Wie kommt es, dass im Meer gelöstes organisches Material über Jahrtausende hinweg Kohlenstoff speichern und so unser Klima relativ stabil halten kann? Um der Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, haben Meeresforscher der Universität ein mehrjähriges Laborexperiment durchgeführt.
Das fünfköpfige Team um Dr. Helena Osterholz und Prof. Dr. Thorsten Dittmar vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) hat seine Erkenntnisse in der aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Das Meer speichert in gelöstem organischem Material – nach der englischen Übersetzung („dissolved organic matter“) mit DOM abgekürzt – ähnlich viel Kohlenstoff wie die Erdatmosphäre als Kohlenstoffdioxid (CO2). Diese hochkomplexe Mischung verschiedener kohlenstoffhaltiger Substanzen besteht aus Stoffwechsel- und Abbauprodukten mariner Organismen wie Algen. Sie bildet die Lebensgrundlage von Meeresbakterien, die bei deren Abbau den enthaltenen Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre freisetzen.
Doch ein Großteil des DOM verbleibt mehrere tausend Jahre lang im Meerwasser, teilweise sogar bis zu 40.000 Jahre. Dieses sogenannte refraktäre DOM – oder RDOM – fungiert somit als ein großer Langzeit-Kohlenstoffspeicher.
Die Frage, ob RDOM allein durch biologische Prozesse entstehen und wie es in der Folge bakteriellem Abbau so lange widerstehen kann, ist Grundlage des nun publizierten Aufsatzes. Dazu vermischten die Forscher reines, zunächst DOM-freies Salzwasser mit jeweils einer kleinen Menge Nordseewasser nebst seinem natürlichen Algen- und Bakteriengehalt. Anhand von Wasserproben über einen Zeitraum von 1011 Tagen ließen sich Algenwachstum, DOM-Freisetzung und -Abbauprozesse beobachten und mithilfe ultrahochauflösender chemischer Methoden detailliert analysieren.
Die Forscher überprüften: Sind die im Labor produzierten Moleküle gleich denen der Tiefsee und jeweils in ähnlicher Konzentration vorhanden wie im Tiefenwasser der Ozeane weltweit? Ergebnis: Es kommen zwar größtenteils dieselben Moleküle vor wie im marinen RDOM – aber überwiegend in ganz anderer Konzentration. Das Mischverhältnis der DOM-Bestandteile im Labor stimmte nicht mit RDOM überein.
In einer komplizierten Rechnung ermittelten die Wissenschaftler den Anteil von RDOM am gesamten organischen Material im Experiment; dies waren 0,2 bis 0,4 Prozent des insgesamt gebundenen Kohlenstoffs. „Dies liegt in der gleichen Größenordnung wie theoretische Abschätzungen, die von etwa 0,6 Prozent ausgehen. Somit konnten wir nun experimentell nachweisen, was lange vermutet wurde: Biologische Prozesse reichen aus, um die Menge des im Meer gespeicherten Kohlenstoffs stabil zu halten“, sagt Osterholz.
Ein empfindliches Gleichgewicht, das für unser Klima höchst relevant sei: „In der Erdgeschichte haben vermutlich schon kleine Schwankungen in der Konzentration von gelöstem organischen Material zu erdumfassenden Eiszeiten oder Warmzeiten geführt.“
Nach insgesamt gut vier Jahren Laufzeit des Laborexperiments werden die Wissenschaftler bald die letzten Wasserproben aus den großen Gefäßen entnehmen. Der Rest wird einem Folgeexperiment dienen: Mithilfe von UV-Licht werden die Wissenschaftler als nächstes Prozesse an der lichtdurchfluteten Meeresoberfläche simulieren.