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Artikel: Stagnation im tiefen Südpazifik

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Dr. Katharina Pahnke-May

Institut für Chemie und Biologie des Meeres

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  • In speziellen Abzügen wird die Luft noch einmal gefiltert.

  • Ins Reinraumlabor der Oldenburger Geochemiker kommt man durch eine spezielle Schleuse. Weil Metalle aus Farbpigmenten die Messungen verfälschen könnten, ist die Laboreinrichtung ganz in weiß gehalten. Fotos: Daniel Schmidt/Universität Oldenburg

  • Handschuhe und ein spezieller Schutzanzug sind im Reinraumlabor Pflicht.

  • Katharina Pahnke-May ermittelt die Konzentration von Spurenmetallen in den Ozeanen.

Die Essenz der Ozeane

Die Oldenburger Geochemikerin Katharina Pahnke-May will die genaue Verteilung einiger Spurenmetalle in den Weltmeeren ermitteln. Die Spurenstoffe bilden eine Art Markierung für Meeresströmungen – und verraten einiges über deren Herkunft

Im Wasser der Weltmeere sind winzige Mengen verschiedener Metalle gelöst. Die Oldenburger Geochemikerin Katharina Pahnke-May will die genaue Verteilung einiger dieser Substanzen ermitteln. Die Spurenstoffe bilden eine Art Markierung für Meeresströmungen – und verraten einiges über deren Herkunft.

Das Meerwasser ist immer mal wieder als Rohstoffquelle im Gespräch: Alle Ozeane zusammen enthalten geschätzte 20 Millionen Tonnen Gold. Der Wert davon ist rund zehnmal so hoch wie das weltweite Bruttosozialprodukt. Wirtschaftlich gewinnen lässt sich das Edelmetall freilich nicht, denn in jedem Liter Meerwasser sind nur homöopathische Dosen enthalten, in der Größenordnung von einigen Billionstel Gramm pro Liter. „Um sich anschaulich vorzustellen, wie gering solche Konzentrationen sind, nutze ich gerne den Vergleich mit olympischen Schwimmbecken“, sagt Dr. Katharina Pahnke-May. Die Geochemikerin rechnet vor, dass der Inhalt eines 50 Meter langen, 25 Meter breiten und zwei Meter tiefen Beckens 2.500 Kubikmeter beträgt. Würde man einen Tropfen Hustensaft mit einem Volumen von 0,05 Millilitern in einer Wassermenge auflösen, die 20 dieser Schwimmbecken entspricht, dann kommt man auf ein Verhältnis von 1 zu einer Billion – einer 1 mit zwölf Nullen. „Das ist die Größenordnung, mit der wir uns beschäftigen“, sagt Pahnke-May.

Ihr Fachgebiet ist die marine Isotopengeochemie: Die Forscherin und ihre Kollegen von der gleichnamigen Oldenburger Max-Planck-Forschungsgruppe untersuchen die Konzentration von Spurenmetallen in verschiedenen Meeresgebieten und messen das Verhältnis ihrer Isotope – unterschiedlich schwerer Varianten dieser Elemente. Gold zählt nicht zu den Stoffen, denen die Gruppe auf der Spur ist, doch in den Ozeanen sind viele weitere Metalle ähnlich fein verteilt.

Neodym etwa, ein Stoff aus der Familie der Seltenen Erden, oder auch Blei, Strontium, Eisen und Silizium. Diese Substanzen sind im Meerwasser aufgelöst oder in winzigen Staubteilchen enthalten, die Wind und Flüsse von den Kontinenten herunterspülen. Aus scheinbar marginalen Unterschieden in der Zusammensetzung dieser Stoffe im Meerwasser können Pahnke-May und ihre Kollegen erstaunliche Geschichten herauslesen. Die Spurenstoffe verraten ihnen etwa, wie stark sich die Wassermassen der Ozeane vermischen, welche kontinentalen Einflüsse eine Meeresströmung prägen oder wo die Nährstoffe herkommen, die mitten im Pazifik Algen erblühen lassen. Die hauchfeinen Beimischungen können sogar enthüllen, welchen Verlauf Meeresströmungen in der Vergangenheit genommen haben – eine Information, die für Klimastudien wichtig ist.

