen, doch konnte ihr, wie es hieß, mit Rücksicht auf die Teilnahme der allerhöchsten Herrschaften, nicht der Dank für ihre großartige Unterstützung ausgedrückt werden. So erging dann zwei Wochen später, zum 24. 6., eine Einladung zu einem Pressetag. Angeschrieben wurden insgesamt 27 Zeitungen, u. a. der oldenburgische "Generalanzeiger", das Bremer Tageblatt, die Neuesten Nachrichten für Idar-Oberstem, die Ems-Leda-Zeitung, die Bramscher Nachrichten, der Allgemeine Anzeiger für Ostfriesland, der Gemeinnützige in Varel, die Thedinghausener Zeitung, das Meiler Kreisblatt usw. Ein Redakteur aus dem Münsterland fragte vorsichtshalber an, ob er als Journalist gegen Vorzeigen der Dauerkarte auch Fahrpreisermäßigung bei der Eisenbahn erhalte - mit den Spesen nahm man es damals offenbar genauer als heute. Die Herren Pressevertreter erhielten am Eingangstor ein besonderes Abzeichen. Der Tag begann für sie um 11.30 Uhr mit einem Frühstück im Weinrestaurant. Um 15.30 Uhr war Kaffeetafel im Hauptrestaurant, und um 17 Uhr folgte die eigentliche Festtafel.
Ein weiteres wichtiges Stück der Werbung war der Ausstellungskatalog, der auf 150 teilweise bebilderten Seiten alles Wissenswerte über die Gewerbeschau verzeichnete und rund 100 Seiten Anzeigen der Aussteller enthielt. Nach allgemeinen Angaben über das Land Oldenburg (318000 Einwohner - Bodenarten - Flüsse -Geschichte) und die Stadt (23000 Einwohner einschließlich Militär) mit ihren Sehenswürdigkeiten (Landesbibliothek 150000 Bände - Festsaal des Schlosses - im Küchenflügel die Privatbibliothek des Großherzogs und ein Kupferstichkabinett) brachte er ein Verzeichnis der 320 Aussteller in Fachgruppen und skizzierte in einem "Rundgang" die belehrenden und unterhaltenden Einrichtungen und Veranstaltungen. Der Katalog enthält (außer einer farbigen Kartenskizze) die einzige einigermaßen zusammenhängende Darstellung der Ausstellung.
Das Ausstellungsplakat, das zu Werbezwecken rechtzeitig weit verbreitet wurde, hatte der angesehene Graphiker Müller-Kampf in Hamburg entworfen. Es stellte ein Oldenburger Bauernhaus mit Strohdach und Pferdeköpfen in einer waldreichen Landschaft dar. Es erfuhr zwar Kritik in einem "Eingesandt" der damals in Varel erscheinenden "Küstenzeitung", das bemängelte, solch ein ländliches Motiv passe wenig zu einer Gewerbeschau. Man blieb aber bei dem beschriebenen Entwurf.
Gegen den Schluß der Ausstellung begann die mühevolle Arbeit der Preisrichter. Neben den üblichen Medaillen wurden lobende Anerkennungen verteilt, u. a. in der Form eines Diploms, dessen Modellzeichnung (120X80 cm) eine Frauengestalt (Genius) zeigt, die -umgeben von Maschinen und allerhand technischen Gegenständen - einen Lorbeerzweig hochhält. Um die Neutralität des Preisrichterkollegiums zu unterstreichen, hatte man durchweg auswärtige Sachverständige bestellt, z. B. den Direktor der Königlichen Webereischule in Krefeld, den Kaffeekaufmann Ronning, Bremen, und weitere Herren aus Bremen, Hannover, Gee-sremünde, Quakenbrück, Braunschweig, Hamburg und Bonn. Die Herren arbeiteten unentgeltlich, erhielten aber ein Tagegeld von 15 Mark.
