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Zentrum für Recht der Informationsgesellschaft

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Prof. Dr. Jürgen Taeger lehrt und forscht seit 1996 an der Universität Oldenburg. Er leitet den juristischen Studiengang „Informationsrecht, LL.M.“ und fungiert als Direktor des interdisziplinären Zentrums für Recht der Informationsgesellschaft (ZRI). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht sowie das Informationsrecht. Auf dem Gebiet des Datenschutzes berät er bundesweit zahlreiche mittelständische und große Unternehmen.

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Prof. Dr. Jürgen Taeger

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  • Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Taeger. Foto: Universität Oldenburg

"Charakter des Internets würde sich nachhaltig verändern"

Im Internet regt sich Widerstand gegen die EU-Urheberrechtsreform. Kritiker befürchten unter anderem Zensur durch sogenannte Uploadfilter. Im Interview erklärt Rechtswissenschaftler Jürgen Taeger die Hintergründe.

Im Internet regt sich Widerstand gegen die EU-Urheberrechtsreform. Kritiker befürchten unter anderem Zensur durch sogenannte Uploadfilter. Im Interview erklärt Rechtswissenschaftler Jürgen Taeger die Hintergründe.

Herr Taeger, im Moment häufen sich Presseberichte über die EU-Urheberrechtsreform. Worum geht es dabei?

Die aktuelle EU-Urheberrichtlinie stammt noch aus dem Jahr 2000. Damals gab es die großen Internetplattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter noch gar nicht, auf denen Nutzer heute in unvorstellbar großem Umfang Dateien einstellen. Manche Quellen nennen 450 Stunden Bildmaterial, das bei YouTube in jeder Minute hochgeladen wird.

Es ist also keine Frage, dass das Urheberrecht der Entwicklung des Internets angepasst werden muss, auch um Urheberrechte zu schützen. Dabei muss ein vernünftiger Ausgleich geschaffen werden zwischen denjenigen, die als Urheber – die sogenannten Kreativen – Videos, Musik und Texte erschaffen und dafür auch wirtschaftlich an einer Verwertung partizipieren wollen, wenn ihre Werke kopiert und auf Internet-Plattformen wieder hochgeladen werden. Und auf der anderen Seite denjenigen, für die sich im Internet eine neue Kultur des Linkens und Teilens entwickelt hat. Fotografien werden verwendet, um als mit witzigen Texten versehene Memes oder verändert als Karikaturen wieder verbreitet zu werden. Es werden selbsterstellte Filme hochgeladen, in denen im Hintergrund ein urheberrechtlich geschütztes Musikstück gespielt wird.

Hinzu kommt, dass wir zur Orientierung im Internet Suchmaschinen nutzen und snippets bekommen – das sind kurze Textzeilen, die uns informieren, was wir hinter dem gefundenen Link finden werden. Diese Textzeilen können beispielsweise Textauszüge aus Zeitungsartikeln oder anderen urheberrechtlich geschützten Werken sein. Insbesondere Zeitungsverlage wollen das nicht ohne Vergütung akzeptieren.

Diese gegenläufigen Interessen sollen durch die Reform zu einem fairen Ausgleich gebracht werden. Dass es schwierig ist, die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen von Urhebern, Zeitungsverlagen und Verwertungsgesellschaften auf der einen Seite und den Interessen der Verfechter eines freien Internets unter einen Hut zu bringen, liegt auf der Hand.

Die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Ministerrat haben kürzlich einen Kompromiss gefunden. Weshalb geht  jetzt eine Welle der Kritik durch das Internet? In Köln haben sogar schon 1.500 Menschen gegen den Kompromiss demonstriert

Die Kritik entzündet sich insbesondere an zwei Regelungen in dem Entwurf, den das EU-Parlament noch beschließen muss. Vor allen Dingen wird der Art. 13 kritisiert, weil er die Haftung für die großen Plattformbetreiber wie YouTube oder Instagram verschärft. Bisher schon gilt, dass die Internetdiensteanbieter Inhalte löschen müssen, wenn durch hochgeladene Dateien Rechte anderer verletzt werden. Die Urheber müssen dafür aber aktiv einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Über den Unterlassungsanspruch – oder klarer formuliert: den Löschungsanspruch – hinaus sind die Diensteanbieter nicht zu einer Geldentschädigung verpflichtet, weil sie derzeit nicht als Verletzer der Urheberrechte angesehen werden. Das wird auch noch bis zutr Umsetzung in nationales Recht weiterhin so gelten, aber sich dann ändern. Die neue Vorschrift nimmt nun YouTube, Instagram und ähnliche Anbieter als Rechtsverletzter in die Pflicht. Deren Ziel besteht darin, Inhalte, die von ihren Nutzern hochgeladen werden, zu speichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um damit Gewinne – etwa durch Werbung – zu erzielen..