Das Fachgebiet der marinen Isotopengeochemie, berichtet Pahnke-May, ist noch verhältnismäßig jung, erfreut sich aber dank verbesserter Messmethoden zunehmender Beachtung. „Es wird immer deutlicher, wie nützlich Spurenelemente sind, um die Geochemie des Meeres besser zu verstehen“, sagt sie. Für ihre Untersuchungen nutzen sie und ihr Team vor allem Stoffe, die nicht in biologische Kreisläufe eingebunden sind. Denn bei diesen Substanzen ändert sich das Isotopenverhältnis nur, wenn sich Wassermassen vermischen. Es bildet somit eine Art Fingerabdruck einer Meeresströmung.

Staubfrei arbeiten im Reinraumlabor

Um dem Meer diese Geheimnisse zu entlocken, müssen Pahnke-May und ihr Team einen immensen Aufwand betreiben. Noch komplizierter als die verschwindend geringen Metallmengen aus dem Meerwasser zu extrahieren ist es, die Isotopenverhältnisse zu messen. „Bei Neodym brauchen wir bis zu 20 Liter Wasser für eine einzige Messung“, berichtet Pahnke-May. Ein weiteres Problem: Die Proben können durch Rost vom Schiff oder Staubkörnchen aus der Luft verunreinigt werden. Schon bei der Probennahme müssen die Oldenburger Geochemiker daher Spezialgeräte verwenden – etwa Wasserschöpfer, die mit Teflon beschichtet sind, deren Schließmechanismus keine Metallfedern enthält und die an einem mit Kunststoff ummantelten Stahlseil hängen.

Auch bei der Aufbereitung der Proben gehen die Forscherinnen extrem sorgfältig vor. Seit 2015 verfügen sie über ein metallfreies Reinraumlabor, in dem keine ungeschützten Metallflächen vorhanden sind, die zur Freisetzung von Rost führen könnten und dessen Luft praktisch staubfrei ist. Eine ausgeklügelte Belüftungsanlage saugt sofort jedes Körnchen ab, das sich an einen der mit einer Plexiglasscheibe geschützten Arbeitsplätze verirrt.

Die Forscherin kam 2006 während ihrer Postdoc-Zeit an der New Yorker Columbia University auf das Thema Spurenmetalle. Nach ihrem Geologie-Studium in Kiel und der Promotion an der Cardiff University in Wales war sie in die USA gewechselt, zunächst an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, anschließend ans renommierte Lamont Doherty Earth Observatory, das zur Columbia University gehört. Dort entstand gerade ein neues Forschungsprogramm, in dem es darum ging, die Konzentrationen verschiedener Spurenstoffe im Ozean zu kartieren. Das internationale Großprojekt mit dem Namen „Geotraces“ begann 2009 mit ersten Messfahrten, um die Verteilung von Mikronährstoffen wie Eisen und anderen Spurenelementen im Meer zu ermitteln.

Die Schmutzfahne der Vulkaninseln

Auch das Element Neodym und seine Isotope stehen als Marker für Meeresströmungen auf der Liste: Die heutige Verteilung dieses Stoffs bildet die Basis, um Rückschlüsse auf die Vergangenheit zu ziehen. Pahnke-May, die sich zuvor mit paläoozeanografischen Themen befasst hatte, koordinierte unter anderem die Vorarbeiten zu den Neodym-Messungen. „Weil es auf diesem Gebiet noch sehr viel Forschungsbedarf gibt und wir mit diesen Markern viele spannende Fragen angehen können, sind Spurenmetalle und deren Isotope im Meer mein Hauptinteresse geblieben“, erzählt sie.

Insgesamt verbrachte die Forscherin elf Jahre im Ausland. „Oldenburg ist so attraktiv, dass ich 2011 aus dem tropischen Paradies Hawaii gerne nach Norddeutschland zurückgekehrt bin“, erzählt sie schmunzelnd. Sie übernahm die Leitung der neu eingerichteten Max-Planck-Arbeitsgruppe Marine Isotopengeochemie, die zum Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und zum Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) gehört.