Von den Goldmedaillengewinnern sollen hier einige Firmen aufgeführt werden, die zum Teil heute noch bestehen: Strenge - Elisabethfehn; Steinthal - Oldenburg; Hoyers Brauerei - Oldenburg; Hilbers - Etzhorn; Reinders & Janssen - Zetel; Meynen ~ Zetel; Tame-ling & Stöve - Varel; Oldenburger Dampfwaschanstalt; L. Fischbeck - Oldenburg; Schwabe & Söhne - Varel; Hallerstede - Oldenburg; Junkermann - Varel; Navigationsschule Elsfleth; Uhrmacher Adolf Harms - Oldenburg; AEG - Berlin; Mix & Genest - Berlin. Gegen die Entscheidung der Preisrichter gingen insgesamt 80 Proteste ein, von denen jedoch nur 30 übrig blieben. In vielen Fällen konnten nachträglich Goldmedaillen bewilligt werden; im übrigen wurden die Einwendungen durch schiedsgerichtliche Verfahren erledigt. Obwohl die Hauptergebnisse der Ausstellung schon kurz nach ihrem Schluß feststanden, konnte mit Rücksicht auf schwebende Rechtsstreitigkeiten die Schlußsitzung der Großen Kommission erst am 20. 9. 1907 stattfinden. Auf ihr erstattete Prof. Dr. Dursthoff einen äußerst eindrucksvollen Schlußbericht. Die Besucherzahl war über Erwarten groß gewesen: 621729 Personen aus Stadt und Land, darunter viele Kinder; dazu kamen 14510 Schüler klassenweise. Die Kunsthalle allein zählte 86502 Besucher, die Sammlung kunstgewerblicher Altertümer 77860. Die höchsten Besucherzahlen wurden am 30. 7. (18030) und am 27. 8. (16490) verzeichnet, die niedrigste am 1. 9. (204R). Diesen Zahlen entsprach der Konsum an Bier (2094 hl), Wem (17423 Flaschen), Sekt (1101 Flaschen) und Co-gnac (987 Flaschen). Außerdem wurden über 38000 Flaschen alkoholfreie Getränke konsumiert, 609 Flaschen Berliner Weiße sowie 2247 Pfund Kaffee und Schokolade.
Die Abrechnung ergab in allen Zweigen weit höhere Summen als der Voranschlag. So lagen die Einnahmen aus Eintrittsgeldern mit 201570 Mark rund 50000 Mark über dem ursprünglichen Ansatz. Andererseits betrugen die Mehrausgaben für Gelände, Gebäude, Wege und Löhne rund 82000 Mark. Musik und Feuerwerk blieben mit 25400 Mark fast genau in dem vorgesehenen Rahmen. Den Gesamteinnahmen von 537737 Mark (Voranschlag 302100) standen Ausgaben von 552000 Mark (Voranschlag 302100) gegenüber, so daß sich ein Defizit von 14262 Mark ergab, das sich durch kleinere Posten auf fast 16000 Mark erhöhte und von der Handelskammer übernommen wurde. Die von Privaten gezeichneten Garantiesummen wurden nicht benötigt. Gleichwohl wünschten die Herren Dr. Kaer-sten und Neubert, vor der Auflösung noch einmal die Finanzkommission einzuberufen, um die Rechnungen zu prüfen, "schon um den immer wieder auftauchenden Redereien ein Ende zu machen". Dies wurde mit allen Stimmen gegen die der Antragsteller abgelehnt. In seinem Schlußreferat sprach Prof. Dr. Dursthoff ganz offen aus, die Handelskammer selbst habe von der Gewerbeschau wenig Dank, aber viel Arger und Undank gehabt. Er unterließ die Feststellung, die sich aus den Akten ergibt, daß die Ausstellungsleitung leider von verschiedenen der Handwerkskammer angehön-gen Personen nicht das Entgegenkommen gefunden hätte, das sie hätte erwarten können. Diese Schwieiig-keiten erschwerten auch die Abwicklung.
Die Beamten der Handelskammer hätten jahrelang eine unendlich mühevolle Arbeit leisten müssen. Etwa l einhalb Jahre habe die Vorbereitung gekostet. Sie hätten Abend für Abend bis tief in die Nacht hinein arbeiten müssen und Sonntagsruhe wie Urlaub entbehrt. Dr. Dursthoff bedauerte sehr, daß man bei dem ungünstigen Kassenabschluß den Angestellten keine ihrer aufopfernden Tätigkeit entsprechende Vergütung habe zahlen können. (Aus den Akten ergibt sich, daß die drei maßgeblich Beteiligten Beträge von nur 1080, 480 und 405 Mark erhielten.) Er selber habe ehrenamtlich gearbeitet und auch nie an eine Entschädigung gedacht. Dabei ergibt sich aus allen Unterlagen, daß er selbst den größten Teil der Bürde zu tragen hatte. Die Ausstellung ist praktisch seiner und August Schultzes Initiative zu verdanken. Dr. Dursthoff arbeitete und sprach mit einer fast unvorstellbaren Geschwindigkeit, und wer - wie der Verfasser dieses Berichts - ihn einmal bei einer Rede im Oldenburger Landtag gehört hat, kann sich eine Vorstellung davon machen, wie geschickt und rasch er seine Gedanken zu präzisieren und in vollendeter Form darzulegen verstand. Geheimrat Schultze sprach