Diese Diensteanbieter sollen nun dafür haften, wenn ohne Lizenz urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern hochgeladen werden.  Sie sollen künftig verpflichtet werden , Dateien vor einem Upload zu überprüfen, ob sie Urheberrechte verletzen. Das läuft letztlich darauf hinaus, dass sie Uploadfilter-Software einsetzen müssen. Google hatte einen solchen Filter für YouTube schon mit dreistelligen Millionen-Betrag entwickelt. Dieser Algorithmus wird verfeinert werden müssen, was erneut mit erheblichen Kosten verbunden sein wird. Google wird diesen Algorithmus an andere Plattformbetreiber vermarkten, wobei kleinere Anbieter die hohen Lizenzkosten nur schwer werden aufbringen können. Ich fürchte, dass auch diese Maßnahme zur Steigerung der Marktmacht der großen Anbieter beitragen wird.

Gegen einen Uploadfilter sprach sich unsere Regierung übrigens einmal im Koalitionsvertrag eindeutig aus. Nun soll er über die EU doch kommen. Wie kann das sein? Die neue Richtlinie behandelt nun auch den Plattformbetreiber als Rechtsverletzer, wenn er es zulässt, dass eine Urheberrechte verletzende Datei hochgeladen wird. Das darf er nur, wenn er zuvor eine Lizenz ausgehandelt hat. Macht er das nicht oder erhält er die Lizenz nicht und lädt die urheberrechtsverletzende Datei dennoch hoch, muss er nicht nur löschen, sondern er würde nun auch zur Kasse gebeten werden.

Gibt es Ausnahmen, was die Haftung betrifft?

Ja. Nach dem jetzigen Kompromiss sind Anbieter von Online-Enzyklopädien ohne Erwerbszweck wie Wikipedia, Bildungseinrichtungen und wissenschaftliche Archive sowie Online-Marktplätze wie ebay und Amazon ausgenommen. Der Plattformbetreiber haftet erstens dann nicht, wenn er sich nach besten Kräften darum bemüht hat, eine Genehmigung einzuholen. Das ist nun eine vollkommene unverständliche Ausnahme. Es wird nicht geregelt, bei wem er die Lizenz einholen kann, wenn ihm der Urheber nicht bekannt ist, und was der offene Tatbestand „nach besten Kräften bemüht“ eigentlich konkret bedeutet. Wer legt fest, wann das der Fall ist? Diese Vorschrift wird zu großer Rechtsunsicherheit führen.

Das gilt auch für die zweite Ausnahme, nach der der Betreiber sich „nach besten Kräften“ bemüht haben muss, nach Hinweisen auf die Rechtsverletzung durch ein Upload die Verfügbarkeit zu verhindern. Und schließlich haftet er nicht, wenn er nach einem Hinweis auf die Rechtsverletzung die Datei entfernt und sicherstellt, dass sie nicht erneut geladen wird. Der letzte Punkt ist allerdings nach der BGH-Rechtsprechung schon jetzt geltendes Recht.

Außerdem fällt ins Auge, dass vor einer etwaigen Haftung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden muss, bei der die Art, das Publikum und die Größe des Dienstes und die Art der von den Nutzern hochgeladenen Werke oder sonstigen Gegenstände sowie die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und deren Kosten für die Dienstleister zu berücksichtigen sind. Auch diese Anforderungen sind so unbestimmt, dass sie in der Praxis nur schwer handhabbar sein werden.

Sie haben es bereits angesprochen: Wird es für kleine Plattformbetreiber, bei denen fremde Inhalte hochgeladen werden können, nicht technisch und finanziell sehr schwer sein, diese Anforderungen zu erfüllen?

