Konzept der Tagung
Konzept der Tagung
Konzept der Tagung „200 Jahre Marx, 150 Jahre Das Kapital – Der Stachel bleibt!“
2. und 3. November 2018, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Die Welt ist aus den Fugen. 10 Jahre ist es her, als in der Finanzkrise einmal mehr deutlich wurde, daß Geld und dessen erfolgreiche Vermehrung die Welt regiert. Als nämlich das zuvor florierende Wachstum des Finanzkapitals plötzlich stockte, die zuvor angepriesenen Finanzprodukte auf einmal wertlos wurden, einzelne Banken zusammenbrachen und andere, weil too big to fail, durch den Staat ,gerettet‘ werden mußten, drohte der gesamte Produktionsprozeß zu kollabieren. Im Kapitalismus, so wurde offenbar, hängen der gesellschaftliche Reichtum, dessen Produktionsprozeß und letztlich das Leben der Menschen von einer eigentümlichen, selbständigen Verwertungsbewegung des Finanzkapitals ab.
Der Klimawandel, das Artensterben, die unheimliche Zunahme an Krebserkrankungen u.a. sind Menetekel dafür, wie die jede organische Schranke sprengende Inanspruchnahme der Natur durch die kapitalistische Produktionsweise bedrohlich anwachsende und irreversible Zerstörungen sowohl der naturalen Lebensgrundlagen als auch des Lebens der Menschen selbst erzeugt.
Die unter kapitalistischem Kommando sich vollziehende Umwälzung der industriellen Produktionsprozesse durch die Informations- und Kommunikationstechnologie (,vierte industrielle Revolution‘, ,Digitalisierung‘) verohnmächtigt die Subjekte in bislang ungekanntem Ausmaß und integriert sie in das Geschäft mit ihren Daten.
Von Anbeginn grenzten die Hüter der akademischen Wissenschaften das Marxsche Kapital als Kampfschrift, als den Kodex wertfreier Wissenschaften verletzend aus. Inzwischen sind Marx und insbesondere seine zentralen ökonomischen Schriften an der Universität ortlos geworden. Kein Wunder, denn die Universität ist der Ort, an dem intelligible Charaktere ruiniert werden. Die Marx-Tagung „200 Jahre Marx, 150 Jahre Das Kapital – Der Stachel bleibt!“ zielt darauf, die Beunruhigung, die die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie darstellt, lebendig werden zu lassen und zum Widerspruch gegen die herrschende Meinung gerade dort anzustacheln, wo diese Meinung akademisch verbrämt und zementiert wird. Der Stachel wird spürbar, wenn die genaueste Lektüre der Marxschen Texte all das wegräumt, was eine häufig verschüttende, verstellende Rezeptionsgeschichte aufhäufte. So können und so sollen die revolutionären Potentiale der Marxschen Theorie freigelegt werden. Nach wie vor ist die Marxsche Theorie diejenige Theorie, die das Wesen des Kapitals begreift. Der gegenwärtige Wissenschaftsbetrieb offenbart die Wahrheit über seine Funktion für die bürgerliche Gesellschaft und deren Staat, wenn er die Theorie des Wesens der gegenwärtigen Gesellschaft von der Universität relegiert.
Zweifelsohne ist Das Kapital weder ein theoretisch abgeschlossenes noch ein perfektes noch ein zeitloses Werk. Aber wir haben keine bessere ökonomische Theorie, die das Wesen des Kapitals begreift. Das Kapital erörtert die zentralen Theorie-Elemente zur Erklärung der nach wie vor herrschenden Produktionsweise. Die in den 150 Jahren seit Erscheinen des Buches durchgesetzte Fortentwicklung des Kapitalismus – oben skizziert: Finanzkrise, Naturzerstörung, Digitalisierung – wirft ein grelles Licht darauf, daß es zur question de vie et de mort geworden ist, die Marxsche Theorie für einige Sphären wie diejenige des Finanzkapitals fortzuentwickeln, um nicht in und mit der aus den Fugen geratenen Welt unterzugehen. Welche Macht das Finanzkapital heutzutage gewonnen hat, dies konnte Marx nicht antizipieren. Welche Dimension die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen inzwischen angenommen hat, überstieg die Vorstellungskraft eines Menschen des 19. Jahrhunderts und übersteigt selbst diejenige der Zeitgenossen, vor allen Dingen dann, wenn sie, wiewohl die Informationen zugänglich sind, das Ausmaß an Zerstörung nicht wahrhaben wollen. Das Prinzip, nämlich daß das Kapital rücksichtslos und allein dem Zweck seiner Verwertung folgend gegen die natürlichen Lebensgrundlagen vorgeht, dieses Prinzip steht genau so schon bei Marx, abgeleitet aus dem Begriff des Kapitals. Angesichts solcher sowohl quantitativ als auch qualitativ neuen Erscheinungsformen des Kapitalismus wird es lebenswichtig, die Marxsche Theorie auf der Grundlage der basalen Theorie-Elemente im Kapital zu erweitern und partiell auch fortzuentwickeln. Deswegen wäre eine schlichte Marx-Philologie, das Musealisieren des Kapital oder das Feiern von Marx als eines genialen, Großes vorausahnenden Denkers des 19. Jahrhunderts verkehrt.
Dem Stachel der Beunruhigung widmen wir die geplante Tagung, die zum Leitthema hat: Marxsche Theorie heute, das ist: Marxsche Theorie angesichts der angeführten Fortentwicklung der kapitalistischen Verhältnisse, der Verschärfungen der Herrschaft des Staates und der uns bedrohenden Zerstörungsprozesse. Wir gliedern in einzelne Themenbereiche. Zu den einzelnen Themenbereichen werden in guter akademischer Tradition Referent und Respondent vortragen (jeweils etwa 20 Minuten). Die anschließende Diskussion soll den Mittelpunkt der Tagung bilden.