Seitdem haben sie und ihr mittlerweile neunköpfiges Team einiges erreicht. Pahnke-May und ihr Kollege Dr. Henning Fröllje fanden beispielsweise heraus, dass die Hawaii-Inseln eine wichtige Quelle für Spurenstoffe im zentralen Pazifik sind – und dass dort weniger Staub vom asiatischen Festland ankommt, als man vorher vermutet hatte. Auch andere Vulkaninseln hinterlassen im Pazifik eine Art Schmutzfahne, zeigt eine Studie von Melanie Behrens aus Pahnke-Mays Gruppe. Die jetzige Postdoktorandin stellte fest, dass die Insel Neuguinea den Strömungen im tropischen Pazifik offenbar einen chemischen Stempel aufprägt.

Die aktuellen Messungen dienen auch als Basis, um zukünftige Veränderungen nachweisen zu können, etwa die Folgen des Klimawandels in der Arktis. Drei Forscherinnen aus Pahnke-Mays Gruppe untersuchen Wasserproben aus dem zentralen Arktischen Ozean auf Neodym, andere Seltene Erden und Silizium. Sie wollen herausfinden, wo diese Elemente derzeit in die Arktis eingetragen werden und was ihre Kreisläufe beeinflusst. Auf der Basis dieser Informationen kann in Zukunft beurteilt werden, wie sich das Schmelzen des Meereises und der Permafrostgebiete auf den Materialtransport auswirken. In anderen Projekten geht es um den Weg der Spurenelemente ins Meer. Dafür analysieren die Oldenburger zum Beispiel Wasser aus der Wesermündung oder Grundwasser, das unterhalb des Meeresspiegels in die Nordsee fließt, etwa auf der Insel Spiekeroog.

Urzeitliche Beweisstücke im Meeresboden

Durch Vergleich mit dem heutigen Zustand lässt sich außerdem herausfinden, ob bestimmte Meeresströmungen früher anders verlaufen sind als heute. Der Blick in die Urzeit erfordert eine Detektivarbeit, die fast noch komplizierter ist als die Analyse der Gegenwart. Die Forscher um Pahnke-May müssen dafür in Bohrkernen aus dem Meeresboden nach Beweisstücken suchen. Das Sediment enthält zum Beispiel Schalen einzelliger Tierchen, die von Eisen-Mangan-Krusten überzogen sind oder winzige Zähne fossiler Fische.

In solchen Überresten, die sich im Meer selbst gebildet haben, ist das Isotopenverhältnis des Meerwassers aus der Zeit ihrer Entstehung gespeichert. Anhand von Fischzähnen aus dem Südpazifik wiesen Wissenschaftler um Pahnke-May zusammen mit Kollegen nach, dass die Wassermassen im Südpolarmeer während der letzten Eiszeit wesentlich stärker geschichtet waren als heute. Diese Erkenntnis, die sie im Februar 2018 in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlichten, ist ein entscheidendes Puzzlestück, um den bislang rätselhaften Ablauf der Erwärmung am Ende der Eiszeit aufzuklären. Die Forscher schließen aus den Messungen, dass die Tiefsee während der letzten Eiszeit große Mengen CO2 speichern konnte. Mit beginnender Erwärmung vermischten sich die Wassermassen stärker, wie die Messungen zeigen. So wurde das Treibhausgas im Südpolarmeer freigesetzt, gelangte in die Atmosphäre und verstärkte den Temperaturanstieg.

Es ist eine wichtige Pionierarbeit, die die Oldenburger Geochemiker leisten: Nach und nach vervollständigen sie das Bild, wie die Spurenmetalle im Ozean verteilt sind, in welche marinen Kreisläufe sie eingebunden sind und woher sie stammen. Katharina Pahnke-May wird diese grundlegende Aufgabe noch einige Jahre beschäftigen. Sie ist sich sicher: „Wenn wir die kritischen Wissenslücken schließen, verstehen wir besser, wie sich die Ozeane in der Vergangenheit verändert haben und können die Zukunft zuverlässiger vorhersagen.

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