Unberührte Natur, große Seen, unzählige Rentiere – dies konnten Studierende verschiedener Studiengänge jüngst bei einer Exkursion nach Nordschweden erleben. Im Mittelpunkt standen einige der ältesten Nationalparks Europas.
Wenn Mareike Ropers an die zwei Wochen in Nordschweden zurückdenkt, erinnert sie sich vor allem an die atemberaubende Aussicht auf schneebedeckte Berggipfel, weite Seen im Tal und friedlich grasende Rentiere und Elche. Die Studentin des Masterstudienganges Sustainability Economics and Management fuhr als Teilnehmerin einer vom Geografen Prof. Dr. Ingo Mose geleiteten Exkursion ins nördliche Schweden, wo die Mitglieder der Reisegruppe mehrere Nationalparks besuchten. Solche Exkursionen sind ein fester Bestandteil des Moduls „Naturschutz in der Praxis“, das Studierende verschiedener Studiengänge absolvieren können. Auf dem Programm standen in diesem Jahr unter anderem die Nationalparks Abisko, Stora Sjöfallet und Muddus in der nördlichsten schwedischen Provinz Norrbotten.
Für Mose und seinen österreichischen Kollegen Prof. Dr. Norbert Weixlbaumer vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien, mit dem das Oldenburger Institut für Biologie und Umweltwissenschaften seit 2005 eine enge Partnerschaft pflegt, fiel die Wahl bewusst auf Nordschweden: Die Naturschutzgebiete dort zählen zu den ältesten Europas; die im Jahr 1909 gegründeten Nationalparks Sarek, Stora Sjöfallet und Abisko hatten den 1872 gegründeten Yellowstone-Nationalpark (USA) zum Vorbild. Schweden wurde damit zum Pionier des großräumigen Naturschutzes in Europa. Die lange Geschichte der Nationalparks ist für Mose ein Schlüssel, um ihre heutige Bedeutung zu verstehen: „Die historische Perspektive ist wichtig, um zum einen die frühen Motive des Naturschutzes in Europa und zum anderen die inzwischen weit fortgeschrittene Ausdifferenzierung verschiedener Ziele des Naturschutzes verstehen zu können.“ Hinzu kämen aktuelle Herausforderungen, mit denen sich die Großschutzgebiete in ganz Europa konfrontiert sähen. Dazu gehörten etwa der Klimawandel, die Biodiversitätskrise, die Energiewende und das Phänomen des Übertourismus.
Nationalparks mit ambivalenter Vergangenheit
Die nordschwedischen Nationalparks haben eine ambivalente Vergangenheit: Einerseits bildeten sie die Vorhut der modernen Nationalparks in Europa, andererseits wurden bei ihrer Gründung die Interessen der dort lebenden indigenen Sami ignoriert, die auf die Nutzung der Gebiete angewiesen sind. Letzteres hat sich inzwischen allerdings gewandelt, sodass heute Interessenvertreter der Sami bei allen wichtigen Entscheidungen mit am Tisch sitzen.
Bei ihrer diesjährigen Exkursion lernten die Teilnehmenden viel über den Naturschutz und die Regionalentwicklung im nördlichen Schweden. „Das Land räumt dem Naturschutz einen hohen Stellenwert ein und verfolgt dabei das Motto ‚Natur Natur sein lassen‘“, sagt Mose. Die nordschwedischen Nationalparks spielten aufgrund ihrer großen Ausdehnung eine wichtige Rolle beim Ziel der EU-Staaten, europaweite Biotopverbünde zu schaffen. Diese Verbünde sollen in Zukunft ein Netz von geschützten Naturräumen über den Kontinent bilden, um verschiedenen Tier- und Pflanzenarten Rückzugsräume zu bieten. Auch mehrere neu gegründete schwedische UNESCO-Biosphärenreservate sollen dabei helfen, ökologisch nachhaltige Formen der Landnutzung und der Regionalentwicklung zu erproben. Die verschiedenen Schutzgebiete dienen somit auch den Zielen, denen sich jüngst das Europäische Parlament mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur verschrieben hat.
Exkursionen bieten unvergessliche Erlebnisse
Doch warum ist es wichtig, dass sich Studierende auch vor Ort ein Bild von Naturschutzgebieten machen? Mose: „Exkursionen in Fächern wie Landschaftsökologie oder Sustainability Economics and Management durchzuführen, folgt der Idee der originalen Begegnung. Ziel ist es, den Studierenden vor Ort, also an außeruniversitären Lernorten, die originäre Anschauung und Erfahrung im Gelände zu ermöglichen.“ Die Studierenden würden mit allen Sinnen lernen und zudem praktische Fähigkeiten üben, etwa Karten zu lesen, Tiere und Pflanzen zu bestimmen und mit wechselhaften Wetterverhältnissen klarzukommen. Auch die Begegnung mit örtlichen Fachleuten spiele eine wichtige Rolle. Die Studentin Mareike Ropers freut sich derweil über die Möglichkeit, auch mal „dem typischen Unialltag zu entkommen“ sowie die Chance, sich mit Studierenden aus anderen Fachbereichen der beiden beteiligten Universitäten zu vernetzen.
Und natürlich bieten Exkursionen wie diese allen Beteiligten tolle Erlebnisse in unberührter Natur: „Vor allem eine Wanderung im Stora Sjöfallet war herausfordernd, weil die Sonne kräftig geschienen hat und gleichzeitig auf dem Berg noch Schneefelder lagen“, berichtet Mareike Ropers. Die atemberaubende Aussicht auf die umliegenden Berggipfel und die großen Seen im Tal sowie die Begegnungen mit Rentieren und Elchen hätten indes für alle Mühen entschädigt. Auch die Wanderung durch den Muddus-Nationalpark mit seinem sehr alten Baumbestand, vielen Felsen und großem See sei eine wunderbare Erfahrung gewesen. Ingo Mose pflichtet seiner Studentin bei: „Mich persönlich hat die Dimension der Landschaften im Norden Schwedens fasziniert und begeistert.“ Es gebe nur wenige ähnliche Landschaften in Europa: „Wälder, Flüsse, Seen – alles ist um ein Vielfaches größer als wir es aus Mitteleuropa und Deutschland kennen“, ergänzt er. Dazu habe ihn die „raue Schönheit“ der einsamen Berge beeindruckt. Die Exkursionsteilnehmenden erlebten zudem kurz vor dem schwedischen Mittsommer die besonders hellen und langen Juninächte und lernten Schweden so auch als Land kennen, in dem die Sonne fast nie untergeht.