Ja, auf diese Überlegung ist man offenbar bei der Formulierung eines Kompromisses noch gekommen. Nun heißt es in Art. 13 Abs. 5, dass junge Dienste, die nicht älter als drei Jahre sind, und einen Umsatz von unter 10 Millionen Euro haben, von der strengen Haftung befreit werden, aber für das Entfernen der betreffenden Datei dann verpflichtet sind, wenn sie von der Rechtsverletzung erfahren. Diese Handlungspflicht gilt aber bereits jetzt. Haben Plattformen, so heißt es in Absatz 5 weiter, im Schnitt des letzten Kalenderjahres mehr als 5 Millionen Nutzerzugriffe im Monat, dann müssen sie dafür Sorge tragen, dass sich das Hochladen des fraglichen Contents nicht wiederholt – unabhängig vom Umsatz oder dem Alter des Plattformbetreibers.

Was könnte sich für die Internetnutzer ändern?

Der Charakter des Internet würde sich nachhaltig verändern, wenn Algorithmen die Prüfung vornehmen, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Zwar soll auch künftig möglich sein, geschützte Werke für Kritik, Satire oder Kunst zu verwenden. Ich zweifle aber, dass Maschinen in der Lage sein werden, angemessene rechtliche Abwägungen zu treffen. Wohl auch deswegen hat der Hauptgeschäftsführer des Bitkom, Dr. Bernhard Rohleder, mit drastischen Worten die Kritik der Internetwirtschaft zum Ausdruck gebracht und erklärt, dass die Pflicht der Vorabkontrolle durch Uploadfilter die Grenze zwischen Kontrolle und Zensur überschreitet. Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Es fällt schwer nachzuvollziehen, dass es nach dem Wortlaut des Entwurfes keine „generelle Überwachungspflicht“ geben soll, aber die Anwendung eines Uploadfilters faktisch doch zur Pflicht gemacht wird.

Sie sprachen die Rechtsunsicherheit an. Erwarten Sie viele Klagen nach der Umsetzung in nationale Gesetze?

Die wird es sicher geben. Es wird dann einige Jahre dauern, bis am Ende die Rechtsprechung des EuGH für mehr Klarheit bei der Auslegung der offenen Tatbestandsmerkmale sorgt. Was die Rechtsstreitigkeiten anbelangt, die geführt werden, weil der Filter den Upload abgewiesen hat oder weil ein Diensteanbieter das Hochladen nicht verhindert oder die Datei nicht löscht, so ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren vorsehen müssen.

Sie erwähnten eingangs, dass es auch Kritik an einer anderen Regelung gibt…

Richtig, umstritten ist auch Artikel 11 der Richtlinie zur Urheberrechtsreform, der die Einführung des Leistungsschutzrechts in allen Mitgliedstaaten vorsieht. Danach sollen Plattformen wie die Suchmaschinen, zum Beispiel Google, ohne Erlaubnis keine Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Suchergebnissen anzeigen dürfen. Auch sonstige Plattformen dürfen dann keine kurzen Textteile aus fremden Texten mehr aufnehmen, wenn sie einen Link setzen. Das erscheint mir eine recht nutzerunfreundliche Regelung zu sein. In Deutschland und Spanien waren derartige nationalen Leistungsschutzrechte aus gutem Grund bereits früher gescheitert, so dass wir heute in Suchmaschinen wieder sprechende, aussagekräftige Links finden. Dafür gibt es eine Kompensation an die Rechteinhaber. Art. 11 würde das Internet weniger komfortabel machen.

Wie geht es nun weiter?

Nun muss noch das EU-Parlament dem Kompromiss zustimmen. Derzeit dürfte nach dem Ergebnis im Trilog – also den Verhandlungen in Kommission, Rat und Parlament – wohl eine Mehrheit gesichert sein. Zu bedenken ist aber, dass beim Trilog längst nicht alle Mitgliedstaaten im Ministerrat dem Kompromiss zustimmten. Malta, die Slowakei, Italien, Polen, die Niederlande, Schweden, Finnland und Luxemburg haben sich gegen den Kompromiss ausgesprochen. Dafür hat nunmehr Deutschland den Entwurfstext doch befürwortet, obwohl es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2018 noch hieß, dass eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern, als unverhältnismäßig abgelehnt wird. Der Protest der Nutzer und der Internetwirtschaft wird immer stärker, wie man an den zahlreichen Tweets bei Twitter sieht. Auch finden immer mehr Demonstrationen statt. Ich will nicht ausschließen, dass das im Parlament Eindruck hinterlässt und die Reform in dieser Form noch gestoppt werden wird. Ansonsten gilt: Wenn die Richtlinie angenommen und im Amtsblatt veröffentlich wird, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, ihre nationalen Urheberrechtsgesetze oder Telemediengesetze anzupassen.

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