Mangelndes Vertrauen kann dazu führen, dass Einsame sich noch einsamer fühlen. Darauf deutet eine aktuelle Studie hin, an der Oldenburger Forschende beteiligt waren.
Einsamkeit ist ein schmerzhaftes Gefühl. Wenn es länger anhält, kann es zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen führen. Forschende der Universitäten Bonn, Haifa (Israel) und Oldenburg haben nun herausgefunden, wie Einsamkeit mit einem reduzierten Vertrauen einhergeht. Dies schlägt sich in Veränderungen der Aktivität und Zusammenarbeit von verschiedenen Gehirnstrukturen nieder, vor allem der Inselrinde. Die Ergebnisse liefern damit Anhaltspunkte für Therapiemöglichkeiten. Sie sind nun im Fachmagazin Advanced Science veröffentlicht.
Jeder kennt Momente der Einsamkeit. Dahinter steckt die empfundene Diskrepanz, dass das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen nicht im gewünschten Maß erfüllt wird. Wie beim Hunger, der gestillt werden will, kann aus Einsamkeitsgefühlen aber auch die Motivation erwachsen, sich mit anderen Menschen zu verbinden. Manche Menschen sind jedoch von andauernder Einsamkeit betroffen. In solchen Fällen kann das Risiko zunehmen, psychisch zu erkranken – zum Beispiel an Depressionen oder Angsterkrankungen. „Ein Grund für diese stark empfundene Einsamkeit kann mangelndes Vertrauen zu Mitmenschen sein”, erläutert Dr. Dirk Scheele mit Hinweis auf erste Studienergebnisse. Der Psychologe, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Oldenburg und Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Bonn, hat die Studie geleitet.
Zusammen mit Prof. Dr. Simone G. Shamay-Tsoory von der Universität Haifa (Israel) und Prof. Dr. Dr. René Hurlemann von der Universität Oldenburg untersuchte das Team um Scheele daher den Zusammenhang von Vertrauen und Einsamkeit genauer. Anhand eines Online-Fragebogens wählten die Forschenden aus 3678 Erwachsenen 42 Personen aus, die von starker Einsamkeit betroffen sind, aber nicht an einer psychischen Erkrankung leiden oder in psychotherapeutischer Behandlung sind. Als Kontrollgruppe dienten 40 Personen, die nicht unter andauernder Einsamkeit litten. „Es war uns wichtig, dass unsere Befunde auf die erlebte Einsamkeit zurückzuführen sind und ein Einfluss von psychischen Erkrankungen möglichst ausgeschlossen werden kann”, erläutert die Erstautorin Jana Lieberz aus Scheeles Team.
Im Hirnscanner: Wie groß ist die Bereitschaft zu teilen?
Die Teilnehmenden absolvierten zunächst Aufgaben im Hirnscanner. Unter anderem spielten sie ein Vertrauensspiel. Hierbei bekamen sie zehn Euro Startkapital. Anhand von eingeblendeten Porträtfotos sollten sie entscheiden, wieviel von dem Geld sie jeweils mit den gezeigten Menschen zu teilen bereit waren. Ihnen war bekannt, dass ein Gewinn über das Startkapital hinaus nur dann möglich war, wenn sie ihr Startkapitel mit anderen teilten. Gleichzeitig mussten sie jedoch auch darauf vertrauen, dass ihre Spielpartner das eingesetzte Geld nicht für sich behielten. „Teilnehmer mit ausgeprägten Einsamkeitsgefühlen teilten weniger mit anderen als die Kontrollgruppe”, erläutert Scheele. „Wir interpretieren das als ein geringeres Maß an Vertrauen.”
Die Forschenden stellten zudem bei Gehirnarealen, die in die Vertrauensbildung involviert sind, Abweichungen in der Verarbeitung gegenüber der Kontrollgruppe fest. Dies zeigte sich vor allem in der vorderen Inselrinde (anteriore Insula), die bei Einsamen weniger aktiv war und sich nicht so ausgeprägt mit anderen Gehirnarealen vernetzte. „Eine wichtige Funktion der Inselrinde besteht darin, die eigenen Körpersignale wie den Herzschlag wahrzunehmen und zu interpretieren“, sagt Lieberz. „Außerdem hilft sie dabei, die Reaktionen anderer Menschen richtig zu deuten, etwa die Mimik oder Stimmung – oder die Vertrauenswürdigkeit.”
Im Anschluss an das Vertrauensspiel simulierten die Versuchsleiter mit der jeweiligen Versuchsperson zudem eine standardisierte Gesprächssituation, bei der es um emotional positive Inhalte ging: Was würden Sie mit einem Lottogewinn anfangen? Welche Hobbys haben Sie? Hinterher befragte das Team die Versuchspersonen nach ihrer Stimmung. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler anhand von Blut- und Speichelproben unter anderem einen Anstieg des Bindungshormons Oxytocin als Reaktion auf das Gespräch und maßen die Distanz in Zentimetern, die die Probanden zur Versuchsleitung einhielten.
Es zeigte sich, dass bei den von starker Einsamkeit betroffenen Personen die Stimmung nach dem Smalltalk weniger positiv war als bei der Kontrollgruppe. Auch die Konzentrationen des Bindungshormons Oxytocin veränderten sich weniger. Einsame Menschen hielten zudem eine rund zehn Zentimeter größere räumliche Distanz zur Versuchsleitung ein als die kaum von Einsamkeit Betroffenen. „Die Ergebnisse zeigen insgesamt über die verschiedenen Aufgaben hinweg, dass mit chronischer Einsamkeit ein reduziertes Vertrauen in Mitmenschen einhergeht”, fasst Scheele das wichtigste Ergebnis zusammen. „Das kann dazu führen, dass man Interaktionen mit anderen als weniger positiv erlebt. Das erschwert den Kontakt zu anderen und verschärft die Einsamkeitsspirale.”
Ansatzpunkte für Therapien
Das Forschungsteam sieht in diesen Erkenntnissen auch Ansatzpunkte für Interventionen. „Das reduzierte Vertrauen von einsamen Menschen könnte bei Therapien stärker in den Fokus genommen werden, in dem es in Gesprächen thematisiert und den Betroffenen damit bewusst gemacht wird”, ergänzt Lieberz. Dann könnten auch Strategien angegangen werden, wie Betroffene ihr Vertrauen in andere Menschen stärken können. In einer aktuell am Universitätsklinikum Bonn laufenden Studie untersuchen die Forschenden zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Haifa und Oldenburg, ob durch eine psychotherapeutische Gruppenintervention diese negativen gedanklichen Verzerrungen reduziert werden können.
Quelle: Universität Bonn