Die Universitätsgesellschaft vergibt seit 2021 jährlich einen Preis für vorbildliche Promotionsbetreuung. Die aktuellen Preisträger, Anna-Levke Brütt und Martin Bleichner, erzählen, worauf es ihnen ankommt.
Fast 1.300 Doktorandinnen und Doktoranden arbeiten derzeit an der Universität Oldenburg an ihrer Dissertation – und haben damit einen Weg eingeschlagen, der meist beschwerlich ist und in der Regel vier bis fünf Jahre dauert. Die Promotion sei eine „herausfordernde Phase der Karriere“, sagt Prof. Dr. Annett Thiele. Damit ein Promotionsvorhaben gelingt, ist aus Sicht der Vizepräsidentin für wissenschaftlichen Nachwuchs, Gleichstellung und Diversität und zugleich Schirmherrin dieses Preises „eine gute, nachhaltige und engagierte Promotionsbetreuung“ entscheidend.
Doch worauf kommt es dabei genau an? Transparenz und eine klare Kommunikation zu den Rahmenbedingungen der Promotion seien wichtige Faktoren, erklärt Dr. Martin Bleichner, Neurowissenschaftler im Department Psychologie und Leiter der Emmy-Noether-Gruppe „Neurobiologie des Alltags“. Darüber hinaus ist für ihn klar: „Gute Betreuung braucht Zeit“ – weshalb er versucht, sich regelmäßig mit allen Promovierenden zusammenzusetzen und auch sonst für sie ansprechbar zu sein. Auch Dr. Anna Levke Brütt vom Department Versorgungsforschung legt Wert darauf, sich als Betreuerin eng an den Bedürfnissen ihrer Doktorandinnen und Doktoranden zu orientieren. „Es gibt während der Promotion Phasen, in denen die Betreuung intensiver sein muss. Die darf man nicht verpassen“, sagt sie.
Die Leiterin der Nachwuchsgruppe Rehaforschung hat 2022 gemeinsam mit Bleichner den „Preis für herausragende Promotionsbetreuung“ der Universitätsgesellschaft Oldenburg e.V. (UGO) erhalten. Auf Anregung von Vizepräsidentin Thiele hat die UGO den Preis 2021 erstmals ausgelobt. Seither wird er jährlich an zwei Personen – in der Regel an eine aus den Geistes- und eine aus den Naturwissenschaften – vergeben. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten jeweils 1.000 Euro. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden durch Promovierende in der Spätphase ihrer Promotion nominiert, anschließend erhält eine Jury die anonymisierten Vorschläge und wählt die Preisträgerinnen und Preisträger anhand verschiedener Kriterien aus.
Pluspunkte für Unterstützung bei Anträgen, Publikationen und beim Networking
Die Jury honoriert dabei zuallererst eine gute individuelle Betreuung. Pluspunkte gibt es zudem, wenn die Betreuerinnen und Betreuer ihre Promovierenden bei allem unterstützen, was zur Forschung dazugehört – ihnen etwa die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis vermitteln, sie bei Anträgen beraten oder ermutigen, die eigene Forschung zu publizieren und sich ein eigenes fachliches Netzwerk aufzubauen. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Förderung der weiteren professionellen Entwicklung – innerhalb der Wissenschaft, aber auch außerhalb, wenn sich abzeichnet, dass das Berufsfeld Forschung für jemanden nicht das Richtige ist.
