• Ein etwas abgegriffenes Buch, auf dem blau-weißen Titelblatt sind Windräder zu sehen. Im Hintergrund Bücherregale der Bibliothek.

    Die Einzelbände der Wahrnehmungsgeographischen Studien sind in der Bibliothek in der Abteilung Geographie zu finden. Universität Oldenburg / Henning Kulbarsch

Der Mensch im Raum

Ein Forum für Diskussionen über die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt – das bietet die Schriftenreihe „Wahrnehmungsgeographische Studien“ seit 40 Jahren. Rückblick auf ein Stück Universitätsgeschichte. 

Ein Forum für Diskussionen über die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt – das bietet die Schriftenreihe „Wahrnehmungsgeographische Studien“ seit 40 Jahren. Rückblick auf ein Stück Universitätsgeschichte. 

„Oldenburg? Da waren doch die Wahrnehmungsgeographen zu Hause!“ Bemerkungen wie diese hört Prof. Dr. Ingo Mose immer mal wieder auf Tagungen oder bei Treffen mit Kolleginnen und Kollegen. Sie beziehen sich auf ein Forschungsgebiet, das in den Anfangsjahren an der Universität begründet wurde und dessen Tradition bis heute in einer Schriftenreihe fortlebt – den „Wahrnehmungsgeographischen Studien“. 

„Dass die Schriftenreihe noch existiert, ist ein bisschen kurios, weil es an unserer Uni mittlerweile kein Institut für Geographie und keinen Studiengang Geographie mehr gibt“, berichtet Mose, der am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften die Arbeitsgruppe Angewandte Geographie und Umweltplanung leitet. Die Geschichte der weißblauen Bände begann Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre. Damals begründeten Forschende in Oldenburg mit der Wahrnehmungsgeographie eine Richtung, die in Fachkreisen in Deutschland und Österreich viel Aufmerksamkeit auf sich zog. 

„Die Oldenburger Gruppe um den Geographen Prof. Dr. Rainer Krüger begann, qualitative Methoden der Sozialwissenschaften im Fach Geographie zu etablieren“, erzählt Mose. Bis dahin hätten in der geographischen Forschung quantitative Methoden vorgeherrscht, es sei vor allem um Zahlen und messbare Größen gegangen. Doch die Forschenden der jungen Reformuniversität, deren Gründungsrektor Krüger war, nahmen eine andere Perspektive ein: „Sie haben den Menschen in den Mittelpunkt gerückt, haben gefragt, wie er seine Umgebung – Landschaft, Städte, Veränderungen – subjektiv wahrnimmt“, berichtet Mose. Sie führten zum Beispiel biographische Interviews durch, hörten Alltagsgesprächen zu oder analysierten Zeitungstexte. Dieser Ansatz sollte dazu beitragen, menschliche Verhaltensweisen zu erklären und Sichtweisen zu verstehen. 

Ein hochaktuelles Thema: die Wahrnehmung, Konstruktion und Bewertung von Landschaften

Als Resultat entstand 1984 die Schriftenreihe mit dem ursprünglichen Titel „Wahrnehmungsgeographische Studien zur Regionalentwicklung“. Der erste von mittlerweile 31 Bänden befasste sich mit dem Thema „Raumentwicklung und Identitätsbildung in der Niedersächsischen Küstenregion“. Mose findet es bemerkenswert, dass bereits der zweite Band die Reaktion der Menschen auf ein sehr konkretes Bauprojekt in den Blick nahm, nämlich den Neubau eines Deiches am Sielhafen in Ditzum in Ostfriesland. „Das belegt, dass es sich bei der Wahrnehmungsgeographie nicht allein um einen theoretisch-konzeptionellen Ansatz handelte, sondern dass es dezidiert auch um Fragen ging, die die Menschen vor Ort sehr konkret beschäftigt haben.“ 

Mose ist seit 2005 Mit-Herausgeber der „Wahrnehmungsgeographischen Studien“, gemeinsam mit Prof. Dr. Rainer Danielzyk von der Universität Hannover und Prof. Dr. Jürgen Hasse, der an der Universität Frankfurt am Main forscht. Beide Wissenschaftler waren früher in der Oldenburger Geographie tätig. Die Bände der Reihe erscheinen in unregelmäßigem Abstand im BIS-Verlag, meist einmal im Jahr und mittlerweile online. Manchmal sammeln die Herausgeber Aufsätze zu aktuellen Themen, in jüngerer Zeit etwa zum Zusammenhang von Nahrungsmitteln und geographischen Räumen oder zur Akzeptanz großer Naturschutzgebiete. Zuweilen veröffentlichen sie in der Reihe auch Arbeiten einzelner Forschender, die im weiteren Sinne in den Bereich der Humangeographie passen und subjektive Sichtweisen auf ein Forschungsthema berücksichtigen. Ein Ende ist nicht geplant: Anlässlich des 40-jährigen Bestehens veranstaltet Mose Ende Januar einen kleinen Workshop. 

Und die Wahrnehmungsökologie selbst? Ist heute eher ein Nischengewächs. „Es gibt sie noch, aber sie steht eher am Rande des Fachs“, berichtet Mose. Das bedeute jedoch nicht, dass die untersuchten Fragen keine Rolle mehr spielten – sondern vielmehr, dass sie so allgegenwärtig seien, dass sie in vielen verschiedenen Bereichen der Sozial- und Kulturwissenschaften untersucht würden, betont der Forscher: „Qualitative Methoden sind heute Standard auch in der Geographie – und dass man herausfinden muss, wie die Menschen Veränderungen ihrer Umwelt wahrnehmen, wie sie ein konkretes Vorhaben subjektiv bewerten und dass man sie bei der räumlichen Planung mitnehmen muss, ist natürlich nach wie vor hochaktuell.“

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