• Medizinstudent blickt durch ein Mikroskop

    Seit 2012 bildet die Universität Oldenburg medizinischen Nachwuchs aus. Foto: Lukas Lehmann/ Pius-Hospital

Medizin: Eine Region wehrt sich

Nach dem Beschluss der Landesregierung, im Haushaltsentwurf für das kommenden Jahr keine Mittel für den geplanten Bau der Universitätsmedizin vorzusehen, regt sich breiter Widerstand.

Nach dem Beschluss der Landesregierung, im Haushaltsentwurf für das kommenden Jahr keine Mittel für den geplanten Bau der Universitätsmedizin vorzusehen, regt sich breiter Widerstand.

„Entscheidung revidieren“, „Zukunftsinvestitionen nicht verschlafen“ oder „Affront gegen die ganze Region“: Mit starken Worten wehren sich Universität, Stadt und Region sowie Ärzteverbände und zahlreiche Interessenvertretungen gegen die Pläne der Landesregierung, den Bau eines dringend benötigten Lehr- und Forschungsgebäudes für die Universitätsmedizin Oldenburg zunächst nicht zu finanzieren.

Auch die regionale Politik steht hinter dem Neubau: Am 16. Juli versammelten sich Abgeordnete von CDU und SPD aus der Region gemeinsam mit Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann und Universitätsvizepräsident Jörg Stahlmann vor dem Klinischen Trainingszentrum der Universität. In einem gemeinsamen Papier hatten Politiker der CDU und SPD zuvor konstatiert, die Regierungskoalition in Hannover stehe in der Pflicht, die European Medical School als öffentliche Hochschul-Einrichtung mit den nötigen Finanzmitteln auszustatten.

Unterfinanzierung der Universitätsmedizin beenden

Am 6. Juli hatte die niedersächsische Landesregierung beschlossen, in den Entwurf für den Haushaltsplan 2021 keine Mittel für den Neubau der Universitätsmedizin einzustellen. Von den rund 140 Millionen Euro, die das Gebäude auf dem städtischen Gelände am Pophankenweg voraussichtlich kosten wird, sollten für einen ersten Bauabschnitt im kommenden Jahr rund 80 Millionen von der Landesregierung bereitgestellt werden.

„Der Wissenschaftsrat hat mit Recht schon nach seinem Besuch im Herbst 2018 gefordert, die Unterfinanzierung der Oldenburger Universitätsmedizin zu beenden“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. Hans Michael Piper. Ohne den beantragten Medizin-Neubau sei der weitere Ausbau einer humanmedizinischen Ausbildung in Oldenburg schlicht nicht möglich. „Der entscheidende Grund für die Einrichtung eines humanmedizinischen Studiengangs war seinerzeit der sich abzeichnenden Mangel an Ärztinnen und Ärzten im Nordwesten. Diese Situation hat sich seit 2011 weiter verschärft. Die künftige ärztliche Versorgung in der Region ist also gefährdet – und wir können nur mit einer adäquaten finanziellen Ausstattung Abhilfe schaffen.“

Qualität des Studiengangs aufrechterhalten

Ohne die Baumaßnahme sei das Fundament der Oldenburger Universitätsmedizin gefährdet, schreibt auch der Wissenschaftliche Beirat, der die Universität zur Weiterentwicklung der Fakultät berät, in seiner kürzlich veröffentlichten Stellungnahme: „Das Gebäude ist die zentrale Nahtstelle zwischen Forschung und Krankenversorgung und verbindet zukünftig die am Standort vorhandenen Stärken in der natur- und lebenswissenschaftlichen Forschung mit der Medizin.“

Auch die Oldenburger Medizinstudierenden kritisieren die Landesregierung scharf und fordern, dass sie an der Finanzierung des neuen Lehr- und Forschungsgebäudes festhält. Dies sei dringend notwendig, um die Qualität des Studiengangs aufrechtzuerhalten, insbesondere bei wachsender Anzahl von Studienplätzen, heißt es in einer Stellungnahme der Fachschaft Humanmedizin. „Schon mit der derzeitigen Anzahl an Studierenden ist Platz für die angehenden Ärztinnen und Ärzte und die Forschungsfläche für Professorinnen und Professoren nicht mehr gegeben.“

