• Immer wieder verglühen Meteore in der Atmosphäre - wie hier in Schweden. Foto: ESA, N. Melville CC BY-NC-SA 2.0

  • Das zylinderförmige Forschungsmodul Columbus schwebt im Weltraum, im Hintergrund ist die Erde zu sehen.

    Seit mehr als zehn Jahren kreist das Forschungslabor Columbus als Teil der ISS über der Erde - und steht unter ständigem Beschuss. Foto: ESA

Ungemütliche Nachbarschaft

Medizinphysiker der Universität Oldenburg untersuchen nicht nur irdische, sondern auch kosmische Strahlung – eine Verbindung, die nur auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint.

Medizinphysiker der Universität Oldenburg untersuchen nicht nur irdische, sondern auch kosmische Strahlung – eine Verbindung, die nur auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint.

Die unendlichen Weiten des Weltraums beginnen nur rund hundert Kilometer über der Erdoberfläche. Dort wird die Atmosphäre so dünn, dass sie Flugzeuge nicht mehr tragen könnte. Jenseits dieser Grenze ist das All fast leer – aber nicht ganz: Geladene Elementarteilchen, Staubpartikel, kleine Gesteinsbrocken und Weltraumschrott umgeben unseren Planeten.

Wie viele Teilchen und Partikel in der Nähe der Erde und im Rest des Sonnensystems genau herumfliegen und wie sich diese Objekte und die Strahlung auf Astronauten und Raumsonden auswirkt, untersucht ein Team um den Oldenburger Physiker Prof. Dr. Björn Poppe. Mit ihren Ergebnissen tragen die Forscherinnen und Forscher seit einigen Jahren dazu bei, die unmittelbare Nachbarschaft der Erde im All – die so genannte Weltraumumgebung –besser zu verstehen. Die Arbeitsgruppe kooperiert dabei unter anderem mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Wichtiger Teil des Teams ist der Physiker Dr. Gerhard Drolshagen, der bis zu seiner Pensionierung 2016 beim European Space Research and Technology Centre (ESTEC) in Noordwijk in den Niederlanden für die Erforschung der Weltraumumgebung zuständig  war.

„Das Thema ist in den letzten Jahren sehr aktuell geworden, weil Missionen zum Mars oder langfristige Aufenthalte auf dem Mond wahrscheinlicher geworden sind. Dabei spielt die Strahlenbelastung eine sehr große Rolle“, sagt Poppe, Leiter der Universitätsklinik für Medizinische Strahlenphysik. Sein Team beschäftigt sich vor allem mit Fragestellungen, die sich durch die Anwendung von Strahlung in der Medizin ergeben. In Oldenburg werden seit vielen Jahren Detektoren zur Messung dieser Strahlung entwickelt und in der Strahlentherapie eingesetzt.

Test unter Weltraumbedingungen

Doch wie kommt die Verbindung zur Astrophysik zustande? Beide Fachgebiete beschäftigen sich mit Strahlung, erläutert Poppe: „Kosmische Strahlung hat zwar meist eine deutlich höhere Energie, doch wir können in der Weltraumphysik die gleichen Detektoren und ähnliche mathematische Ansätze verwenden wie in der Medizin.“ Er und sein Team können somit vor allem ihre Kompetenzen bei der Geräteentwicklung und bei der Strahlungsmessung in die Weltraumforschung einbringen.

So analysierten die Oldenburger im Oktober 2018 einen Strahl aus Blei-Ionen am Teilchenbeschleuniger LHC, der zum Forschungszentrum CERN in der Schweiz gehört. Der energiereiche Bleistrahl sollte Strahlung simulieren, wie sie in der Umgebung der Erde auftritt. Raumfahrtagenturen nutzten die Gelegenheit, um Bauteile unter Weltraum-Bedingungen zu testen. Um die entstehenden Schäden beurteilen zu können, musste die Verteilung der Blei-Ionen innerhalb des Strahls zuvor genau vermessen werden. „Hier konnten wir einen wirklich neuen Beitrag aus der Medizin heraus für die Hochenergiephysik leisten“, sagt Poppe. In einem anderen Projekt untersucht das Team im Auftrag der ESA, ob bestimmte auf Satelliten eingesetzte Detektoren geeignet sind, um geladene Teilchen aufzuspüren, die aus fernen Regionen der Milchstraße ins Sonnensystem eindringen. Zuvor wurde mit diesen Geräten lediglich die nicht ganz so energiereiche Strahlung der Sonne vermessen.

Daneben befassen sich die Forscher auch mit winzigen Staubteilchen und etwas größeren Partikeln, die in der Erdumgebung zu finden sind. Treffen diese Bröckchen, Meteoroide genannt, auf die Atmosphäre, erzeugen sie Sternschnuppen oder größere Feuerkugeln. Vor allem über Meteoroiden und Asteroiden im Größenbereich zwischen einigen Zentimetern und wenigen Metern ist bislang wenig bekannt, doch gerade sie könnten Raumfahrern gefährlich werden. „Das Größenverhältnis  zwischen kleinen Meteoroiden und der Erde ist so ähnlich wie zwischen einem Proton und einem Menschen“, sagt Poppe. Daher könne man Modelle und Ansätze aus der Strahlenmedizin benutzen, um die erdnahe Staubverteilung zu verstehen.

Blick in die Erdumlaufbahn

Dabei blicken die Oldenburger Forscher zum einen in den Erdorbit: Bei einer Messkampagne im September 2018 scannte eine Kamera am Roboterarm der Internationalen Raumstation ISS zweimal acht Stunden lang die Außenhaut des europäischen Forschungsmoduls Columbus. Dabei entstanden Aufnahmen von zahlreichen millimetergroßen Einschlagkratern auf der Metallfläche. Anhand von deren Anzahl und Verteilung will das Team nun die Häufigkeit von Meteoroiden und Weltraumschrott in der Umlaufbahn ermitteln.

Zum anderen suchen die Oldenburger vom Erdboden aus nach Spuren des Weltraumstaubs. Sie beteiligen sich etwa daran, in Deutschland ein Netzwerk aus Kameras aufzubauen. Die Geräte sollen an einem Ort jeweils den gesamten sichtbaren Himmel beobachten und nachts Feuerkugeln erfassen. Die Astrophysiker werten zudem soziale Medien wie Facebook oder Twitter aus, auf denen Nutzer die Sichtung von Leuchterscheinungen vermelden, und sie haben Zugriff auf Daten der Organisation zur Überwachung des Kernwaffenteststopp-Vertrags (CTBTO), die Explosionen aller Art unter anderem mit speziellen Infraschall-Stationen überwacht. Eine erste Hochrechnung zur Gesamtmenge an Meteoroiden veröffentlichte das Team 2017 in der renommierten Zeitschrift Planetary and Space Science. Demnach treffen täglich im Schnitt rund 32 Tonnen kosmische Bröckchen mit einem Durchmesser von bis zu einem halben Meter auf die Erde.

Glücklicherweise ist der Planet durch seine Atmosphäre gut vor dem Teilchenhagel geschützt

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