ihm im Schlußwort den verdienten Dank aus, daneben auch dem Geh. Oberbaurat Böhlk, Prof. Nar-ten, Baron von Bothmer, Konsul Mahlstedt und dem Baurat Freese. Mit einem Hoch auf den Großherzog als Jen Protektor wurde die oldenburgische Landesausstellung 1905 dann endgültig geschlossen. Regionale gewerbliche Ausstellungen dieser Art gibt es heute kaum mehr. Das gesteigerte Werbebedürfnis unserer Tage wird durch die Massenmedien befriedigt. Im übrigen sind - was Mustersammlungen und Verkaufsangebote betrifft - die Fachmessen an die Stelle der früheren Ausstellungen getreten. Für die damalige Zeit kann indessen die Bedeutung dieser Ausstellung gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Für die Aussteller selbst war sie durch die unmittelbare Zurschaustellung ihrer Erzeugnisse vor einem unbestimmt großen Interessentenkreis eine Werbung, die angesichts der damals begrenzten Werbemittel (Zeitungsreklame, Versand von Katalogen, Besuch von Reisevertretern) bedeutend ins Gewicht fiel. Viele Erzeugnisse und Techniken, die in unseren Tagen den letzten Haushalt erreicht haben, befanden sich damals im Anfangszustand der Entwicklung. Das galt u. a. für die Nahrungsmittelkonserve, die von mehreren einheimischen Fabriken vorgeführt wurde; für die chemische Wäscherei und Färberei; für optische Geräte aller Art; für die Linoleumindustrie; vor allem aber für die Elektrifizierung, die ja noch in ihren ersten Anfängen steckte und die besonders die Beleuchtung der Straßen und der Innenräume betraf, aber auch schon elektrische Koch- und Heizapparate für Gaststätten und Haushalte. Auf die dem großen Publikum meist noch fremden Wasserklosetts wurde bereits hingewiesen. - Jedenfalls wurde der wirtschaftliche Erfolg von den meisten Ausstellern ausdrücklich hoch bewertet. Für die Besucher galt das gleiche mit umgekehrtem Vorzeichen. Wertvoll für sie waren auch die vielfältigen Beiträge zur Allgemeinbildung, von den Veranstaltungen zur Förderung des Sports ganz zu schweigen. Besonders eindrucksvoll war die Einsicht in das Leben und Treiben eines völlig fremden hamitischen Volksstamms. Wenn dessen Angehörige - im Zeichen der damaligen europäischen Kolonialherrschaft - zunächst auch als "Wilde" angesehen wurden, so zeigte sich doch (wie dies in Pressestimmen zum Ausdruck kommt) bei der oldenburgischen Bevölkerung zunehmend Achtung vor der handwerklichen Kunstfertigkeit der Abessinier und vor dem Ernst ihrer Religionsübung. Es dauerte nicht lange, bis die Stadtoldenburger Jugend den "Wilden" ihre Musik abgelauscht hatte und an schönen Sommerabenden laut singend durch die stillen Straßen zog. Die fremden Klänge, teils rhythmisch akzentuiert, teils träumerisch klagend, mögen manchen biederen Bürger schockiert haben. Man hatte damals in Europa noch kaum Kenntnis davon genommen, daß wenige Jahre vorher in den Südstaaten der USA der Jazz geboren wurde, mit dem die Gesänge der Sornali eine entfernte Ähnlichkeit gehabt haben mögen.
Die Stadt Oldenburg hatte insgesamt nicht geringen Gewinn von der Ausstellung. Abgesehen von der wirtschaftlichen Bewegung, die sie mit sich brachte, kam ihr in der Folge zugute, daß die aufgehöhten Dobbenwie-sen ein stadtnahes ideales Baugelände darstellten. Schon in den nächsten Jahren wurden hier Straßenzüge angelegt, u. a. die Ratsherr-Schultze-Straße, die früher vor der Verbindung der Dobbenteiche endete, durchgeführt. So konnten hier schon bald das Landtagsgebäude und das Ministerium (heute Verwaltungspräsidium) gebaut werden. - Endlich muß hoch in Rechnung gestellt werden, daß der Raum Oldenburg durch die Heranziehung des Baumeisters Peter Behrens sehr früh Anschluß an die neueste Entwicklung im deutschen Baustil fand. Hier wurde den Ausstellern wie den Besuchern der Gedanke des Zweckbaues mit seiner Versachlichung aller Bauelemente vorgeführt. Die Ergebnisse zeigten sich schon bald in neuen Großbauten des Oldenburger Landes (z. B. Hauptbahnhof, Industriebauten in Delmenhorst).
Treffend brachte der Geheime Oberbaurat Böhlk in der Schlußsitzung der großen Kommission die Bedeutung der Ausstellung zum Ausdruck: Die Initiative und der Eifer der Herren von der Handelskammer hätten Früchte getragen, die jetzt in gleicher Weise der Industrie, dem Handel, der Kunst und dem Kunstgewerbe "in großem Maßstabe" zugute kämen.