Beeindruckendes Studienangebot

Der Senat der Universität hatte bereits am 8. Juli in einer Mitteilung betont, die Entscheidung der Landesregierung konterkariere die hervorragende Aufbauleistung der Universität und ihrer Kooperationspartner. In seiner Stellungnahme verweist der Senat zudem auf das positive Votum, dass der Wissenschaftsrat im vergangenen Jahr abgegeben hatte.

Im Juli letzten Jahres hatte das wichtigste wissenschaftliche Beratungsgremium von Bund und Ländern dem Modellstudiengang Humanmedizin, der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS), ein „beeindruckendes Studienangebot“ attestiert, das „überzeugend umgesetzt“ worden sei. Das Gremium hatte aber unter anderem angemahnt, die erforderlichen Infrastrukturen weiterzuentwickeln – auch um den geplanten und mit der Landesregierung abgestimmten Ausbau des Studiengangs von 40 auf bis zu 200 Studierende Mitte der 2020er Jahre realisieren zu können.

Ausbau des Medizinstudiengangs absolut notwendig

Im vergangenen Wintersemester haben erstmals 80 Nachwuchsmediziner ihr Studium in Oldenburg aufgenommen – schon bald sollen es noch mehr sein. Ein Vorhaben, das unter den jetzigen Bedingungen nicht umzusetzen sei, so Universitätspräsident Piper. Daher sei es nun an der Zeit zu handeln. „Wir wissen schließlich, dass ein Großteil der Studierenden sich stets in der Region niederlässt, in der die Ausbildung stattfindet. Der Ausbau des Medizin-Studiengangs in Oldenburg ist sinnvoll und absolut notwendig,“ so Piper.

Das niedersächsische Wissenschaftsministerium hatte bereits zusätzliche Mittel für die erforderlichen baulichen Maßnahmen an der Universität Oldenburg angemeldet. Doch den Antrag hat die Landesregierung nun bei ihrer Planung für den Haushaltsentwurf 2021 abgelehnt. Die Regierung begründet ihre grundsätzliche Entscheidung, bis auf wenige Ausnahmen keine Mittel für neue Vorhaben in den Haushaltsplanentwurf 2021 und die mittelfristige Finanzplanung aufzunehmen, mit den zusätzlichen Ausgaben und Steuerausfällen, die durch die Coronakrise auf das Land zugekommen sind oder zukommen werden.

Überzeugt vom Konzept des Studiengangs

Diese Argumentation ist für viele nicht nachvollziehbar: Die Universitätsmedizin Oldenburg startete 2012 mit der Gründung der Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften. Seitdem hat das Land sie kontinuierlich finanziert. Der Marburger Bund Niedersachsen betont in einer Pressemitteilung, er habe zwar Verständnis dafür, dass die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung für den Landeshaushalt darstelle. Gleichzeitig dürfe dies nicht bedeuten, dass dringend notwendige Zukunftsinvestitionen unterbleiben.

Die Oldenburger Medizinstudierenden mahnen daher eindringlich, dass die Landesregierung ihr Versprechen halten solle, trotz schwieriger Zeiten keine gravierenden Kürzungen bereits laufender Maßnahmen vorzunehmen: „Wir sind überzeugt von dem Konzept unseres Studiengangs. Die Erfolge der bisherigen Absolventinnen und Absolventen geben sowohl der Idee der Universitätsmedizin Oldenburg als auch deren Umsetzung recht“, schreiben die Studierenden.

Das sieht auch die Universitätsleitung so: Gerade die Pandemie zeige, wie wichtig eine gute Krankenversorgung und die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten für den Nordwesten sei, sagt Piper. „Wir gehen davon aus, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Die Oldenburger Universitätsmedizin braucht endlich ein solides und tragfähiges Fundament“.

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