Brütt, die aktuell acht Promovierende betreut, war für ihre Schützlinge sogar während ihrer Elternzeit ansprechbar, heißt es in ihrer Nominierung, sie nehme „sich stets die Zeit für eine ausführliche konstruktive Kritik“. Auch Bleichner legt neben dem möglichst wöchentlichen individuellen Austausch Wert auf regelmäßige Treffen seiner sechsköpfigen Arbeitsgruppe, in denen die Mitglieder intensiv über den Stand der verschiedenen Promotionsprojekte diskutieren. In seiner Nominierung wird die gute Stimmung in der Arbeitsgruppe gelobt, er stelle mit viel Engagement eine „konstruktive und angenehme Arbeitsatmosphäre und ein Teamgefühl her.“
Darüber hinaus führt er mit jedem Gruppenmitglied einmal im Halbjahr ein zweistündiges Personalgespräch, in dem es weniger um die Forschung, sondern vielmehr um Entwicklungsmöglichkeiten und Ziele, aber auch Stärken und Schwierigkeiten der Promovierenden geht. „Ich erlebe diese Gespräche als sehr positiv, weil dadurch oft deutlich wird, wo sich jemand entwickelt und verbessert hat“, berichtet er.
Um die Vernetzung der Promovierenden untereinander zu unterstützen, rief der Neurowissenschaftler einen Journal Club und einen Writing Club ins Leben. Im Journal Club diskutieren die Teilnehmenden unter anderem aktuelle Preprints ihres Forschungsgebiets und verfassen ein Feedback, im Writing Club können Promovierende ihre eigenen Forschungsarbeiten gemeinsam mit anderen voranbringen. Dass sie die Doktorandinnen und Doktoranden ermutigen, an Kongressen teilzunehmen und sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Universität zu vernetzen, ist sowohl für Bleichner als auch für Brütt selbstverständlich. Die habilitierte Wissenschaftlerin engagiert sich darüber hinaus selbst als Sprecherin der Arbeitsgruppe Nachwuchsförderung im Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung.
Gut ausgebildet am Ende der Promotion
Für Brütt ist die Promotion ein „Gesamtpaket“, zu dem im Idealfall verschiedenste Qualifikationen gehören. Auch Graduiertenkollegs, -zentren und -akademien sowie Graduiertenschulen „leisten ganz wesentliche Beiträge bei der Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses “, betont sie. Und natürlich benötigen diejenigen, die nicht in der Wissenschaft bleiben wollen, ebenso Hilfestellungen, damit sie ihren Weg finden – das ist Brütt wie Bleichner gleichermaßen wichtig. „Am Ende der Promotion sollten sie gut ausgebildet sein und wissen, wo sie hinwollen“, erklärt er.
Bleichner ist sich bewusst, dass in seiner von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Emmy-Noether-Gruppe schon an sich gute Rahmenbedingungen für Promovierende herrschen. „Zum einen habe ich wenig Lehrverpflichtungen und kann deshalb mehr Zeit in den Austausch mit meinen Mitarbeitenden stecken als viele andere an der Uni“, sagt er. Zum anderen habe er selbst ein starkes Interesse an den Forschungsthemen, da sie auch Teil seines eigenen Projekts sind. „Es sind also meine Herzensthemen – das macht es leicht, involviert zu sein.“
Die klare zeitliche Struktur des Emmy-Noether-Projekts macht für ihn einen weiteren Vorteil seiner Gruppe aus. Durch die Begrenzung der Promotionsvorhaben auf drei Jahre sei klar, was in dieser Zeit leistbar ist. „Bei vielen Vorhaben kommen immer neue Ideen auf, was man noch alles untersuchen könnte, dadurch ziehen sich viele Promotionen in die Länge“, hat er beobachtet.
Der Neurowissenschaftler findet es gut, dass durch den Preis ein größeres Bewusstsein dafür entsteht, wie wichtig das Thema Promotionsbetreuung ist: „Ich bin inzwischen schon mehrfach darauf angesprochen worden, wie ich das mache und was mir wichtig ist“, berichtet er. Auch Anna Levke Brütt begrüßt es, dass gute Promotionsbetreuung an der Universität nun mehr Anerkennung erhält. „Die Betreuung von Promovierenden wird oft weniger honoriert und ist weniger sichtbar als die Forschung, die man macht. Dabei ist sie ein elementarer Teil der eigenen Arbeit“.