Wirtschaftsinformatiker Philipp Staudt erhält eine „Impuls-Professur“. Sein Ziel: Menschen befähigen, ihren eigenen Energiebedarf einzuschätzen – und danach zu handeln.
Wofür benötigen Sie wohl mehr Strom: wenn Sie abends einen Star-Wars-Film gucken oder sich am nächsten Morgen einen Kaffee kochen?“ Wenn Prof. Dr. Philipp Staudt solche Fragen stellt, stehen viele erst einmal auf dem Schlauch. Wer hat den Stromverbrauch des eigenen Haushalts schon so detailliert durchschaut?
An dieser Stelle setzt die Forschung des Wirtschaftsinformatikers mit Schwerpunkt Umwelt und Nachhaltigkeit an. Er analysiert, wie digitale Werkzeuge gestaltet sein müssen, um beim eigenen Strom- oder Gasverbrauch den Durchblick zu bekommen und entsprechend agieren zu können. Dabei hilft ihm eine eigens entwickelte App, die den Verbrauch mit Hilfe eines Sensors auf dem Zähler in Echtzeit darstellt, diesen teils sogar nach Geräten aufschlüsselt und die Energiekosten – auch bei variablen Tarifoptionen – simuliert.
Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) fördert Staudt und seine Forschung in den kommenden fünf Jahren nun mit einer „Niedersachsen-Impuls-Professur“. Ab Februar erhält der Juniorprofessor am Department für Informatik insgesamt 526.000 Euro aus Mitteln der VolkswagenStiftung. „Impuls-Professuren“ gehen anschließend in eine reguläre Professur über.
Schon während der Studienzeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hatte Philipp Staudt den Stromverbrauch seiner Wohngemeinschaft im Blick. So stellte der Fußballfan erfreut fest, dass der Kauf eines größeren Fernsehers vor einer Europameisterschaft keineswegs zu einer explodierenden Stromrechnung führte – dank sparsamer LED-Technologie.
Mit der Energiewende fand Staudt sein Thema, schrieb sowohl seine Bachelor- als auch seine Masterarbeit in diesem Kontext. Anschließend promovierte er – ebenfalls am KIT – zu der Frage, wie digitale Technologie und Marktdesign helfen können, Netzengpässe bei der Stromübertragung zu verringern. Als Leiter der Arbeitsgruppe „Smart Grids & Energy Markets“ forschte er zunächst weiter in Karlsruhe, später in den USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, ehe er 2022 nach Oldenburg kam.
Eine App, um die Selbstwirksamkeit beim Energiesparen zu steigern
Bis heute betreibt er designorientierte Forschung, die neben Instrumenten der Informatik und Ökonomie auch sozialwissenschaftliche Methoden einsetzt. „Die Wirtschaftsinformatik ist ohnehin eine sozio-technische Fachrichtung – an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Technik“, so Staudt. „Ziel ist es zu verstehen, wie und mit welchem Zweck Organisationen oder Individuen Technologien nutzen und was sich mit deren Einsatz verändert.“ Dabei betrachtet er neben der Kernfunktionalität etwa die Userfreundlichkeit und andere Design-Komponenten wie Push Nachrichten, spielerische Elemente und Visualisierungen.
Anhand der gemeinsam mit Masterstudierenden entwickelten App „Energyleaf“ möchte Staudt nun in den kommenden Jahren ergründen, wie das Design aussehen muss, um das Thema Energiebedarf für Menschen durchschaubar zu machen und ihre Selbstwirksamkeit etwa beim Energiesparen zu steigern. Und vielleicht, so Staudt, lasse sich auch eine wichtige Lücke schließen, nämlich diejenige zwischen dem Erkennen einer auch finanziell lohnenden energieeffizienteren Option und der entsprechenden Investition.
Dafür möchte er in mehreren hunderten Haushalten mithilfe eines Sensors am digitalen Stromzähler und der verknüpften App anonymisiert jeweils zwei Wochen lang erheben, wie die Menschen die Software-Anwendung nutzen, wie ihr Verbrauchsprofil bei Strom und Gas und ihr Verhalten zusammenwirken. Einige vertiefende Interviews sollen hinzukommen. Dank der „Impuls-Professur“ kann Staudt dafür sein bisher dreiköpfiges Team um einen Doktoranden vergrößern.
Da Staudt selbst gerne Kaffee trinkt, weiß er übrigens nur zu gut, „dass sich alles, was Wärme erzeugt, beim Strombedarf besonders auswirkt“ – und zwar mehr als das Schauen eines Films.