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Die Brüder Grimm und der niederländische Sprachraum

2012 ist es zweihundert Jahre her, seit Jacob und Wilhelm Grimm ihre Märchen zum ersten Mal veröffentlichten. Die Märchen sind Teil des Kulturguts vieler Länder – auch im niederländischen Sprachraum.

2012 ist es zweihundert Jahre her, seit Jacob und Wilhelm Grimm ihre Märchen zum ersten Mal veröffentlichten. Die Märchen sind Teil des Kulturguts vieler Länder – auch im niederländischen Sprachraum.
Die Brüder Grimm widmeten sich aber auch der Erforschung der deutschen und niederländischen Erzähltraditionen und Sprachen.

Die Oldenburger Niederlandistin, Germanistin und Heisenbergstipendiatin PD Dr. Rita Schlusemann verspricht sich von der Korrespondenz der Brüder mit Niederländern und Belgiern eine neue Sicht ihrer Bedeutung für die Geschichte der Wissenschaften. Ihr von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziertes Projekt einer wissenschaftlich kommentierten Edition des Briefwechsels wird nun für weitere zwei Jahre verlängert.

Seit Projektbeginn habe sich die Zahl der Brieffunde – vor allem im Rijksarchief van Noordholland in Haarlem und in der Königlichen Bibliothek in Den Haag – um etwa ein Viertel erhöht, berichtet die Wissenschaftlerin. Inzwischen sind 285 Briefe in deutscher, niederländischer, französischer und lateinischer Sprache transkribiert. Über diesen rein quantitativen Aspekt hinaus seien die Briefe – gerade die neu entdeckten – auch qualitativ von großer Bedeutung: „Sie werfen ein neues Licht auf die frühen Beziehungen der Grimms zu den Niederlanden. Die beiden Sprachwissenschaftler betrachten die Literatur der ‚nideren lande’ nicht als eine Art ‚deutschen Ausläufer’“, so Schlusemann. Der Briefwechsel zeuge von gegenseitiger Wertschätzung und dem Bemühen der Grimms um die niederländische Literatur.

Die Edition des Briefwechsels versteht die Oldenburger Wissenschaftlerin als wichtige Quelle zu einer grundsätzlich neuen Beurteilung der Wissenschaftsbeziehungen zwischen der Niederlandistik und Germanistik im 19. Jahrhundert. Die Korrespondenz belege die hohe Wertschätzung der beiden deutschen Wissenschaftler und ihrer Arbeiten zur niederländischen Sprach- und Literaturgeschichte, betont Schlusemann.

So erhält Jacob Grimm (1785 – 1863) 1812 die briefliche Mitteilung, dass das „Hollandse Instituut van Wetenschappen, Letterkunde en Schoone Kunsten“, der Vorläufer der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften, ihn zum „Membre Correspondant“ ernannt hat. In der Folge entwickelt sich zwischen dem Sekretär des „Instituuts“, dem Dichter Willem Bilderdijk (1756 – 1831), und Jacob Grimm ein intensiver Briefwechsel. Es geht um Aspekte der vergleichenden Sprachgeschichte, aber auch um Literaturgeschichte. Sie korrespondieren über die Tradition des niederländischen Tierepos „Van den vos Reynaerde“, tauschen sich über das Versepos „Reynaerts historie“ und die 1498 in Lübeck gedruckte mittelniederdeutsche Inkunabel „Reynke de vos“ aus. Sie gilt als ältester Vorläufer von Johann Wolfgang von Goethes „Reineke Fuchs“.

Vier Jahre nach dem Beginn der Korrespondenz, im September 1816, ernannte das „Instituut“ Jacob Grimm als erstes ausländisches Mitglied zum „membre associé“. Bereits 1813 informierte der Briefschreiber der noch heute in Leiden ansässigen altehrwürdigen „Maatschappij der Nederlandse Letterkunde“ (Gesellschaft für niederländische Literatur) ihn, dass er zum Mitglied ernannt worden sei. Die Begründung: seine Kenntnisse und Verdienste.
Schlusemann erhofft sich von der Auswertung bereits bekannter und neuer Dokumente weitere Einsichten in die Wissenschaftsgeschichte der drei Länder.

Schlusemann ist seit 2009 Heisenberg-Stipendiatin an der Universität Oldenburg. Sie habilitierte sich 2007 an der Universität Münster und lehrt und forscht zu deutscher und niederländischer Literatur des Mittelalters sowie zur Wissenschaftsgeschichte.

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