Ein internationales Team unter Oldenburger Leitung hat erstmalig tropische Ruderfußkrebse im Oberflächenfilm des Meeres untersucht: Dank blauer Färbung sind die Tiere offenbar gut an starke Sonneneinstrahlung angepasst und vor Fressfeinden getarnt.
„Ganz schön blau“ dachten die Meeresforscherinnen Dr. Janina Rahlff und Dr. Mariana Ribas Ribas, als sie im November 2016 auf einer Expedition im tropischen Pazifik auf die gut drei Millimeter großen Ruderfußkrebse stießen. Ziel der Wissenschaftlerinnen des Instituts für Biologie und Chemie des Meeres (ICBM) und ihrer deutschen, US-amerikanischen und britischen Kollegen war eigentlich, die chemischen und physikalischen Eigenschaften des dünnen Films an der Grenze zwischen Luft und Meeresoberfläche zu untersuchen. Diese nur wenige tausendstel Millimeter dicke, nährstoffreiche Schicht bildet sich vor allem bei ruhigen Wetterbedingungen.
Das Besondere an diesem Film: Die Sonneneinstrahlung ist hoch und Temperatur und Salzgehalt können stark schwanken. Was diese extremen Bedingungen für die Lebewesen im obersten Millimeter des Meeres bedeuten, ist bisher kaum untersucht – auch, weil es nicht einfach ist, Proben dieser dünnen Schicht zu gewinnen. Dank eines in der Arbeitsgruppe von ICBM-Wissenschaftler Dr. Oliver Wurl entwickelten ferngesteuerten Katamarans („Sea Surface Scanner“, S³) ist das nun möglich. Das Expeditionsteam konnte damit Proben aus der oberen dünnen Wasserschicht und zusätzlich aus einem Meter Tiefe nehmen. Dabei stießen sie zu ihrer Überraschung auf die blau gefärbten Ruderfußkrebse aus der Familie der Pontelliden, berichtet Janina Rahlff: „In der dünnen Oberflächenschicht waren sie teils viel häufiger als in einem Meter Wassertiefe, selbst bei hoher UV-Einstrahlung.“ Die Forscher beobachteten auch, dass die kleinen Krebse umso häufiger auftraten, je reicher die Oberflächenschicht an Mikroalgen war – die wesentliche Nahrungsquelle der Tiere.
Ruderfußkrebse, in der Fachsprache Copepoden genannt, kommen in allen Regionen der Weltmeere vor und sind ein wichtiger Bestandteil des marinen Nahrungsnetzes. Mit gut drei Millimetern waren die Exemplare, die die Oldenburger Wissenschaftler im tropischen Pazifik nordwestlich der Bismarck-See fanden, vergleichsweise groß – und ungewöhnlich gefärbt. Die Wissenschaftler vermuten, dass das blaue Pigment, bestehend aus dem Karotinoid Astaxanthin in Verbindung mit einem Eiweiß, die Tiere durch anti-oxidative Eigenschaften vor der starken UV-Einstrahlung an der Meeresoberfläche schützt. Denn unabhängig von zeitweise sehr hohen UV-Indizes fanden die Forscher bisweilen große Mengen der Ruderfußkrebse in der Oberflächenschicht. Eine erhöhte Sterblichkeit, wie sie zum Beispiel durch größere Mengen leerer Chitinpanzer oder toter Individuen nachweisbar wäre, konnten die Wissenschaftler im Gegensatz zu Ergebnissen anderer Publikationen nicht finden.
Der Ozeanograf Dr. Christopher Zappa von der Columbia University, New York, untersuchte zudem mit Hilfe einer neuartigen Drohne die Farbe des von der Meeresoberfläche und von den blauen Copepoden reflektierten Lichts. Dabei zeigte sich: Das blaue Pigment der Kleinkrebse reflektierte vor allem den Bereich des Lichtspektrums, der dem von der Wasseroberfläche rückgestrahlten Licht entsprach. Das bedeutet, dass die Tiere an der Luft-Meer-Grenze nur schlecht erkennbar sind. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Copepoden so vor Fressfeinden getarnt sind. Außerdem können sich die Krebse durch kurze Sprünge in die Luft möglichen Angreifern entziehen.
„Pontellide Ruderfußkrebse können dank einer einzigartigen Überlebensstrategie den an Nahrungsorganismen reichen, physikalisch stabilen Oberflächenfilm in tropischen Ozeanen nutzen“, sagt Ribas Ribas. Anders als die meisten anderen Angehörigen des Zooplanktons ihrer Größenklasse, die von der Oberflächenschicht nicht profitieren könnten, weil sie gut sichtbar seien und der starken UV-Einstrahlung nicht widerstehen könnten, profitierten die Pontelliden dabei wahrscheinlich von ihrer Pigmentierung und ihrer Anpassungsfähigkeit. Die Ergebnisse der Forscher, die im Fachmagazin Scientific Reports erschienen sind, könnten helfen zu verstehen, wie sich die Kleinkrebse an infolge des Klimawandels veränderte Umweltbedingungen in den Ozeanen anpassen.