Wenn es infolge des Klimawandels in den Tropen noch wärmer wird, beeinträchtigt das die dortigen Pflanzenarten? Für die meisten Ananasgewächse gilt offenbar das Gegenteil, wie die Oldenburger Biologin Lilian-Lee Müller herausfand. Das überraschende Ergebnis ihrer Forschung betrifft immerhin bis zu 3000 Arten.
Der globale Temperaturanstieg infolge des Klimawandels belastet nicht alle Tropenpflanzen gleichermaßen: Im Gegenteil keimen die Samen von Ananasgewächsen beim für die Tropen bis 2100 prognostizierten Anstieg um drei Grad Celsius gut und potenziell sogar besser, wie Müller herausfand. Heute stellte die Pflanzenökologin vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) ihre Erkenntnisse in Göttingen auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) erstmals öffentlich vor.
Die neotropischen Ananasgewächse, zu der neben der Ananas etwa 3000 weitere Arten zählen, haben bei der Samenkeimung keine Nachteile durch den Klimawandel, wie Müllers Laborexperiment belegt. Ein überraschendes Ergebnis – auch für die Experten Prof. Dr. Dirk Albach und Prof. Dr. Gerhard Zotz vom IBU: „Wir dachten bisher, dass der Klimawandel tropische Arten besonders beeinträchtigt. Das Klima schwankt hier während des Jahres wenig, und viele Arten sind spezialisiert.“
Müller untersuchte 41 Arten der Ananasgewächse (Bromeliaceae) und beobachtete, wie sich insgesamt 20.000 ihrer Samen bei erhöhten Temperaturen entwickelten. „Die Keimung des Samens ist der erste Schritt zum Wachstum der Pflanze. Arten sind schnell aus dem Rennen, wenn sie nicht optimal keimen – gerade in den dicht bewachsenen neotropischen Wäldern“, sagt Müller. Wie sich die Vielfalt in den besonders artenreichen Tropen infolge der globalen Erwärmung entwickelt, ist relevant für die Biodiversität weltweit.
Für eine um durchschnittlich drei Grad Celsius höhere Temperatur, wie die Wissenschaft sie angesichts des Klimawandels bis zum Jahr 2100 für die Tropen prognostiziert, gilt: Bei 93 Prozent der untersuchten Arten keimen die Samen tadellos, und 85 Prozent keimen sogar besser. Da der Klimawandel voraussichtlich nicht nur Temperatur, sondern auch Niederschlag ändert, wollen die Forscher am IBU nun untersuchen, wie die unterschiedliche Verfügbarkeit von Wasser das Keimen der Samen beeinflusst.
Zur Familie der Bromeliaceae gehören neben der Ananas unter anderem auch bekannte Zimmerpflanzen wie die Lanzettrose oder das Flammende Schwert. In den neotropischen Wäldern Südamerikas sind die Ananasgewächse nicht nur wegen ihres Artenreichtums relevant für die Biodiversität: In ihren Blatt-Trichtern bilden sich kleine Gewässer, die von zahlreichen Algen und Pflanzen sowie kleinen Tieren wie den Pfeilgiftfröschen genutzt werden. Wie viele andere Ananasgewächse keimen und wachsen die untersuchten Arten nicht in der Erde, sondern auf anderen Pflanzen wie Bäumen, auf die ihre Samen durch den Wind oder die Ausscheidungen von Tieren gelangen.
Lilian-Lee Müller ist Doktorandin in den Arbeitsgruppen „Biodiversität und Evolution der Pflanzen“ und "Funktionelle Ökologie der Pflanzen". Dr. Eva Diehl ist Pressereferentin der Gesellschaft für Ökologie und hat Müllers Forschungsergebnisse anlässlich der aktuellen Jahrestagung in Göttingen zusammengefasst.